
Am 16.12.2013
Allgemeine BerichteWeihnachtsgeschichten aus Bad Neuenahr-Ahrweiler
Weihnachtsgeschenke auf „Pump“
Von Franz Josef Schäfer
„Für uns Kinder waren Spielwarengeschäfte immer von großem Interesse. In Ahrweiler gab es zu meiner Kinderzeit zwei davon. Eines befand sich in der Ahrhutstraße und das andere in der Niederhutstraße. Immer wenn ich mit den Eltern oder Freunden an den Geschäften vorbeikam, musste ich mehrere Augenblicke dort verweilen und die schönen Sachen in den Auslagen bewundern. Mindestens einmal die Woche stand ich vor den großen Schaufenstern der Spielwarenläden und drückte mir die Nase platt.
Oft hatte ich davon geträumt ein schönes Auto, einen Spielzeugbagger oder sogar eine Eisenbahn aus der Auslage zu besitzen. Einiges klappte ja auch. So ging ich mit Mutter, meiner älteren Schwester Brigitte und der jüngeren Schwester Annemarie meistens im Herbst an den Geschäften vorbei. Mutter wollte nämlich herausbekommen, was wir uns so zu Weihnachten wünschten.
Und einige Wünsche, die wir dort äußerten, gingen dann auch ab und zu in Erfüllung und lagen tatsächlich an Heilig Abend auf dem Gabentisch.
Ende September1958, ich war fast sechs Jahre alt, ging ich mit Vater an einem Sonntag durch die Niederhutstraße. Am Schaufenster des Spielwarengeschäftes Knieps, es lag nicht weit von unserer damaligen Wohnung, musste ich natürlich wieder mal stehen bleiben. Ich traute meinen Augen nicht, das Schaufenster war seit letzter Woche völlig umdekoriert worden und außer der kleinen Märklin-Eisenbahn, die fleißig in der Hügellandschaft ihre Kreise zog, standen dort zwei neue Tretroller. Der eine war grün und der andere türkisblau.
Die Lenker waren glänzend verchromt mit einer Klingel dran. Die aufpumpbaren Ballonreifen leuchteten in weiß. Auch hatten die Roller über dem Schutzblech am Hinterrad einen kleinen Gepäckträger und eine Hand- und Fußbremse besaßen sie auch.
„Die könnten mir gefallen“, dachte ich und sagte das auch meinen Vater. Aber von ihm kam dazu keine Reaktion, im Gegenteil, er bat mich, doch endlich weiterzukommen. Wieder zu Hause, gingen mir die Roller nicht aus dem Sinn. Freudig erzählte ich auch meiner älteren Schwester Brigitte, damals sieben Jahre, von den tollen Gefährten und lobte diese in allen ihren Vorzügen.
Beide hatten wir damals noch keine Fahrräder und die Roller wären als fahrbarer Untersatz sehr schön gewesen. Wir redeten uns ein, dass die Roller ja auch nicht so viel kosteten wie Fahrräder.
Am nächsten Tag gingen wir nachmittags beide zu dem Laden, um die Fahrzeuge noch einmal zu bestaunen. Meiner Schwester gefiel der türkisblaue Roller besonders. „Sollen wir die Roller kaufen?“, fragte ich meine Schwester. Sie wehrte ab. „Das können wir doch nicht machen, wir haben doch gar kein Geld.“ Ich gab ihr zu verstehen, „wir gehen einfach hinein und sagen, wir wollen die beiden Roller haben, und Vater kommt später bezahlen.“
Gesagt, getan. Wir gingen in das Geschäft und trugen der Besitzerin des Ladens Frau Knieps unser Anliegen vor. Sie war anfangs noch sehr skeptisch.
Doch nach mehrmaligem hartnäckigem Beteuern, das Vater auch sicher zum Bezahlen vorbeikäme, händigte sie uns die beiden Roller aus.
Stolz fuhren wir mit unseren funkelnagelneuen Rollern durch die Niederhutstraße über den Marktplatz zum Hause der Großeltern in der Oberhutstraße, um ihnen die neuen Gefährte zu zeigen. Die waren von unserer spontanen Aktion wenig begeistert. Später zu Hause angekommen, gab es ein heftiges Donnerwetter.
Die Roller wurden uns abgenommen und wir schlichen beide weinend auf unsere Zimmer. Mehrere Tage war deswegen daheim noch schlechte Stimmung. Aber als dann die Adventszeit kam, ging es uns schon wieder besser. Wir freuten uns auf Weihnachten und besonders auf die Geschenke. Eigentlich wären ja die Roller schöne Weihnachtsgeschenke für uns gewesen, aber wir trauten uns das Wort Roller nicht mehr in den Mund zu nehmen. Ich wünschte mir vom Christkind einen Holzmodellbaukasten, meine Schwester Brigitte einen Puppenwagen und die kleine Annemarie sollte eine Puppe bekommen. Dann kam der Heilige Abend.
Wie immer war das Wohnzimmer verschlossen, bis dann das Glöckchen ertönte und wir in das Weihnachtszimmer durften. Die Kerzen brannten am Weihnachtsbaum und in der Ecke stand die schöne alte Krippe. Auf dem Tisch hatte das Christkind für jeden ein Teller mit Süßigkeiten zurechtgestellt. Auch die Geschenke von Mama, Papa und Annemarie lagen auf dem Gabentisch. Nur für mich und Brigitte war außer dem Plätzchenteller nichts zu sehen. Ich dachte schon, ob das Christkind uns das mit den Rollern übel genommen hat, und die Gesichter von meiner Schwester und mir wurden immer länger.
Aber dann schaute ich in die hintere Ecke des Zimmers. Da stand etwas, das mit einem Tuch zugedeckt war. Ich lief hin, zog das Tuch weg und darunter standen doch tatsächlich zwei Roller, einer in grün und einer in türkisblau.
Vater hatte nämlich die „gebrauchten“ Roller nicht in das Geschäft zurück gebracht. Er war zur Familie Knieps vom Spielwarengeschäft gegangen und hatte ihnen den Vorfall erklärt.
Die müssen sich gemeinsam über die Roller auf „Pump“ wohl köstlich amüsiert haben. Vater bezahlte und versteckte die Gefährte bis zum Heiligabend in der Remise unseres Weinguts in der Oberhutstraße.“