Politik | 18.01.2022

Leserbrief von Emily Kuhlen (MSS 10) zur Schließung des Gymnasiums Nonnenwerth

„Verbunden sind auch die Schwachen mächtig“

Das Franziskus-Gymnasium Nonnenwerth.Foto Franziskus Gymnasium Nonnenwerth

„Ich weiß gar nicht, wie ich in Worte fassen soll, was mich in Tagen wie diesen beschäftigt und es kostet mich unheimlich viel Kraft diesen Brief hier zu verfassen und dennoch habe ich immer noch einen Funken Hoffnung. Auch wenn dieser inzwischen von einer großen lodernden Flamme zu einem eher mickrigen Funken geschrumpft ist, noch ist er nicht erloschen. Einen Funken Hoffnung, dass alle Beteiligten sich einmal zusammenreißen, zur Vernunft kommen. Einmal vernünftig miteinander reden und eine Lösung finden. Lange genug habe ich das Geschehen verfolgt. Den Verkauf der Insel mitsamt Schule im August 2020 schweigend hingenommen. Schon dort fiel es mir schwer, doch ich hatte feste Hoffnung, dachte es würde sich wohl nicht allzu viel durch einen neuen Träger verändern, denn das wurde uns so zugesichert. Die Schwestern waren noch vor Ort, alles war wie immer, lediglich die Verwaltung kam in andere Hände, alles war gut. Doch genau dort liegt jetzt das Problem. Wo sind wir auf unserem Weg falsch abgebogen? Welche Probleme gibt es, die man nicht lösen kann? Oder will man sie einfach nur nicht lösen? War das alles von Anfang an der Plan des Trägers? Wurde unsere Schule gekauft, um sie dann wenig später zu schließen? Oder war es wirklich nur eine Reihe unglücklicher Missverständnisse? Ich glaube gerne und immer an das Gute in jedem Menschen, doch so langsam wird es schwierig. Warum wird die Trägerschaft nicht einfach abgegeben? Es gibt doch so viele Möglichkeiten. So viele Menschen wollen uns als Schule Nonnenwerth helfen. Uns wollen sie helfen. Uns Schülern, den Lehrern und auch dem Träger. Der ganzen Schule mit allen die dazugehören. Niemand hat den Träger je abgelehnt. Keiner hatte Vorurteile dem Träger gegenüber und als der Brandschutz zum Problem wurde, gab es direkt viele Hilfsangebote und Möglichkeiten. Jeder Vorschlag wurde abgelehnt. Wird nicht erkannt, wie wir kämpfen? Ist dem Träger bewusst, dass damit nicht „nur“ unsere Schule weggenommen wird, sondern unsere Schulgemeinschaft und unser sicheres Umfeld gleich mit? Ich verstehe das wirklich nicht. So sehr ich es auch verstehen will und so sehr ich versuche es zu verstehen, ich verstehe es nicht. „Ein reibungsloser Ablauf des Schuljahres soll unbedingt gewährleistet werden“ – ein klitzekleiner positiver Satz in einem Schreiben, welches ganz und gar nicht positiv ist. Doch wie soll das gehen? Wie soll man das Schuljahr ordentlich zu Ende bringen, wenn man die Gedanken der Schulschließung so gut wie ständig im Kopf hat? Wie soll das gehen, wenn man nebenbei nach anderen neuen Schulen suchen und feststellen muss, dass keine dieser Alternativschulen auch nur ansatzweise an sein liebgewonnenes Nonnenwerth heranreicht? Wie soll das gehen, wenn man ständig die innere Uhr ticken hört, die einem sagt, dass man all das bald loslassen muss? Wie soll das gehen, wenn jede absolvierte Unterrichtsstunde einfach nur eine weitere abgelaufene Stunde ist, die man weniger auf der wunderschönen Insel verbringen kann? Wie soll das gehen, wenn man förmlich spürt wie einem die Zeit davon rennt? Wie soll das gehen, wenn man morgens das Gebäude erblickt und in Tränen ausbricht, weil einem mal wieder bewusst wird, dass man all das bald verliert? Es geht nicht. Wir alle lieben Nonnenwerth. Wir sind nicht nur eine Schule und wir sind auch nicht nur eine sehr starke Schulgemeinschaft. Viele sehen in Nonnenwerth so etwas wie ihre zweite Familie.

