Allgemeine Berichte | 03.05.2021

Interview mit Prof. Dr. Andreas Müller, Leiter der Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Uniklinik Bonn

„Die Behandlung von Kindern macht mich glücklich“

Prof. Dr. Andreas Müller. Foto: privat

Bonn. In seinem Büro steht ein Fahrrad und moderne Kunst hängt an der Wand. Wenn das Telefon klingelt, geht er sofort ran. Wichtige Entscheidungen müssen getroffen werden. Prof. Dr. Andreas Müller ist 54 Jahre alt, hat drei Kinder und leitet seit 2014 die Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin der Uniklinik Bonn. Viele Eltern melden sich auch nach Jahren regelmäßig, um ihn und sein Team wissen zu lassen, was aus den kleinen Patienten geworden ist, die hier in einer der modernsten Kinderkliniken Deutschlands versorgt wurden.

War Ihnen schon immer klar, dass Sie gerne Kindermediziner werden möchten?

Ich hatte schon sehr früh eine enge Beziehung zur Kindermedizin, weil meine Mutter Kinderärztin ist. Während des Studiums war ich allerdings an vielen Fachbereichen interessiert und fand beispielsweise Innere Medizin und Chirurgie auch sehr spannend. Pädiatrie war für mich jedoch das Erfüllendste und darum habe ich mich nach dem Studium dafür entschieden. Es ist für mich bis heute die beste und schönste Medizin.

Beschreiben Sie doch mal einen typischen Tagesablauf.

Jeden Morgen gibt es zuerst die Frühbesprechung. Anschließend mache ich meine Kurzvisite auf der Pädiatrischen Intensivstation, versuche hier einen Kaffee zu bekommen (lacht) und gehe dann auf die Neonatologische Intensivstation. Im Laufe des Tages gibt es unheimlich viele Sitzungen. Ich habe den Eindruck, diese sind, vor allem jetzt in Corona-Zeiten, noch viel mehr geworden. Darüber hinaus habe ich feste Termine. Montags biete ich zum Beispiel meine eigene Ambulanz für Patienten mit angeborenen Lymphgefäßerkrankungen an. Es gibt regelmäßige Visitentermine auf jeder Station und ich stehe permanent als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn irgendwelche komplexen Maßnahmen notwendig sind. Einen Großteil meiner Arbeit nimmt der Bereich „künstliche Lunge“, die sogenannte ECMO-Therapie, ein. Wir sind hier am Uniklinikum ECMOZentrum für Neugeborene und größere Kinder mit Lungenversagen. Vor allem Neugeborene mit angeborener Zwerchfellhernie sind einer unserer Schwerpunkte und diese Kinder benötigen häufig eine ECMO- Therapie.

Das klingt nicht danach, als hätten Sie viel Freizeit?

Ich genieße meine freie Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern sehr, habe aber sicherlich nicht so viel Freizeit wie andere Menschen. Ich bin für meine Kollegen permanent erreichbar, was meine Familie nicht immer gut findet. Es gibt kein Wochenende, an dem ich nicht mal kurz in die Klinik fahre oder zumindest telefoniere. Mein Beruf erfüllt mich. Wenn das nicht so wäre, könnte ich ihn nicht mit Leidenschaft ausüben.

Welche traurigen aber auch schönen Momente erleben Sie in Ihrem Berufsalltag?

Wir verlieren pro Jahr eine Reihe von Kindern an ihren Grunderkrankungen. Das ist für mich immer ein trauriges Erlebnis. Es ist nicht immer gleich traurig, weil manche Kinder sehr früh und sehr schnell sterben. Andere sind Wochen und Monate hier auf der Station und man baut eine enge Beziehung zu ihnen und den Eltern auf. Es ist leider auch so, dass man Kinder verliert, die man jahrelang gekannt hat. Das ist immer schrecklich. Aber es gibt auch schöne Erlebnisse. Jede Familie, die unsere Klinik mit einem gesunden Kind verlässt, machen mich und das gesamte Team glücklich.

Was hilft den Eltern in den oft schwierigen Situationen am meisten?

Zuspruch und Zeit sind sicherlich eine gute Basis. Gerade das Thema Elternarbeit ist für uns sehr wichtig. Wir haben früh dafür gekämpft, eine liberale und offene Station zu werden. Ohne begrenzte Besuchszeiten und mit integrierten Eltern, die Teil des Behandlungsteams sind. Ich halte Eltern und Kind für eine Einheit. Sie gehören zusammen und deshalb müssen sie auch zusammen sein können. Darüber hinaus gibt es natürlich viele andere Dinge, die wichtig sind. Hilfsangebote, psychologische Betreuung, aber auch Organisationen wie der Bunte Kreis Rheinland, die unter anderem den Übergang aus der Klinik nach Hause in den ambulanten Bereich erleichtern, sind eine große Stütze für die Eltern.

