Politik | 23.02.2022

Fabian Schneider leitet seit dem 1. Oktober 2021 die Verwaltung der Verbandsgemeinde Mendig. Arbeitsbeginn war an seinem 28. Geburtstag - er ist damit der jüngste Büroleiter in einer Kommune in Rheinland-Pfalz. Zuvor machte er als Leiter des Landesimpfzentrums in der Grafschaft auf sich aufmerksam. In seiner Freizeit ist er Schiedsrichter-Assistent in der dritten Liga. Hermann Krupp lud ihn zum Redaktionsgespräch ins Krupp-Medienzentrum nach Sinzig

Fabian Schneider will „Beamtentum next generation“ einführen

 Hermann Krupp im Gespräch mit Fabian Schneider.

Sinzig. Starten wir mit der bekannten „schönsten Nebensache der Welt“, dem Fußball. Fabian Schneider ist seit seinem 14. Lebensjahr Schiedsrichter - das war er auch in der Drittliga-Partie MSV Duisburg gegen den VfL Osnabrück, die abgebrochen wurde wegen rassistischer Ausfälle gegen einen schwarzen Spieler. Das sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Hermann Krupp interessiert, wie man in einer solchen Situation als Schiedsrichter reagiert. Die Antwort: „Kühl und besonnen.“ Er erzählt, dass es bei einem Eckball rassistische Beleidigungen gab. Darauf wurde das Spiel unterbrochen, um mit den Spielern zu sprechen. „Wir mussten einen Weg finden.“ Doch die Spieler gingen von sich aus in die Kabine zurück, das Spiel wurde abgebrochen. Damit, so Schneider, wurde „ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen gesetzt“, auch Bundes- und Landespolitiker äußerten sich zu den Vorgängen. In einem nachfolgenden zivilen Verfahren blieb wenig von den Vorwürfen, der Beschuldigte wurde entlastet. Doch für Fabian Schneider bleibt die bewiesene Zivilcourage in Erinnerung, die Solidarität, sich mit dem betroffenen Spieler zu solidarisieren. Hermann Krupp: „Ist das eine besondere Stresssituation oder geht man da locker rein?“ Er versuche, sagt der Schiedsrichter, „zu versachlichen“. Denn in seiner Funktion entscheide er oft für oder gegen ein ganzes Team. Man gerät also zwischen die Fronten? „Als Schiedsrichter immer!“ Er zählt zu den 300 besten Schiedsrichtern, sagt er. Insgesamt gebe es rund 50.000 Schiedsrichter in Deutschland. Wie steht er denn zum Videobeweis beim Fußball? Man traut sich ja kaum noch, direkt zu jubeln, wenn ein Tor fällt. „Es entzieht ein Stück Emotionen“, unterstreicht er die Skepsis. Und es werde auch weiter diskutiert. Aber auf der anderen Seite sei dies „zeitgemäß“ und es nehme den Druck von den Schiedsrichtern. „Man gerät aus der Schusslinie.“

Nur vier Wochen zum Aufbau eines Impfzentrums

Schiedsrichter sind ausnahmslos nebenberuflich tätig. Kommen wir zum Beruf Fabian Schneiders, denn da gibt es noch mehr zu erzählen. Er war nach seinem Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung vier Jahre Sachbearbeiter im Bauamt der Kreisverwaltung Ahrweiler. Zusätzlich übernahm er 2020 die Leitung für das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Projekt „Hauptamt stärkt Ehrenamt“, das durch die Pandemie allerdings nach drei Monaten ausgesetzt werden musste.

Die Pandemie sorgte für ganz andere Herausforderungen: Das Gesundheitsamt suchte einen Koordinator, der den Aufbau von Organisations-, Kontaktnachverfolgungs- und Teststrukturen im Kreis Ahrweiler aufbaute. Er meldete sich - und wechselte so im April 2020 zum Gesundheitsamt.

