Pfarrer Jörg Meyrer aus Ahrweiler schrieb während der Zeit nach der Flut regelmäßige Einträge bei Facebook. Vielen gaben diese Mut. Seine Einträge veröffentlicht er nun als Buch

„Die Menschen im Ahrtal haben Heim-Weh“

27.05.2022 - 10:25

Ahrweiler. Wenn Jörg Meyrer im Pfarrgarten in Ahrweiler sitzt und über Heimweh spricht, ist damit nicht die Melancholie gemeint, die jeder kennt, der lange in der Ferne weilt und sich zurück nach Hause wünscht. Er meint den Schmerz der Menschen des Ahrtals, die sich an eine Heimat erinnern, die nicht mehr da ist und von einer Naturgewalt zerstört wurde. Eine Gewalt, die Erinnerungen an gute Zeiten in Splitter verwandelte und vor jeder zerstörten Häuserfront ausgelegt hat, bereit zum Hineintreten für den nächsten Stich in Herz und Gemüt.


„Wir hatten keine Idee von dem Ausmaß der Flut“


Wenn Jörg Meyrer, der Pfarrer aus Ahrweiler, über die Flut spricht, sitzen die Sätze. Heute wie damals nach dem 15. Juli 2021. Seinerzeit formulierte er blogartige Einträge, die viel beachtet wurden, auch außerhalb Ahrweilers. Inhaltlich erwarteten Leser Beobachtungen nach der Flut, Dankbarkeit gegenüber Einwohnern wie Helfern, aber auch Kritik. Seine Beobachtungen hat Meyrer nun in einem Buch gesammelt. Das Wichtigste, was ihm in dieser schweren Zeit auffiel, war der Zusammenhalt. Und so trägt auch das Buch, das am 15. Juni im Bonifatius-Verlag erscheinen wird, den schlichten, aber vielschichtigen Titel „Zusammenhalten - Als Seelsorger im Ahrtal“.

Am Morgen nach der Flut war der Seelsorger mittendrin und wollte helfen. „Am 15. Juli bin ich zur Feuerwehr gegangen und habe meine Hilfe angeboten“, blickt er zurück. Dann wurde er im Feuerwehrhaus in Bad Neuenahr an der Heerstraße eingeteilt, führte mit Evakuierten Gespräche, tröstete, hörte zu und verteilte Decken und Wasserflaschen. Ob er damals schon wusste, was wirklich im Ahrtal los war, wird er manchmal gefragt. „Absolut nicht“, sagt Meyrer und schüttelt fast zehn Monate nach der Flut immer noch den Kopf. „Wir hatten keine Idee von dem Ausmaß, von den vielen Toten.“


Trost als roter Faden


Nicht nur dieser Zeitraum ist in „Zusammenhalten“ beschrieben. Von Juli 2021 bis Februar 2022 reichen Meyrers Erzählungen, die wie eine Art „Fluttagebuch“ in der Ich-Perspektive verfasst sind. Somit umfasst der Handlungszeitraum nicht nur die Flut und die Tage danach, die vom Aufräumen geprägt war, sondern auch ein guter Teil des Neuaufbaus. Der Pfarrer beschreibt dabei was gut lief - aber auch was nicht. Vereinzelte Fotos aus der Flutzeit sind ebenfalls abgebildet.

Eigentlich wollte er gar kein Buch schreiben, sagt Meyrer. Viele traten an ihn heran und wünschten sich ein Buch aus seiner Feder, denn die Einträge auf seinem Social Media-Kanal hinterließen Eindruck. Letztendlich sorgte der Bonifatius-Verlag für die nötige Motivation. Und auch ein Ziel wurde definiert. „Ich möchte Öffentlichkeit schaffen, damit das Ahrtal nicht vergessen wird“, so Meyrer und machte sich ans Werk. Der Trost, denen er den vielen Hilfesuchenden spendete, gilt als roter Faden des Buches. Aber auch Großereignisse im Flutkontext wie der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sind dokumentiert. Desweiteren ist die große Dankbarkeit gegenüber den freiwilligen Helfer ein häufig wiederkehrendes Motiv.


Über Jörg Meyrer:


Der 1962 in Völklingen geborene Jörg Meyrer studierte Philosophie und Theologie in Trier und Freiburg. 1988 erhielt er die Priesterweihe. Nach einigen Jahren als Kaplan und Vikar wurde Meyrer Pfarrer dreier Gemeinden im nördlichen Rheinland-Pfalz. 2002 übernahm er die Pfarrstelle der Katholischen Pfarrgemeinden in Ahrweiler und in Ramsbach, die 2011 Teil der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde. Im Februar 2022 war er Mitglied der Bundesversammlung.


Zum Buch


Jörg Meyrer. zusammenhalten - Als Seelsorger im Ahrtal. ca. 224 Seiten, 20 Euro ISBN 978-3-89710-934-6. ROB

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Der Unfallverursacher war alkoholisiert auf der A 48 unterwegs

Lkw-Fahrer schwer verletzt in Führerhaus eingeklemmt

Kehig. Ein 37 Jahre alter LKW-Fahrer befuhr am 22.04.2024 gegen 05:00 Uhr die A 8 in Fahrtrichtung Dreieck Vulkaneifel, kommend aus Richtung Koblenz. Zwischen der Anschlussstelle Polch und Mayen kam der Fahrer von der Fahrbahn ab und kollidierte mit der Mittelschutzplanke. Anschließend verließ er die Autobahn an der Raststätte Elztal-Nord, wo er gegen einen am rechten Fahrbahnrand geparkten Sattelzug stieß und diesen auf einen weiteren vor ihm geparkten Sattelzug schob. mehr...

Regional+
 

Fassungslosigkeit und Entsetzen bei Angehörigen und Beobachtern

Ex-Landrat wird nicht angeklagt: Einstellung des Verfahrens schlägt hohe Wellen

Kreis Ahrweiler. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat am 17. April 2024 das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Landrat des Landkreises Ahrweiler und den Leiter der Technischen Einsatzleitung (TEL) während der Flutkatastrophe an der Ahr 2021 eingestellt. Die umfangreichen Ermittlungen ergaben keinen ausreichenden Tatverdacht, der eine strafrechtliche Verurteilung ermöglichen würde. Dem Leitenden... mehr...

Strom- und Heizkosten im Blick

Monatlicher Zähler-Check

Cochem. Jedes Jahr erwartet man gespannt die Jahresrechnung für Strom und Heizung. Wer etwa neue sparsame Haushaltsgeräte angeschafft hat, will natürlich den Erfolg auf der Verbrauchsabrechnung sehen. Wenn der Jahresverbrauch dann aber wider Erwarten nicht gefallen, sondern angestiegen ist, muss man sich auf die Suche nach den Energiefressern machen. Welche anderen neuen Geräte sind im Haushalt verwendet worden? Welche Geräte sind häufiger genutzt worden als im Vorjahr? mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
Hansen:
Korrektur: Das war grausanste Folter und ein Femizid. Benennt es als das, was es ist. Wir schreiben das Jahr 2024 und nicht 1980....
Amir Samed:
Aufgepast ihr Omas, nicht das sich die "stabile Brandmauer" in ein (geistiges) Gefängnis ohne Entkommen verwandelt....
Joachim Becker:
Vielen Dank für diese lobenswerte Initiative!...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service