Was hat sich diesbezüglich im Laufe der letzten Jahre verändert?

Hier vor Ort haben sich eine ganze Reihe von Dingen verändert. Durch den Umzug der alten Kinderklinik in das neue Eltern-Kind-Zentrum, sind die räumlichen Bedingungen sehr viel besser geworden. Wir können, zumindest auf unserer Intermediate Care Station, ein Elternteil mit aufnehmen und hier schlafen lassen. Mit unserem Neo-CamCare Projekt bieten wir Eltern zusätzlich die Möglichkeit, ihre Kinder via Webcam rund um die Uhr im Inkubator sehen zu können. Das hilft manchmal dabei, wenn sich die Eltern noch um weitere Geschwister kümmern müssen oder wenn sie wieder arbeiten gehen müssen, ihre Kinder aber trotzdem sehen möchten. Ich halte das für ein sehr gutes Konzept. Eines der wichtigsten Dinge, ist meiner Meinung nach aber die psychologische Betreuung, die sich erst innerhalb der letzten Jahre entwickelt hat.

Gibt es Frühgeburten, die verhindert werden könnten?

Die Frühgeburtlichkeit ist ein sehr vielschichtiges Thema und ihr Anteil zwischen den einzelnen Ländern auch sehr variabel. Viele Aspekte sind diesbezüglich noch nicht ausreichend untersucht. Wir haben in Deutschland eine gute pränatale Medizin, die sehr präzise sein kann und uns bei der Beurteilung hilft, wann man ein Kind am besten auf die Welt holen sollte und wie man Schäden von ihm abwenden kann. Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Ansätzen Frühgeburtlichkeit zu vermeiden.

Ab welchem Zeitpunkt gibt es bei einer Frühgeburt realistische Überlebenschancen?

Wir rechnen hier nach Schwangerschaftswochen. Es gibt eine Grauzone zwischen der 22. und 24. Schwangerschaftswoche. Ab der 24. Schwangerschaftswoche sollten Frühgeburten in Deutschland versorgt werden. Es gibt zusätzlich noch eine Gewichtsklassifizierung unter und über 400 Gramm. Die ist komplex und aus meiner Sicht auch problematisch, weil man gerade bei den Grenzbereichen manchmal gemeinsam mit den Eltern sehr harte Entscheidungen treffen muss. Wir machen es in der Regel so, dass wir in dem Graubereich zwischen 22. und 24. Schwangerschaftswoche sehr intensive Gespräche mit den Eltern führen und abklären, ob und in welcher Form eine Erstversorgung gemacht werden soll und wieviel Intensivmedizin letztendlich gewollt ist.

Was spüren Kinder zu solch einem frühen Zeitpunkt?

Natürlich ist die Wahrnehmung noch nicht so vollständig ausgeprägt, wie bei einem größeren Kind. Früher wurde immer behauptet, dass diese Kinder kaum etwas spüren, aber das Schmerzempfinden ist natürlich trotzdem vorhanden, so dass wir auch entsprechende schmerzreduzierende Maßnahmen einleiten, wenn wir intensivmedizinischen Behandlungen vornehmen müssen. Selbstverständlich nehmen Kinder auch in diesem frühen Stadium Berührungen und Nähe war, weshalb Eltern sich ihre Kinder auch frühzeitig auf die Brust legen und mit ihnen kuscheln sollten. Dabei ist es wichtig, dass das eben nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter tun.

Was lieben Sie an Ihrem Job und was nervt Sie?

Die unglaubliche Menge an Emails, die ich jeden Tag bekomme und die trotz meiner tollen Sekretärinnen kaum zu managen ist, nervt mich. Der Tag nimmt oft kein Ende und die Bürokratie überhand. Es sind innerhalb der letzten Jahre sicherlich auch viele Fehler seitens der Politik gemacht worden. Es nervt mich, dass es nach wie vor kein vernünftiges Konzept gibt, die Pflegeproblematik zu lösen und dass Entscheidungen der Politik oft über die Bedürfnisse von Kindern und Eltern hinweg getroffen werden. Alles andere liebe ich. Die Behandlung von Kindern und die Zusammenarbeit mit den Eltern machen mich glücklich.

Was würden Sie zukünftig gerne noch verändern?

Da gibt es einen ganz wichtigen Punkt, den wir hier leider nicht umsetzen konnten, als wir vor 10 Jahren die neue Kinderklinik geplant haben. Mein Wunsch wäre es, dass wir noch viel großzügigere Räumlichkeiten für die Intensivstation schaffen. Dass es überwiegend Einbettzimmer gibt und wir

somit die Möglichkeit schaffen, dass Eltern auch dort übernachten können und vom ersten Tag an bei ihren Kindern sein können. Die Intensivmedizinmenschlicher und auch „wohnlicher“ zu gestalten, wäre mein Ziel.

Bunter Kreis Rheinland

Prof. Dr. Andreas Müller. Foto: privat

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