Der Ahrtaler Autor Julian Dela kämpft mit einem neuen Buch gegen die kollektiven, traumatischen Erlebnisse aus der Flutnacht. Sein Ziel: Eine Art „Selbsthilfegruppe zum Lesen“ zu schaffen
Flut: „Aus dem Schlimmen ist Zusammenhalt gewachsen“
Kreis Ahrweiler. Zur Zeit entsteht ein besonderes Buchprojekt über die Juliflut. „We ahr here – Flutgeschichten“ heißt der Titel des Ahrtaler Autors Julian Dela. Deka stellt in seinem Werk Geschichten über die Katastrophennacht von Betroffenen und Helfern zusammen. Die Geschichtensammlung soll noch diesen Frühling erscheinen. BLICK aktuell sprach mit Dela über seine Motivation und das Ziel, gegen das Vergessen anzuarbeiten.
BLICK aktuell: Was verbindet Sie mit dem Ahrtal?
Julian Dela: Man sagt „Zuhause ist, wo das Herz ist“. Und das ist und bleibt für mich definitiv das Ahrtal. Ich bin hier geboren und aufgewachsen, und auch wenn ich acht Jahre in Köln gelebt und gearbeitet habe, war für mich immer klar, dass ich wieder zurück möchte. Da für meine Frau und mich feststand, dass wir unsere Tochter nicht in einer Großstadt aufwachsen sehen wollen, war das 2020 der entscheidende Impuls, um endgültig von Köln nach Bad Neuenahr-Ahrweiler zu ziehen.
BLICK aktuell: Nun haben Sie ein Buch zur Julikatastrophe herausgebracht. Woher kam die Motivation dazu?
Dela: In der Flutnacht habe ich mich mit meiner Frau, unserer kleinen Tochter und unserem Vermieter in Heppingen aufs Dach retten müssen, wo wir bis zum Nachmittag ausgeharrt haben. Wir haben Menschen schreien und sterben gehört. Und auch wir haben leider alles in den Fluten verloren. Daher kann ich erahnen, wie es vielen Flutbetroffenen geht. Während der Aufräumarbeiten in den Tagen und Wochen nach der Flut hörte ich von Nachbarn, Freunden und Bekannten die verschiedensten Eindrücke und Erlebnisse. Auch wenn manche Furchtbares erlebt haben, hatten alle Berichte eines gemeinsam: Sie endeten immer mit einem positiven Satz. Alle. Das, was andere vielleicht als typische Floskel abgetan hätten, zeigte mir, dass viele Betroffene ihre Zuversicht, trotz ihrer teils schlimmen Erlebnisse, nicht verloren hatten. Das fand ich unheimlich inspirierend und motivierend. Gleichzeitig wusste ich aber, dass viele stark traumatisiert wurden und unter ihren furchtbaren Erfahrungen vom 14. bzw. 15. Juli litten. Ich wollte denen Mut machen, die seit der Katastrophe nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch ihre Hoffnung und ihre Zuversicht verloren haben, und so war die Idee geboren sämtliche Flutgeschichten von Betroffenen, aber auch von Helfenden zu sammeln und in einem Buch zu vereinen. Es soll als Zeitzeugnis dienen, gegen das Vergessen stehen und eine Art Selbsthilfegruppe zum Lesen sein. Ich bin kein Handwerker. Ich kann bedauerlicherweise nichts Großes zum Wiederaufbau des Ahrtals beitragen. Als Drehbuchautor und Storyliner ist das Schreiben mein Handwerk, und dieses Buchprojekt soll mein kleiner Beitrag für meine Heimat sein. Sämtliche Einnahmen des Buchverkaufs möchte ich an gemeinnützige Vereine und Organisationen spenden, die Flutbetroffene direkt und schnell unterstützen.
BLICK aktuell: Sicherlich war es schwierig, die Geschichten zusammenzutragen. Wie gestaltete sich die Recherche?
Dela: Ich habe etwa drei Wochen nach der Flut eine Facebook-Seite („We ahr here – Flutgeschichten“) erstellt, um so über das Buchprojekt und meine Person zu informieren. Dank der großartigen Unterstützung von zwei öffentlich-rechtlichen Sendern und einigen Print- und Onlinemedien, habe ich über Berichte und Beiträge eine gewisse Reichweite bekommen, und so Zuschriften und Anfragen von Betroffenen und Helfern erhalten. Anschließend habe ich mich mit einigen getroffen, mit den Meisten aber Telefoninterviews geführt, mir währenddessen Notizen gemacht und diese hinterher in die eigentliche Geschichte ausgearbeitet. Das Buch wird hoffentlich bis zum Frühling 2022 erscheinen und im Eigenverlag als Book-on-demand auf jeden Fall online über alle regulären Wege zu bestellen sein. Über weitere Infos und Kaufmöglichkeiten informiere ich über die Facebook-Seite.
BLICK aktuell: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Ahrtals?
Dela: Ich wünsche mir für das Ahrtal und die Menschen hier, dass sie sich schnell von den Traumata erholen und bald alle wieder mit einem hoffnungsvollen Blick der Zukunft unserer Heimat entgegensehen. Ich wünsche mir, dass wir – Helfende und Betroffene – alle gemeinsam die, durch die Flut entstandene und nie da gewesene, Solidarität und Empathie weiter aufrecht erhalten und nie mehr verlieren. Wir alle haben etwas Schlimmes erlebt, aus dem aber noch etwas viel Wichtigeres gewachsen ist: Zusammenhalt.
ROB
Sehr schöne Sache von Herrn Dela und hoffe dass das Buch ein Erfolg wird für alle