Allgemeine Berichte | 26.01.2022

In der Pfarrkirche St. Laurentius werden außerdem noch historische Urkunden hinter Kreuzsteinen vermutet

Ahrweiler: Flutarbeiten fördern zwei mittelalterliche Altäre zutage

In der Frontseite des Altars im nördlichen Seitenschiff ist ein sogenanntes Reliquiengrab eingelassen.  Foto: GS

In der Frontseite des Altars im nördlichen Seitenschiff ist ein sogenanntes Reliquiengrab eingelassen. Foto: GS

Ahrweiler. In Sankt Laurentius, der mehr als 750 Jahre alten Ahrweiler Pfarrkirche, wummern die Bautrockner. Spärliches Tageslicht kann trotz der farbenfrohen Bleiverglasungen der hohen gotischen Fenster dem Kircheninneren nicht seine alte Pracht wiedergeben. Seit der unsagbaren Flut im Juli vergangenen Jahres ist das Gotteshaus, über das Dechant Josef Mettel 2001 sein Buch mit „Du wohnst ganz schön hier, lieber Gott“ titelte nur noch ein Schatten seiner selbst.

Doch, wie der Tristesse zum Trotz, haben die Ausräumarbeiten, die auf die 1,50 Meter hohe Überschwemmung des Kircheninneren folgten, zwei Besonderheiten zutage gefördert. „Besonderheiten, die hinterfragt, erforscht, untersucht und bewertet werden müssen“, sagt Pfarrer Arno-Lutz Henkel beim Gang von der Sakristei durch den Altarraum, in denen wie auch im Kirchenschiff der komplette Fußboden herausgerissen ist.

Im Halbdunkel steuert der Pfarrer, der auch promovierter Kunsthistoriker ist, auf die Stelle im nördlichen Seitenflügel zu, wo einst der sogenannte Kreuzaltar stand. Der Abbau seiner neugotischen Holzkonstruktion sorgte für die erste Überraschung. Nach Osten ausgerichtet steht dort ein aus Quadersteinen gemauerter Altar. Ein realer Altar, nicht einfach eine Basis für den neugotischen Aufbau.

Ortstermin in der Kirche

Pfarrer Henkel zeigt auf die Front des Mauerwerks: „Hier ist ein Kreuz. Das ist der Verschlussstein eines Reliquiengrabes, wie es alle geweihten Altäre haben.“ Auch der Aufbau des Gemäuers mit Sockel, Stipes (Fuß) und Mensa (Tischplatte) sei typisch. Platzierung und Verarbeitung lassen laut Henkel eine Datierung im späten Mittelalter zu.

„Das werden die Untersuchungen der Farbreste zeigen“, sagt der Kunsthistoriker und zeigt auf bräunlichrote Stellen an der Altarplatte. Die Analyse der Zusammensetzung der Farbpigmente werde zeigen, ob diese alt oder neuzeitlich seien. Und auch der Mörtel könne je nach Zusammensetzung „spezifisch für bestimmte Zeiten klar bestimmbar sein“.

Beim Mörtel verwendete Henkel jedoch bewusst den Konjunktiv, denn: „Im Lauf der Jahrhunderte gab es immer wieder bauliche Eingriffe im Kircheninneren.“ Der heutige Standort des Kreuzaltars sei nicht zwangsläufig auch der erste Standort. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, Altäre umzusetzen, wofür man den Steinaltar hätte abbauen und wieder aufbauen müssen – mit neuem Mörtel.

Die einzige Chance auf eine exakte Datierung bedarf des bischöflichen Segens. Denn nur der Oberhirte des Bistums darf die Öffnung eines Reliquiengrabes anordnen. Henkel: „Darin befindet sich neben der Reliquie in der Regel eine Urkunde, und die ist immer mit einem Datum versehen.“ Der Kunsthistoriker und Experte für christliche Archäologie wagt aber auch ohne Urkunde schon eine Schätzung: 14. Jahrhundert.