Wenn man mich fragt, was ich an Nonnenwerth so mag, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Allein schon die Lage ist einfach schön. Die morgendliche Fahrt mit der Fähre, die vielen schönen Gespräche, die dort entstehen, die Insel, auf der man so wunderbare Spaziergänge machen kann. Und wenn im Sommer die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, man den Rhein hört und die Wiese mit den Gänseblümchen sieht, dann weiß man, man ist zu Hause. Wie oft habe ich schon in meinen freien Stunden einfach nur meine Runden über die Insel gedreht. Abgeschaltet und mich nach einer anstrengenden Unterrichtsstunde etwas entspannt. Und das soll ich jetzt aufgeben müssen? Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen ohne unser Nonnenwerth leben zu müssen. Ohne die vielen netten Menschen, die Gesichter, die man auf den Fluren sieht, wenn man von Unterricht zu Unterricht zieht. Das Lächeln, welches man an jeder Ecke trifft. Das freundliche „Guten Morgen“ zu Beginn einer jeden Stunde und auch das Gebet am Tagesanfang kann und will ich mir nicht wegdenken. Ich bin fest davon überzeugt, mit Nonnenwerth an die beste Schule gelangt zu sein. So viele Tage habe ich auf der Insel verbracht und ich bereue keine einzigen. Die Verbundenheit aller Nonnenwerther spürt man in jeder Sekunde und Sie müssen wissen, dass sie nur stärker wird, je schwieriger die Situation wird. Keiner von uns ist bereit Nonnenwerth aufzugeben. Erst recht nicht kampflos. Wir werden nicht schwächer. Wir werden nur stärker. Auch, wenn es an vielen Tagen schwer sein mag. Wir unterstützen uns gegenseitig und werden nicht aufgeben. Geben Sie uns unsere Schule zurück. Lassen Sie uns unser Leben wie gewohnt weiterleben. Denn eines kann ich Ihnen sagen: „Verbunden werden auch die Schwachen mächtig“ (Friedrich Schiller).“

Emily Kuhlen (MSS 10), Remagen

Das Franziskus-Gymnasium Nonnenwerth. Foto Franziskus Gymnasium Nonnenwerth

Leser-Kommentar
20.01.202216:51 Uhr
Gabriele Friedrich

@LM/ Ich kenne Herrn Otto Neuhoff nicht, aber er hat doch Recht in der Sache. Mit Werten hat das nichts zu tun. Eine Sache, ein Objekt muss sich doch auf Dauer tragen und wenn hier Plan B genommen wird ( Rufe nach der Politik und sonst wem) dann haben die Leute an ihren Plan A nicht geglaubt. Wenn etwas verkauft wird, sei es eine Arztpraxis, ein Haus, ein Gebäude oder meinetwegen eine Insel, dann ist klar, das sich etwas ändern "kann". Das lernen wir von klein auf, wie die Dinge verschwinden oder neu entstehen. Ich würde sehen, das die Kinder schnell in eine neue Schule kommen und die Lehrer finden auch eine neue Arbeit- wenn sie gut sind. Oder sie gehen in Frührente. Vielen Arbeitnehmern wird das in Zukunft auch aufgebürdet, weil wir in einer Zeitenwende leben. Siehe Klimawandel und Technik, Digitalisierung und warum sollten andere davon verschont bleiben und weitere eben nicht ? Es geht immer irgendwie und irgendwo weiter. Man sollte nach vorne sehen und nicht nach hinten.

20.01.202216:38 Uhr
Gabriele Friedrich

@Reinhard Hiß/Niemand weiß, was Verkäufer und Käufer verhandelt haben. Ich gehe davon aus, das Rechtsanwäte und Notar alles geprüft haben. Es hat ja keinen Sinn, den Schulbetrieb mit aller Gewalt aufrecht zu erhalten, es muss ja über viele Jahre finanziert werden und es muss ja auch ein Gewinn da sein. Eine Schule wird geschlossen, eine Tradition endet. Das ist schade, aber es ist nun einmal auch der Lauf der Zeit. Ein Gebäude verfallen zu lassen, braucht es mehr als ein paar Jahre und das ist ja Unsinn. Die Städte wollen bei jedem Objekt ja auch Steuern einnehmen. Schlecht an der Sache finde ich, das hier bereits mit allen Schwachen durchaus Rufmord begangen wurde- auf "einen" Mächtigen... Sachlich bleiben und Ruhe bewahren- das ist wohl nicht passiert. Wenn jemand hier den Käufer als Immobilienhai bezeichnet, darf er schon nicht bei Aldi, Lidl, (Schlecker), Haribo und anderen einkaufen ! DAS sind Immobilienhaie und viele bekannte Namen säumen die Liste. Jeder trägt ein Risiko!

