Bürgergespräch in Heimerzheim
Wiederaufbau gemeinsam gestalten
Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner stellte sich den Fragen der Opfer der Hochwasserkatastrophe
Heimerzheim. „Wiederaufbau gemeinsam gestalten“, so hatte Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner (CDU) ihre „Bürgergespräche“ überschrieben, zu denen sie die Bürger in den von der Flutkatastrophe betroffenen Ortsteilen in den kommenden Wochen einlädt. Den Auftakt machte eine Begegnung mit etwa 120 Heimerzheimern, die in der Bachstraße, Schützenstraße, Nachtigallenweg, Frongasse, Kirchstraße oder der Kölner Straße wohnen. Unter der einfühlsamen Moderation der Freien Journalistin Marion Theisen (Bonn) ging es aber zunächst um die Aufarbeitung der Geschehnisse in jener Nacht zum 15. Juli und in den Tagen davor.
Zunächst schilderte Kalkbrenner in der Dreifachturnhalle, wie sie die Flutkatastrophe erlebt hat. „Ich wäre gern überall gewesen, aber man kann eben nur an einem Ort zugleich sein“, trat sie Kritikern entgegen, die ihr vor allem in den „sozialen Medien“ zu wenig Präsenz in den betroffenen Ortschaften vorgeworfen hatten. In den Tagen danach habe man sich intensiv um die Wiederherstellung der Stromversorgung und der Telekommunikationsverbindungen, um Notunterbringungen und um die Spülung der zugesetzten Kanäle gekümmert, aber auch um den Abtransport des in großen Mengen angefallen Abfalls sowie um die Regelung des Verkehrs. „Diese Themen waren von Anfang an aktuell, und an ihnen arbeiten wir immer noch“, sagte sie. Sie vergaß aber nicht, den ehrenamtlichen Helfern ein großes Dankeschön aussprechen, „denn das sind die wahren Helden der Katastrophe!“ Zumal sie mit ihrem Engagement all jene aufgemuntert und aufgebaut hätten, die infolge der Flutkatastrophe mental am Boden lagen.
92 Millionen Euro Schaden an öffentlicher Infrastruktur
Allein an den öffentlichen Gebäuden und der öffentlichen Infrastruktur seien Schäden im Gesamtwert von rund 92 Millionen Euro entstanden, hatten Sachverständige ermittelt, davon 48 Millionen am Inventar der Gemeinde. „Das sind Summen, die uns erbeben lassen“ – zumal die Schäden am Privateigentum der Swisttaler Bürger wahrscheinlich noch weitaus höher seien. „Doch heute ist ein guter Tag, denn die Bundesregierung hat die ‚Aufbauhilfe 2021‘ beschlossen mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro, und das ist genau das, was wir brauchen: Geld, Geld und nochmals Geld.“
Nun waren die Bürger an der Reihe. Zunächst wollte Helmut Golz wissen, was in den 14 Tagen vor der Flutkatastrophe getan worden sei, denn der Starkregen sei lange zuvor angesagt gewesen. „Und jetzt tun alle so, als ob sie davon total überrascht worden seien.“ Diese Kritik wurde von mehreren Bürgern wiederholt, woraufhin sich Kalkbrenner verteidigte: „Wir konnten anhand der Daten nicht erkennen, dass sich so eine Katastrophe entwickeln würde.“ Man habe den Pegelstand der Swist laufend kontrolliert und die Lage ständig neu bewertet, doch das Ausmaß der Überschwemmung sei lange nicht erkennbar gewesen.