„Da hat man mal gesehen, was moderne Verwaltung kann“

Hermann Krupp: „Haben Sie eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf?“ Nein, das schaffte er „eher freestyle“, sagt er. Dann kam die Nachricht, dass ein Impfstoff gefunden wurde und man bald die Bundesbürger impfen könne. Das bedeutete: „Wir hatten nur vier Wochen, ein Impfzentrum aufzubauen.“ Man fand einen guten Standort, hatte ein gutes Team und packte an. Fabian Schneider: „Da hat man mal gesehen, was moderne Verwaltung kann.“ Im November 2020 wurde mit dem Aufbau des Impfzentrums gestartet, im Dezember 2020 war alles bereit; Fabian Schneider wurde Leiter des Impfzentrums im Kreis Ahrweiler in Grafschaft-Gelsdorf während der nationalen Impfkampagne.

Richtig loslegen konnten sie erst im Januar, erzählt er. Der Impfstoff war noch knapp und andere Kreise hatten zu dem Zeitpunkt eine höhere Inzidenz. „Man kann verstehen, dass Sie stolz waren“, wirft Hermann Krupp ein. Aber die öffentliche Meinung lief doch in eine andere Richtung, weil kein Impfstoff da war. „Es kamen zu uns nur die, die dran waren“, antwortet Schneider. Die Terminvergabe wurde anderswo geregelt. Daher erlebte das Team im Impfzentrum „Wertschätzung, Lob und Anerkennung“, erinnert er sich.

Zu dem eigentlichen Erfolg nimmt er für sich noch eine Erkenntnis mit: Die Kreisverwaltung Ahrweiler konnte als „Ressource“ genutzt werden. „Man nimmt das Personal, dass sich mit Verwaltung auskennt.“ Nach einer Rundmail meldeten sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen und beteiligten sich an der Arbeit im Impfzentrum.

Das Impfzentrum hatte innovative Ideen, wie etwa die Impfnacht in den Mai oder eine medizinische Drehscheibe am Bahnhof Ahrweiler, die das Vorbild für die Impfbusse war. Dennoch konnte das Ziel, die beste Impfquote zu erreichen, nicht erfüllt werden, denn im Sommer kam die Flutkatastrophe im Ahrtal.

„Verwaltung kann 20 Prozent mehr leisten“

Im Oktober 2021 trat Fabian Schneider seine neue Beschäftigung an: Er wurde Büroleiter der Verbandsgemeinde Mendig. „Das ist ein Privileg und gleichzeitig ein Vertrauensvorschuss“, so Hermann Krupp. „Konnten Sie schon etwas bewegen?“ Er habe eine „These“, antwortet er. „Verwaltung kann mindestens 20 Prozent mehr leisten.“ Die Überraschung im Raum ist fast greifbar. „Das geht“, wie die Erfahrungen von vier Monaten bereits zeigten. Die Stimmung in der Verwaltung sei eine andere geworden, erzählt der Büroleiter. Er bringe den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wertschätzung entgegen, sei nicht nur ein Büroleiter, der die Leute ins Büro zitiert. Er weiß, dass er in einer öffentlichen Verwaltung nur einen begrenzten Handlungsspielraum hat. Daher ging seiner Anstellung die Überlegung voraus: „Was kann man trotzdem tun?“ Und warum soll nicht eine Verwaltung auf den Prüfstand, um Verbesserungspotenziale zu erkunden? Herauskommt das „Beamtentum next generation“, wie Fabian Schneider es nennt.

Wichtig, so Schneider, ist die Einsicht, dass die „Ressource Mensch das Wichtigste“ ist. Er zeige den Mitarbeitern, dass sie die Spezialisten mit dem Fachwissen sind. Wenn er so offensiv an Gespräche gehe, merkten diese, dass da mal jemand nach der Arbeit fragt. Fabian Schneider ist überzeugt, dass eine Verwaltung Entscheidendes bewirken könne, wenn sie Dinge aus der Wirtschaft adaptiere. Zur besseren Akzeptanz könne man zum Beispiel auch Bürger befragen, welche Projekte vorrangig umgesetzt werden sollten innerhalb eines Prozentsatzes des Haushaltsvolumens.

„Junge Leute können was damit anfangen“

„Mit solchen Ideen treten Sie schon einigen auf die Füße“, sagt Hermann Krupp. Die Antwort: „Es geht um die Sache.“ Als Büroleiter der Verbandsgemeinde ist er doch zuständig für die Verwaltung und hat den Bürgermeister und die Gremien über sich. Ideen und Positionen müssen denen auch gefallen. „Wie gehen Sie damit um?“ Zu Beginn merkte er „schon eine gewisse Skepsis“, erzählt er. Aber es sei eben auch eine „Riesenchance“.

