Mehr als 1000 Menschen bei der zentralen Gedenkfeier im Kurpark von Bad Neuenahr
„Den Weg des Neuanfangs generationenübergreifend gehen“
Bad Neuenahr. „Vor zwei Jahren hat eine zerstörerische Flut das Ahrtal und Teile der Eifel fast völlig verwüstet. 136 Menschen im Land hat sie das Leben gekostet, ein Mensch wird noch immer vermisst. Rheinland-Pfalz trauert um die Toten, fühlt mit den Angehörigen und steht an der Seite der Betroffenen.“ Das sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer am zweiten Jahrestag der Flutkatastrophe bei der zentralen Gedenkveranstaltung der Kreisstadt im Kurpark von Bad Neuenahr vor mehr als 1000 Gästen.
„Alle Menschen, deren Leben durch die Flut einen tiefen Einschnitt erfahren hat, sollen wissen, dass wir an ihrer Seite bleiben. Niemand ist und wird vergessen. Wie so viele Menschen im ganzen Land erschüttern auch mich persönlich die Folgen der Katastrophe nach wie vor sehr. Umso mehr bin ich beeindruckt von dem immensen Willen der Menschen, die ihre Heimat Schritt für Schritt wiederaufbauen. Dieser Wille hat bereits viel bewegt. Kleine und große Lichtblicke sind nach zwei Jahren sichtbar“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Neues entsteht
Der Wiederaufbau sei und bleibe ein Regierungsschwerpunkt. Die Landesregierung setze zusammen mit den kommunalen Ebenen, den Bürgern und Bürgerinnen und den vielen ehrenamtlich Helfenden alles daran, dass der Wiederaufbau weiter gelinge und Neues entstehe. 24 Monate nach der Flut sei an vielen Stellen nach und nach ein neuer Alltag eingekehrt. „Belebte Wochenmärkte in der Region, die einladende Altstadt in Ahrweiler oder das wunderschöne Kurviertel in Bad Neuenahr zeugen von wiedergewonnener Lebensqualität“, so die Ministerpräsidentin. Auch die steigenden Touristenzahlen setzten ein Zeichen der Zuversicht. Der Gedenktag sei ein Tag, an dem der Blick zurück und der Blick nach vorne zusammenträfen. „Unsere Gedanken sind bei den Verstorbenen und unser ganzes Mitgefühl gilt den Menschen, die ihre Liebsten verloren haben. Ich danke allen, die engagiert mitanpacken und andere ermutigen, weiterzumachen. Sie hier im Ahrtal zeigen, wieviel Menschenmögliches die Kraft der Vielen bewegt“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Dauerbelastung
Bürgermeister Guido Orthen sprach von einer „Dauerbelastung über nunmehr zwei Jahre, die müde mache. Müde auch der Formulare und Formalismen. „Die körperlichen und seelischen Verletzungen, die Zerstörung und der Verlust, der mit der Flut gekommen ist, lassen uns noch weit weg sein von dem, was wir als normal eingliedern“, so Orthen. Die Nacht der Flut bleibe in den Köpfen - „und bei vielen schlimmer noch: in den Seelen.“
Hier Trauer, dort Freude. Darüber, so Orthen, „dass so viele die Herausforderung des Neuanfangs mitgehen, dass wir diesen Weg generationenübergreifend gemeinsam gehen. Die Jungen, die mit ihrem Esprit und ihrer Kraft anpacken, hier in ihrer Heimat bleiben und Zukunft gestalten. Die mittlere Generation, die mit ihrer Erfahrung und ihrer Schaffenskraft den Aufbauträgt und mitgestaltet. Und die Älteren, die hier waren, hier sind und hierbleiben. Sie sind ein besonderes Vorbild dafür, dass Mut und Zuversicht keine Fragte des Alters sind.“ So könne jeder einzelne Einwohner ein „Lichtblick für den anderen sein, Mutmacher und Perspektivgeber.
Langer Atem
Das alles brauche einen langen Atem, fanden die Ortsvorsteher Ferdi Heuwagren (Ahrweiler) und Richard Lindner (Bad Neuenahr) stellvertretend für ihre Kollegen aus allen Stadtteilen. Nach Blicken in das Geschehen nach der Flut von Kirchdaun bis Ramerbach und von Marienthal bis Ehlingen stellten beide klar: „Zwei Jahre nach dem Flutereignis müssen wir nüchtern feststellen, dass das, was in Generationen in unserer geliebten Heimat aufgebaut wurde, nicht so eben in 24 Monaten wiedererrichtet werden kann. Auch müssen wir akzeptieren, dass wir vieles unwiederbringlich verloren haben.
„Um den Wiederaufbau zu schaffen müssen wir den Wunsch der Menschen hier ernstnehmen: Weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungen, damit die Betroffenen endlich wieder in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren können“, so die Ortsvorsteher. Für die Menschen in Bad Neuenahr-Ahrweiler und im gesamten Ahrtal wünschen sie sich, „dass die Entscheidungen der immer noch ausstehenden Versicherungsleistungen respektive der Wiederaufbauhilfen und Bauanträge schneller abgewickelt werden“. Und: „Wir dürfen nicht immer nur in den Rückspiegel schauen, unser Blick sollte unbedingt nach vorne gerichtet sein, und zwar auf die ‚Modellregion Ahrtal‘, die die Bundes- und Landespolitiker immer wieder beschworen haben. Wir müssen uns den neuen, innovativen Techniken und Umweltaspekten stellen und auch neue Wege gehen dürfen.“ Aber auch ihre Nachbarn hatten die beiden Ortsvorsteher im Blick: „Für die Menschen in unserer Region wünschen wir uns, dass der Zusammenhalt untereinander und der Optimismus auch weiter anhält.“
Neuer Tourismus
Hans Stefan Steinheuer, der nach der Flut ungezählte Helfer verpflegt hat, ging auf die Chancen des Tourismus im Ahrtal ein. „Wir müssen die Weinberge beleben“, forderte er. „Die Hütten sind da, aber sie müssen den Gästen und Wanderern auch zur Verfügung stehen.“ Im Angebot müsse sich die Region widerspiegeln. „Visionen sind gefordert und wir müssen für beste Qualität auf allen Preis- und Genussebenen stehen. Nur so kann das Ahrtal und der neue Tourismus wiederaufleben“, sagte der Sterne-Koch aus Heppingen.
Den Segen zum Finale der Gedenkfeier sprachen Jörg Meyrer für die katholische Pfarrei und Friedemann Bach für die evangelische Kirchengemeinde. Bewegende Wort aus dem Ahr-Psalm von Stephan Wahl sowie von Verlassen und der Rückkehr in die eigenen vier Wände. Rückkehr in das, was alle lieben: ins Veedel, in die Stadt, in die Heimat. So passte denn auch das Schlusslied der Musikvereinigung Bad Neuenahr-Ahrweiler „In unserm Veedel“.
GS