Zeitzeuge Richard Rudolph mit 102 Jahren verstorben
Zivilcourage unter zwei Diktaturen
Wachtberg. Die Wachtberger Gemeinde von Jehovas Zeugen trauert um Richard Rudolf. Am 31. Januar verstarb Richard Rudolf im Alter von 102 Jahren in Koldenbüttel/Schleswig Holstein - nach Auskunft von Dr. Detlef Garbe, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der letzte Häftling des Aufbaulagers Neuengamme.
Richard Rudolph wurde am 11. Juni 1911 in Rothenbach (Niederschlesien) geboren. Er überlebte die Wirren des 1. Weltkriegs, die Spanische Grippe und die Weltwirtschaftskrise. Aufgrund dieser furchtbaren Erfahrungen suchte er nach Antworten auf die Sinnfragen des Lebens. Dabei stieß er auf Jehovas Zeugen. Als Doppelverfolgter stand Richard Rudolph unter beiden deutschen Diktaturen für seine Überzeugung ein. Dafür verbrachte er insgesamt fast 19 Jahre in Haft, davon allein neun Jahre in fünf verschiedenen Konzentrationslagern.
Kornelia Krone aus der Wachtberger Gemeinde lernte ihn 1998 während eines Besuchs der nachdenklich stimmenden Wanderausstellung „Standhaft trotz Verfolgung - Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime“ persönlich kennen. Hierbei berichtete Richard Rudolf als Zeitzeuge über seinen ganz persönlichen Leidensweg. „Es hat mich sehr bewegt zu hören“, so Kornelia Krone, „wie er seinem Gewissen folgend standhaft an seiner religiösen Überzeugung festhielt - auch wenn das für ihn Verfolgung bedeutete.“ Diese begann 1936, als er verhaftet wurde, weil er Bibeln sowie religiöse Literatur von Jehovas Zeugen über die Grenze von Tschechien nach Deutschland geschmuggelt hatte. Im KZ Sachsenhausen wurde er 1939 Augenzeuge der ersten öffentlichen Hinrichtung eines Wehrdienstverweigerers aus Gewissensgründen: des 19-jährigen Zeugen Jehovas August Dickmann.
Er selbst verweigerte ebenfalls den Wehrdienst und entging nur knapp der Hinrichtung. Nach seiner Befreiung setzte Richard Rudolph seine Missionstätigkeit als Zeuge Jehovas in der Sowjetischen Besatzungszone fort.
1950 wurde er in der DDR erneut verhaftet und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1961 gelang ihm die Flucht nach Westdeutschland. „Mir bleibt Richard Rudolf als ein lebensbejahender Mensch in Erinnerung, der enorme Zivilcourage bewies - und das unter zwei deutschen Diktaturen“, meint Kornelia Krone aus Wachtberg.
In den vergangenen 20 Jahren engagierte sich Rudolph im Kampf gegen das Vergessen und gegen die Diskriminierung Andersdenkender. Als rüstiger Zeitzeuge berichtete er noch bis kurz vor seinem Tod im In- und Ausland über seine Erfahrungen als religiös Verfolgter unter beiden deutschen Diktaturen.
Pressemitteilung der Zeugen
Jehovas Bonn-Bad
Godesberg/Wachtberg
