Interview mit Volker Wissing

„Rheinland-Pfalz steht solide da“

„Rheinland-Pfalz steht solide da“

Volker Wissing und Sandra Weeser zeichnen ein positives Bild der rheinland-pfälzischen Wirtschaft.

„Rheinland-Pfalz steht solide da“

Hermann Krupp hatte kritische Fragen vorbereitet.

Volker Wissing ist sich sicher: Wirtschaftlich ist das Land Rheinland-Pfalz gut aufgestellt. Oder war es zumindest – bis Corona kam. Wissing ist Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes und zeichnet trotzdem ein positives Bild vom gegenwärtigen Stand der Landeskasse: „Die Situation ist nicht schlecht“, sagt Wissing, der außerdem seit September diesen Jahres Generalsekretär der FDP ist. Nicht vollkommen zufrieden ist er jedoch mit dem Umgang der Bundesregierung mit der Corona-Pandemie. Was das im Detail bedeute, erklärte Wissing nun bei seinem Besuch im Krupp Medienzentrum in Sinzig. Im Redaktionsgespräch mit Hermann Krupp, Chefredakteur von BLICK aktuell und Geschäftsführer des Krupp Verlages, ging es jedoch nicht nur um Wirtschaft und Virus: Auch der Zustand der Straßen im Land und der digitale Ausbau war Thema der lebhaften Diskussion. Begleitet wurde Wissing von der Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis Neuwied, Sandra Weeser, dem Neuwieder FDP-Kreisvorsitzenden Alexander Buda, dem Kreisvorsitzenden der FDP im Kreis Ahrweiler, Ulrich van Bebber sowie dem Kandidaten für die Landtagswahl 2021 im Wahlkreis 13, Martin Thormann.

Hermann Krupps erste Frage zielt auf den gegenwärtigen „Lockdown light“ ab „Sind Sie mit den Maßnahmen der Bundesregierung zufrieden?“, möchte der BLICK aktuell-Chef wissen. Volker Wissing erläutert zunächst den Gedanken, der hinter allen Maßnahmen steht. „Ziel ist es, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten“, fasst er zusammen. Und: „Natürlich funktionieren Kontaktbeschränkungen“, sagt Wissing. Es sei schließlich festzustellen, dass die Zahlen zumindest stagnieren. (Anm. der Redaktion: Diese Aussage bezieht sich auf das Infektionsgeschehen am 23. November 2020). Dennoch sei man seitens der FDP nicht mit jeder Idee einverstanden. Gemeint ist vor allem das Schließen der Gastronomie. „Gastronomen haben die Regeln monatelang akribisch umgesetzt und dann doch schließen müssen“, so Wissing, der die Maßnahmen für die Gastronomie als „Ritt auf Messers Schneide“ bezeichnet. Das Konzept sei als „Circuit Breaker“ auslegt, also als Unterbrechung des Infektionskreislaufes. Gleichzeitig betont Wissing, dass die Schließung der Gastronomie eine reine Abwägungsentscheidung war. Auch eine erneute Schließung der Schulen wurde diskutiert. Für Wissing sei das keine Option. Es gelte festzustellen, bei welchen Maßnahmen „weniger Schaden entsteht“. Die Einschränkungen der Freizeitgestaltung seien somit weniger schädlich, als jungen Menschen das Grundrecht auf Bildung zu beschneiden.

Mehr Transparenz aus Berlin

Für alternative Vorschläge sei man in Berlin außerdem nicht allzu empfänglich. „Man bekommt das Gefühl, dass jeder Vorschlag, der nicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt, abgelehnt wird“, beschreibt der FDP-Politiker, der gebürtig aus Landau stammt. Er hätte sich viel mehr gewünscht, dass der Bundestag einbezogen worden wäre. In einer Anhörung mit führenden Virologen wie Hendrik Streeck und Christian Drosten hätte man nach einer Beratung und Diskussion zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen können.

Dennoch habe man einen rheinland-pfälzischen Alleingang zuletzt nicht in Erwägung gezogen. Anders als beim Beherbergungsverbot, das Rheinland-Pfalz nie umgesetzt hatte. Wäre die Gastronomie in Rheinland-Pfalz weiterhin geöffnet, „würden die Nachbarn aus NRW, Hessen und Baden-Württemberg, aber auch Frankreich und Belgien alle zu uns kommen“, sagt Wissing.