20.01.202212:19 Uhr
Reinhard Hiß

Ich erwarte, dass der Besitzer der Insel den Schulbetrieb beendet, das Gebäude einige Jahre verfallen lassen und dann mit dem Argument des Verfalls eine Genehmigung für einen anderen Betrieb durchsetzen wird. Die Zeit spielt für ihn. So lange kein wirklich Mächtiger sie unterstützt, werden die Schwachen, auch wenn sie verbunden sind, nicht mächtig genug sein, um das zu verhindern. Mich wundert übrigens, dass das Bistum Trier und die Franziskanerinnen den Verkauf so gestaltet haben, dass so etwas überhaupt möglich wurde. Was haben die sich dabei gedacht?

20.01.202211:50 Uhr
LM

Toller Brief!! Respekt.
Ich hoffe das auch Herr Otto Neuhoff den liest. Als ich gestern Abend im Rathaus genau das angesprochen habe, hat er als Antwort nur gesagt, dass Brüche und Neuanfänge schon mal im Leben vorkommen würde.
Sorry, aber welche Werte wollen sie denn vermitteln Herr Neuhoff?

19.01.202215:59 Uhr
Wolfgang Hellenbrandt4

Ein sehr emotionaler Leserbrief. Kann ich alles mitfühlen. Meine Tochter hat selbst 1999 auf der Insel Abi gemacht.
Was ist nun passiert? Ein Vertrag wird zwischen zwei Parteien geschlossen. Es ist doch jedem klar, dass nur geschriebene und festgelegte Inhalte juristisch Bestand haben. Offensichtlich hat sich die Verkäuferseite dilettantisch über den Tisch ziehen lassen. Eigene Dummheit, die jedoch auf dem Rücken von Lehrern, Schülern und Eltern ausgetragen wird. Es ist sehr offensichtlich, dass der Investor von Anfang an nichts anders vorhatte, als die Schule zu schließen, um dann das Gebäude sehr profitabel zu vermarkten. Wenn jetzt alle Lösungsstricke reißen dann ist die Stadt Remagen gefragt. Warum? Es braucht dann eine neue Bauordnung und eine Nutzungsänderung auf der Insel. Verweigert die Stadt Remagen diese, dann hat der Investor mit Zitronen gehandelt. Hoffen wir, dass dieser Immobilienhai nicht mit seinem unsozialen Gebaren durchkommt.

19.01.202206:51 Uhr
Susanne Krusi-Bischoff

Sehr schöner Artikel der vielen aus dem Herzen spricht. Es wäre schön den Schwarz auf Weiß auf Papier zu lesen und nicht nur online!Danke Emely für die schönen Worte!

18.01.202219:10 Uhr
SA

Ein unfassbar toller Beitrag, der unter die Haut geht!!! Danke!!! Sollte viel weiter verbreitet werden!!!

Und ja, gehen wir mal davon aus, dass dem Träger sehr wohl bewusst ist was er anrichtet. Das alle Lösungen sukzessiv abgelehnt wurden, und die Situation bewusst in eine Sackkasse gesteuert wurde, ist ja auch im Beitrag zu Recht deutlich hinterfragt.

Aber es ist nicht nur der Träger. Fragen müssen sich eigentlich auch die gefallen lassen, die einen Kaufvertrag abgeschlossen haben, der eine solche Handhabe erst ermöglicht. Wer waren deren Berater? War der Schulerhalt wirklich wichtig und ein wesentliches Ziel? Warum gibt es keinen Mechanismus, der das jetzige Szenario verhindert? Warum bspw. kein Rückkaufrecht oder ähnliches für den Fall, dass der Schulbetrieb innerhalb einer Periode von X Jahren eingestellt wird? War ein Bieter, der Schulbildung mit kommerziellen Interessen betreibt, wirklich der beste und zuverlässigste Kandidat im Auswahlprozess?

Fragen, die offen bleiben.

18.01.202216:21 Uhr
St

Ein unglaublich toller Leserbrief, der sehr schön die Situation in sicherlich vielen Köpfen der Schülerinnen und Schüler, aber auch den Eltern beschreibt! Wunderbar geschrieben!!!

18.01.202215:03 Uhr
Di

Das ist soooo toll vom Herzen geschrieben. Unglaublich emotional. Wahnsinn.
Wünsche mir noch mehr Unterstützung der Politik und besonders von der lieben Frau *Dr. Hubig*
Wir kämpfen weiter, wir geben nicht auf.
Wir sind LAUT

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