Verärgert waren die Anwohner der Bachstraße nicht zuletzt darüber, dass die Aktivitäten der Freiwilligen Feuerwehr am Nachmittag des 14. Juli sie in Sicherheit gewiegt hätten, denn das sei das routinemäßige Vorgehen bei einem „normalen“ Hochwasser gewesen. Stattdessen hätte man den Menschen an der Swist bereits frühzeitig sagen müssen, dass eben kein normales Hochwasser im Anmarsch sei, sondern eine Jahrtausendflut, hieß es. Doch das sei mangels Kommunikationsmöglichkeiten und weil zudem auch noch die Straßen überschwemmt und nicht mehr passierbar waren, nicht möglich gewesen, entgegnete Kalkbrenner. „Dann hätte man eben Lautsprecherdurchsagen mit Hubschraubern machen müssen!“
Markus Freyermuth war dennoch der Ansicht, die Gemeindeverwaltung habe im Rahmen ihrer zudem Zeitpunkt eingeschränkten Möglichkeiten das Beste getan, denn in dieser Krisensituation sei praktisch alles ausgefallen. „Aber jetzt brauchen wir eine Richtung, wie es weitergehen soll“, plädierte er unter anderem für eine ständig besetzte Hotline im Rathaus, die den Bürgern bei ihren Sorgen und Problemen helfen könnte, etwa bei Auseinandersetzungen mit Versicherungen, Bauamt oder Müllentsorgung. Günter Hemgesberg wünschte sich, die Aufarbeitung der Katastrophe so transparent und glaubwürdig wie möglich zu gestalten und den Bürgern in aller Klarheit die Ergebnisse mitzuteilen. Doch nun interessiere es die meisten Betroffenen: „Wie kommt man an Hilfen ran?“ Dazu will die Gemeindeverwaltung die notwendigen Informationen zu den verschiedenen Spendentöpfen zusammenstellen und auch schon die notwendigen Antragsformulare besorgen. All das soll am „Infopoint“ auf dem Parkplatz der katholischen Pfarrbücherei bereitgestellt werden, wo eine Mitarbeiterin der Gemeinde künftig als Ansprechpartnerin für alle Belange der Heimerzheimer Bürger tätig ist. Hier soll es demnächst auch noch ein „Schwarzes Brett“ mit allen notwendigen Informationen geben, und zudem will sich die Gemeinde darum bemühen, einen WLAN-Hotspot an dieser Stelle zu errichten.
Grundschule und Kindergärten betroffen
Wie es mit den Schulen und in Kindergärten weitergeht, wollte Anja Scheu-Krahé wissen. In der Grundschule in Heimerzheim sei das komplette Erdgeschoss vorläufig nicht nutzbar, deshalb ziehe die ganze Schule um in die Gesamtschule, wo dann ein Wechselunterricht stattfinden soll. Darüber hinaus habe man bereits 19 Schulcontainer bestellt, die auf dem Gelände der Gesamtschule aufgebaut werden sollen, damit nach den Herbstferien die Grundschüler wieder eine provisorische „eigene“ Schule hätten. Der Kindergarten in der Kölner Straße sei ebenfalls im Erdgeschoss betroffen, doch hier könne man im Stockwerk darüber vorerst mit einer Notgruppe arbeiten. Auch hier seien Container bestellt, die auf das Freigelände gestellt werden sollen, welches wiederum durch die Öffnung des Zaunes in Richtung Ortskern hin erweitert werden soll. Der Kindergarten in der Quellenstraße hingegen sei überhaupt nicht mehr nutzbar, auch hier habe die Elterninitiative bereits in eigener Verantwortung Container bestellt.
Ein weiteres wichtiges Thema, das den Heimerzheimern Sorge bereitet, ist der enorme Verkehr, der infolge der Autobahn-Sperrung nun durch Heimerzheim und insbesondere über den Höhenring als Umleitung läuft. Das stelle eine enorme Gefahr für die Schulkinder da, die den Höhenring als Schulweg nutzen müssten und nur unter Lebensgefahr die Straße überqueren könnten, erklärte Wilfried Rang. Hier sei eine großräumige Umleitung in Planung, teilte Kalkbrenner mit. Abgesehen davon überlege man, eine Behelfsfußgängerampel auf der Höhe der Gesamtschule aufzustellen, diese sei bereits beantragt. Doch das war Frank Kuczinski nicht genug: „Die Verkehrssituation stellt eine Gefahr in Verzug dar, da muss man ganz anders an die Sache herangehen!“ Jürgen Nettekoven vermisste zudem ein Leitsystem, insbesondere für Lastwagen, denn die wüssten oft gar nicht, wo sie lang fahren müssten. Die zündende Idee hatte Rang, nämlich die Vorgebirgsstraße und die Bachstraße jeweils zu Einbahnstraßen zu machen.
Gemeinde übernimmt Kosten für Abfallentsorgung
Zum Schluss ging es noch um das leidige Thema der Abfallentsorgung, denn die bekannten Annahmestellen nähmen den Müll nicht mehr oder nur noch gegen Barzahlung an. Hier will Kalkbrenner noch einmal mit den zuständigen Leuten reden. Sie wies auch darauf hin, dass die Gemeinde den Betroffenen die Kosten für die Abfallentsorgung, etwa für das Anmieten und Entleeren von Containern, vollständig erstatten werde. Ohnehin wurden die Ideen und Vorschläge der Bürger zur Verbesserung der Situation dokumentiert, sie sollen im weiteren Verlauf der Aufarbeitung dabei helfen, aus der Katastrophe zu lernen, damit so etwas nicht noch einmal passiert. JOST