Generell stellt Wissing fest, dass Deutschland gut durch die Pandemie komme. Dies läge, im Vergleich zu manchen Nachbarstaaten, an der hohen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Wirtschaftlicher Erfolg ermöglicht es, ein funktionierendes Gesundheitssystem zu finanzieren. Grundsätzlich wünscht sich Wissing mehr Transparenz in der Politik. So spricht er sich dafür aus, dass sich die Bundeskanzlerin mit einer Rede zur Lage der Nation direkt an die Bürger wendet und ihre Corona-Politik erläuterte. Dies würde mehr Einblicke geben, warum die Politik so handele, wie es jetzt der Fall sei.

Land hat Vorteile – auch in der Krise

Dieses Thema interessiert Hermann Krupp besonders: „Wie steht Rheinland-Pfalz wirtschaftlich da?“, möchte er wissen. Wissing: „Bis Corona waren wir auf einem sehr guten Weg“, stellt Volker Wissing fest. „Wir haben vieles angepackt und schauen auf eine erfolgreiche Legislatur“, fügt er hinzu. „Der Straßenbau wurde vorangetrieben, auch in der Ausbildungsförderung wurde einiges auf den Weg gebracht.“ Natürlich seien derzeit viele Unternehmen von der Corona-Pandemie schwer betroffen, wie etwa die Veranstaltungsbranche oder die Gastronomie. Die mittelständische Wirtschaftsstruktur in Rheinland-Pfalz bewirke, dass die Unternehmen im Land etwas besser durch die Krise kämen als andernorts. „Wir haben viele familiengeführte Unternehmen, die auf ein breites Umfeld von Leuten bauen können, die im Betrieb mit anpacken, wenn es eng wird.“

Hermann Krupp zeichnet ein etwas negativeres Bild: „Viele Unternehmen sind an der Grenze der Belastbarkeit“, sagt er. Volker Wissing kann dies nachvollziehen. Der Wirtschaftsminister verweist jedoch auf die vergleichsweise problemlosen Abläufe bei der Bereitstellung von Hilfsgeldern, zum Beispiel im Vergleich zu Berlin. Dort seien Finanzhilfen für Unternehmen ausgezahlt worden, die gar nicht existierten. In Rheinland-Pfalz hingegen wurden die Anträge sorgfältig geprüft, was zwar etwas dauerte, aber Betrug in größerem Ausmaß verhindert habe.

Der Schuldenstand habe sich dennoch verschärft. Zur Stabilisierung der Wirtschaft durch die Hilfszahlungen mussten neue Kredite aufgenommen werden und auch die Impfzentren müssen finanziert werden.

Bundespolitisch betrachtet, blicke man ebenfalls auf Herausforderungen. In den letzten Monaten sei der ohnehin schon starke Handel mit China massiv gewachsen. Man müsse aufpassen, hier nicht in eine immer stärkere Abhängigkeit zu geraten, gerade in der Automobilindustrie. „Sonst wird irgendwann in China entschieden, welche Autos wir in Deutschland fahren“, sagt Wissing. Dies ist auch entscheidend, da man sich auf politischer Ebene die Freiheiten bewahren müsse und nicht „endlos auf China“ zugehen könne.

Auch in der Europäischen Union habe sich der Schuldenstand verschärft, erklärt Wissing auf Nachfrage Krupps. Schließlich habe die EU zum ersten Mal in der Geschichte selbst Schulden gemacht. Das sei eine ernstzunehmende Entwicklung, denn „die Basis der Europäischen Union kann nicht eine gemeinsame Verschuldung sein“, führt Wissing aus. Gerade bei wirtschaftlich starken EU-Ländern führe dies zu Unmut.

Brücken: Historisch gewachsenes Problem

„Wie ist es um den Zustand der Brücken und Straßen in Rheinland-Pfalz bestellt?“, möchte Hermann Krupp wissen. Laut Wirtschaftsminister Wissing wurde viel getan. 120 Millionen Euro wurden seit 2016 jährlich in den Landesstraßenbau investiert, insgesamt 180 neue Ingenieure und technisches Personal wurden eingestellt. Das Personal weiter aufzubauen sei kaum möglich, so Wissing, – es mangele schlicht an Fachkräften. Generell habe man den Zustand der Straßen im Land verbessern können und „vieles sei auf der Zielgeraden“. Wissing stellt klar, dass eine Verbesserung jedoch nicht bedeute, alle Straßen im „permanenten Neuzustand“ zu halten. Bei den Brücken im Land sei man mit einem historischen Problem konfrontiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der Brücken zerstört. Somit wurden diese in den 1950er und 1960er Jahren neu gebaut, so zum Beispiel die Pfaffendorfer Brücke in Koblenz. „Und die kommen jetzt alle gleichzeitig in die Jahre“, so Wissing. Generell sei man aber auf einem guten Weg. Manchmal wünsche man sich mehr Entgegenkommen auf kommunaler Ebene, sagte er mit Blick auf die Mittelrheinbrücke. Dort würde „Parteipolitik statt Politik“ gemacht und das erschwere ein Vorankommen.