Dies übrigens auch für die zweite Besonderheit, auf die der Pfarrer zusteuert. Denn im südlichen Seitenschiff hat der Abbau des neugotischen Marienaltars ebenfalls einen Steinaltar zutage gefördert. „In Aufbau und Alter wahrscheinlich gleich, aber doch verschieden“, zeigt Henkel auf die Fugen, kann aber definitiv sagen: „Hier ist es nicht der ursprüngliche Standort, denn der Altar verdeckt zur Hälfte ein sogenanntes Armarium, also eine Mauernische, die einst für die Lagerung von Utensilien für den Gottesdienst genutzt wurde.“ Hier geht Henkel davon aus, dass die Umsetzung des Altars spätestens dann erfolgte, als in den 1960er Jahren der neue Eingang zur heutigen Marienkapelle, der alten Sakristei, geschaffen wurde.

Altäre waren einst bunt

Bei beiden entdeckten Altären ist sich Henkel sicher: „Sie waren richtig bunt.“ Menschen im Mittelalter hätten mit Farbe Materialien imitiert, die sie selbst nicht zur Verfügung gehabt hätten. Also eine Art „gut gemeintes Blendwerk“. Die sogenannte Steinsicht – also die reine Steinoptik - sei erst im 19. Jahrhundert im Zuge der Romantik in Mode gekommen. Über den künftigen Umgang mit den Funden und auch über die Gestaltung des Kircheninneren vom Chor bis zum Hochportal werde in den zuständigen Gremien beraten. Die Großbaustelle Sankt Laurentius wird es noch länger geben. Denn die Behebung der Flutschäden in Millionenhöhe erfordert neben dem baulichen Part eine ganze Menge Geduld für Planung und Bürokratie. Ginge es nur nach den Architekten, würde Sankt Laurentius in 18 bis 20 Monaten wieder in altem Glanz erstrahlen. Doch zuerst müssen die finanziellen Mittel da sein. Weitere Faktoren seien die Verfügbarkeit von Handwerker, das Funktionieren der Lieferketten und auch die weitere Corona-Situation. „Da können wir keine Hausnummer sagen. Wenn alle Stricke reißen, werden es mehrere Jahre. Wir sind um jeden Monat dankbar, den es schneller geht“, sagt Henkel, der auch um die anderen Flut-Baustellen der Pfarrei Bad Neuenahr-Ahrweiler weiß.

Gut 20 Objekte von Kirchen über Kapellen, Kindergärten und Pfarrhäuser sind in der Kreisstadt von der Flut betroffen gewesen. Und längst noch nicht alle Schäden sind begutachtet und bewertet worden. Erst dann können laut Henkel entsprechende Förderanträge gestellt und bei Bewilligung Aufträge vergeben werden.

Hoffen auf Bundesmittel

Im Fall der Ahrweiler Laurentius-Kirche wird von einer Schadenshöhe von mindestens zwei Millionen Euro ausgegangen. Hier hofft die Pfarrei auf die 80-Prozent-Förderung aus dem Wiederaufbauprogramm des Bundes. Die restlichen 20 Prozent übernehmen dann laut Pfarrer Henkel das Bistum Trier und die Pfarrgemeinde. Da heißt es aktuell abwarten.

Indes gehen die Arbeiten an der Gestaltung der Außenfassade der Kirche weiter. „Die Arbeiten haben nichts mit der Flut zu tun, die waren geplant und werden fertig ausgeführt“, sagt Henkel. Ein angedachtes Auslassen der Ostseite der Kirche von den Sanierungsmaßnahmen sei vom Tisch. Fakt ist für den Pfarrer aber jetzt schon: „Die Kirche wird außen eher strahlen als innen.“ Und Ungeduld sei wie bei allen Flutbetroffenen ein ständiger Begleiter. GS

In der Frontseite des Altars im nördlichen Seitenschiff ist ein sogenanntes Reliquiengrab eingelassen.  Foto: GS

In der Frontseite des Altars im nördlichen Seitenschiff ist ein sogenanntes Reliquiengrab eingelassen. Foto: GS