„Und wie gehen Beamte in der Verwaltung damit um, wenn Sie denen mit Management kommen?“ Gewisse Dinge erscheinen zunächst befremdlich, sagt Schneider. „Junge Leute können was damit anfangen.“

Hermann Krupp hakt nach: „Können Sie den Begriff ´Beamtentum next generation´ noch mit ein paar Schlagworten unterlegen?“ Fabian Schneider liefert Stichworte: Nicht mehr starre Arbeitszeit, Anreize schaffen, um die Verwaltung effizienter zu machen, Beamte sehen sich nicht mehr als Beamte.

Doch der Handlungsspielraum ist eben begrenzt. Daher sei es auch wichtig, dass geliefert wird. Wie lange wird von der papierlosen Verwaltung gesprochen, von einer digitalen Verwaltung? Schneider: „Machen ist das Stichwort!“

Landrat? - „Irgendwann vielleicht“

Letzte Frage: Warum bewarb er sich nicht als Landrat im Kreis Ahrweiler. „Es wurde an mich herangetragen“, sagt er. Für sich habe er entschieden, dass es zu früh sei wegen fehlender Lebenserfahrung und Fachlichkeit. „Irgendwann vielleicht.“ In Sachen Fachlichkeit holt er auf, in seiner Position als Büroleiter und in einem Masterstudiengang öffentliche Verwaltung. Das mit der Lebenserfahrung kommt mit der Zeit.

Text/Foto: WPA

Hermann Krupp im Gespräch mit Fabian Schneider.

Leser-Kommentar
25.02.202210:30 Uhr
Gabriele Friedrich

Genau ! Die Schweizer haben ihre Beamten auch abgschafft, bis auf die wichtigsten,nötigen. Klappt! die 20 % sind von was ?
Von den 50 % die viele leisten? Es gibt auch fleissige Beamte, die Juristen in Berlin, die uns den Mist aufdrücken, denn ohne Beamte keine Gesetze. Aber die Pensionen sind zu hoch-und das muss runter ! Lehrer müssen auch keine Beamten sein, erst recht keine Grundschullehrer. Wozu? Die Polizeibeamten, die brauchen mehr Sold. Die können nicht mal ihre Kinder bei der Kasse anmelden, da muss schon die Frau arbeiten, damit die Kids in der gesetz. KV sind. Die Beihilfe ist zu teuer für jedes Kind.Wenn ich in MY eine Beamtin anrufe, dann erzählt die mir- sie ist überlastet (halbtags) und sie hat keine Zeit, sie ist gerade an etwas wichtigem dran. (das sagt die jedes Mal) und nur Mittwochs erreichbar. Hä? Wolle Rose kaufe? In meiner Familie hatten wir einige Beamte, bei jeder Familienfeier was? ZOFF ! Die Amerikaner sind wieder da ! Krieg ist auch, schaun wir mal..

24.02.202213:06 Uhr
juergen mueller

Beamtentum "next generation".Lieber die Frage stellen: "Warum gibt es noch Beamte (die keine Sozialversicherungsbeiträge, wie beispielsweise Arbeitslosen- u. Rentenversicherung zahlen)?" Die Alliierten haben nach Ende des Krieges 1945 das Beamtentum abgeschafft. Das hätte so bleiben sollen/müssen. Aber ohne kam/kommt Deutschland offensichtlich nicht aus. Die Diskrepanz zwischen einem Beamten u. einem Angestellten könnte man fast als diskriminierend bezeichnen, da Beamte Vorzüge genießen, von denen ein Angestellter nur träumen kann. Beamte haben ein gesichertes Einkommen, beziehen kein Gehalt, sondern eine Besoldung, es ist schwer, sie von ihrem Stuhl zu entfernen. Angestellte sitzen praktisch auf einem Schleudersitz. Beamte werden auch nicht versetzt, sondern umgebettet. Das Beamtentum wird in Deutschland gepflegt, verhätschelt. Es gibt keine "next generation". 20% mehr leisten !!! Ein Überfordernis, das schon so manchen Sesselfurzer dazu animiert hat, früher in Pension zu gehen

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