Ein Thema von Relevanz ist der Ausbau des Mobilfunknetzes und schnellerem Internets. Grundsätzlich stellt Volker Wissing fest: „Die Etablierung des 5G-Netzes ist Aufgabe des Bundes.“ Die entsprechenden Mobilfunklizenzen seien versteigert und nun warte man auf den Ausbau. Aber: Eine zeitliche Verpflichtung des Ausbaus seitens der Betreiber bestehe nicht. Und so habe man viel Zeit verschenkt. In Rheinland-Pfalz käme die Etablierung des flächendeckenden, mobilen Internets nur schleppend voran. Das habe geographische und demographische Gründe. Es sei nachvollziehbar, dass ein Mobilfunkbetreiber erst einen Ballungsraum wie Berlin versorge. Denn da leben genauso viele Menschen wie in Rheinland-Pfalz auf kleinerer Fläche. Rheinland-Pfalz sei ein Flächenland mit vielen hügeligen Gebieten. Das erschwert einen Ausbau. Mit den Mobilfunkbetreibern habe man sich nun „an einen Tisch gesetzt“. Ziel sei es, nach und nach alle „weißen Flecken auf der Landkarte“ zu tilgen. Dazu habe er im Wirtschaftsministerium die „Clearingstelle Mobilfunk“ eingerichtet. Wissing stellt fest: „Hier geht es jedoch nicht um das 5G-Netz, sondern um LTE“. Denn das 5G-Netz bringe Vorteile, wo es um Kommunikation in Echtzeit gehe. Zum Beispiel beim Austausch von Patientenwerten zwischen Rettungswagen und Krankenhaus. Auf diese technologischen Möglichkeiten wird eine große Hoffnung gesetzt, beispielsweise bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten, bei der jede Sekunde zähle. Dass schnelles Internet auch zu Hause und für Unternehmen zur Verfügung steht, ist ebenfalls ein großes Thema. Man wünsche sich zwar eine schnelle Umsetzung, dafür müssten jedoch neue Glasfaserkabel verlegt werden. Da gebe es viele Hindernisse bei den einzelnen Projekten in den Kommunen zu überwinden. Auch in Sachen künstlicher Intelligenz habe sich im Land einiges getan. In vielen Bereichen ist Rheinland-Pfalz Vorreiter. Insbesondere gäbe es große Fortschritte bei den Nutzfahrzeugen, etwa in der Landwirtschaft. Man verspreche sich viel von automatisierten Traktoren und Erntemaschinen.

Entbürokratisierung als Dauerthema

In Deutschland gibt es sprichwörtlich für alles eine Regel – das sorgt oft für Komplikationen und verlangsamte Abläufe, gerade in Behörden. Hermann Krupp fragt: „Wie kann Bürokratie abgeschafft werden?“ Volker Wissing stellt fest: „Es ist eindeutig viel zu viel geregelt und das Thema Entbürokratisierung ist ein Dauerthema.“ Natürlich wünsche man sich, dass „eine neue Regel zwei alte ersetzt.“ In diesem Zusammenhang könnte auch Künstliche Intelligenz eine Erleichterung darstellen. „Es ist denkbar, dass automatisierte Landwirtschaftsfahrzeuge Daten in Echtzeit und selbstständig nach Brüssel schicken und dadurch Berichtspflichten vereinfacht werden“, so Wissing. Ganz ohne Bürokratie gehe es jedoch nicht, insbesondere innerhalb der EU. „Wenn ein Düngemittel in der EU verboten wird, wer sagt mir dann, dass das auch in anderen Staaten umgesetzt wird?“, fragt Wissing. Etwas Kontrolle müsse somit sein. Dennoch seien weniger Regelungen natürlich wünschenswert. Dem pflichtet auch die Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser bei. „Es wurde definitiv zu viel Bürokratie angehäuft.“ In Berlin habe man sich deshalb bereits zusammengesetzt um „Entfesselungspunkte“ auszumachen. Insgesamt 55 Maßnahmen sollen auf den Weg gebracht werden, um Bürokratie zu reduzieren. Gerade jetzt in Corona-Zeiten gäbe es eine Menge Chancen, die sich aufgetan haben und zum Umdenken anregen.

Text/Fotos: Daniel Robbel