Leser-Kommentar
Bildergalerien
Neueste Artikel-Kommentare

Trauer um Wolfgang Schlagwein

  • K. Schmidt: Wolfgang war einer dieser Grünen, denen man einerseits bei Ideen und Grundhaltung schon deutlich anmerkte zu welcher Partei sie gehören, die gleichzeitig in der Diskussion aber offen, praxisnah/realistisch,...
  • Detlev Koch: Der Tod von Wolfgang Schlagwein hat mich sehr betroffen gemacht. Ich habe ihn während der Zusammenarbeit im Rat der Stadt Bad Neuenahr -Ahrweiler als einen ausgesprochen kompetenten und unglaublich angenehmen Politiker und Menschen wahrgenommen.
  • K. Schmidt: Wenn die SPD von "Mehrheit" spricht, darf die Anmerkung sein: 83,6% haben bei der Bundestagswahl die SPD nicht gewählt. Auf Landesebene werden es nach aktuellen Umfragen ca. 77% nicht tun. Ich persönlich habe es auch schon lange nicht mehr getan.
  • Hans.E: sind eigentlich die Pflastersteine aus China mittlerweile angekommen?
Kreishandwerkerschaft
Kreishandwerkerschaft
Alles rund ums Haus
Dauerauftrag
Illustration-Anzeige
Kreishandwerkerschaft
Daueranzeige "Rund ums Haus"
Anzeige KW 42
Ganze Seite Ahrweiler
Anzeige Tag der offenen Tür
Empfohlene Artikel

Kreis Ahrweiler/Brüssel. Mit einer bewegenden Eröffnung wurde am Dienstag im Europäischen Parlament in Brüssel die Ausstellung „Flut – Juli 2021. Eine Katastrophe im Herzen von Europa“ eröffnet. Vier Jahre nach der Katastrophe, die Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Ostbelgien erschütterte, präsentierte die Schau künstlerische Positionen, persönliche Zeugnisse und Erinnerungsarbeiten. Die Präsidentin...

Weiterlesen

Ahrweiler. Wer an dem Mühlenteich vorbeigeht, mag sich wundern. Der einst quirlige Bach, der durchaus das Stadtbild prägte, ist seit der Flut versiegt. Wie geht es weiter mit dem Gewässer? Vor knapp zwei Jahren wurde bei BLICK aktuell über den Zustand des Mühlenteichs in Ahrweiler berichtet. Die Stadtverwaltung lieferte eine Antwort auf die damalige Anfrage: Seinerzeit hieß es, die freiliegenden Bereiche...

Weiterlesen

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die integrative Kita St. Hildegard wurde bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 komplett geflutet, sodass sie provisorisch in eine Containeranlage nach Grafschaft-Ringen verlegt werden musste. Nun freuten sich neben dem Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr e. V., Träger der Kita, alle anderen Beteiligten, den offiziellen Baustart des Wiederaufbaus zu begehen. Nach aufwendiger Entkernung...

Weiterlesen

Weitere Artikel

Naturschutzinitiative lädt zum vierten Wolf-Sonntag im Westerwald ein

Den Wolf erleben und verstehen

Kreis Westerwald. Aufgrund der großen Nachfrage veranstaltet die Naturschutzinitiative e.V. (NI) einen vierten Wolf-Sonntag am Sonntag, 23. November 2025, von 11:00 bis 13:30 Uhr im Oberwesterwald.

Weiterlesen

Kreis Westerwald. Der Vorschlag der CDU-Kreistagsfraktion für die Einrichtung von Notfalltreffpunkten in allen Orten des Westerwaldkreises ist nach den Worten ihres Fraktionssprechers Stephan Krempel „zu einem echten Erfolgsmodell für die Region“ geworden. Auf Antrag der CDU hatte der Westerwälder Kreistag finanzielle Mittel für die Einrichtung dieser Treffpunkte in den Westerwälder Gemeinden zur Verfügung gestellt.

Weiterlesen

9. Kita-Kongress in Lahnstein

Westerwaldkreis informierte sich vor Ort

Kreis Westerwald. Der 9. Kita-Kongress in der Stadthalle Lahnstein stand unter dem Thema „Lebensräume von Kindern und ihren Familien: geteilte Zeit, gemeinsame Verantwortung“. Ausrichter waren das Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit (IBEB) der Hochschule Koblenz in Kooperation mit dem Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz. Die Veranstaltung brachte Personen aus Wissenschaft, Verwaltung, Praxis und Elternvertretung zusammen.

Weiterlesen

Dauerauftrag 2025
Essen auf Rädern
Stellenanzeige Fahrer
Vorabrechnung, Nr. AF2025.000354.0, Oktober 2025
Illustration-Anzeige
Mülltonnenreinigung
Stellenanzeige
TItelanzeige
Herbstbunt
Herbstbunt in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Doppelseite Herbstbunt
Herbstbunt in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Imageanzeige
Herbstbunt Bad Neuenahr-Ahrweiler
Anzeige Herbstfest