
Am 21.05.2025
Allgemeine BerichteZwischen Aufklärung und Einflussnahme – Kultur im Spannungsfeld der Gegenwart
Mahnung aus den USA: Wie Kunst und Bildung Nationalismus begegnen können
Koblenz. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „80 Jahre Kriegsende und Befreiung“ fand im Koblenzer Rathaus eine Podiumsdiskussion statt, organisiert von der Stadtverwaltung Koblenz und Kultur- und Bildungsdezernent Ingo Schneider. Einen Tag vor ihrem Konzert in der Rhein-Mosel-Halle im Rahmen von IMUKO diskutierten der in den USA lebende Dirigent Leon Botstein und der international renommierte Cellist Benedict Kloeckner über die Rolle von Kunst, Kultur und Bildung bei der Prävention nationalistischer Strömungen. Ergänzt wurde das Podium durch Prof. Ingeborg Henzler und Markus Graf, zwei bekannte Persönlichkeiten aus der regionalen Kulturszene. Die Moderation übernahm Ingo Schneider.
Schneider begründete die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass die gesellschaftspolitische Verantwortung von Kunst und Kultur angesichts autoritärer und nationalistischer Entwicklungen in vielen Ländern wieder verstärkt in den Fokus rücke. Die vier Podiumsteilnehmer bereicherten die Diskussion mit persönlichen und praktischen Erfahrungen. Von Beginn an war das Gespräch geprägt von Ernsthaftigkeit sowie einem Wechselspiel zwischen Zuversicht und Sorge. Einige Fragen, so Schneider, wären noch vor wenigen Jahren für ihn unvorstellbar gewesen.
Im Austausch mit Dirigent Leon Botstein rückte die aktuelle Lage in den USA in den Mittelpunkt. Botstein beschrieb eine zunehmend angespannte Atmosphäre, stellte jedoch auch differenzierte Beobachtungen zum Zustand der dortigen Kultur- und Bildungseinrichtungen an. Während Universitäten stark unter Druck stünden, sei die Kultur, die weitgehend ohne staatliche Förderung auskomme, bislang weniger betroffen. Zwar gebe es Versuche politischer Einflussnahme, doch die Kunst bleibe vielerorts frei.
Die Gesprächsrunde griff den Vergleich der Kulturförderung in den USA und Deutschland auf. Markus Graf, geschäftsführender Vorstand von pop rlp, einer Einrichtung zur Förderung populärer Musik in Rheinland-Pfalz, verwies auf wachsende Tendenzen auch hierzulande, die Kulturarbeit politisch zu beeinflussen.
Ingeborg Henzler, ehemalige Präsidentin der Hochschule Koblenz und Vorstandsmitglied der Dr. Hans Riegel Stiftung, hob die Bedeutung von Stiftungen für die deutsche Kulturlandschaft hervor. Sie rief dazu auf, künftige Akzente in der Stiftungsarbeit sorgfältig und im Einklang mit den jeweiligen Satzungszielen zu setzen. Dabei gelte es, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Stifter heute denken würden.
Benedict Kloeckner schilderte Beobachtungen aus dem internationalen Konzertbetrieb. In vielen Ländern sei eine zunehmende Tendenz zu autoritären Regimen spürbar. Die Frage, wo Künstlerinnen und Künstler noch auftreten könnten oder wollten, gewinne an Bedeutung. Botstein wies darauf hin, dass Kultur in solchen Kontexten sowohl Teil der Lösung als auch des Problems sein könne. Diktatoren hätten sich schon immer Kunst und Musik zunutze gemacht.
Vor diesem Hintergrund betonten Henzler und Graf die wachsende Bedeutung kultureller Bildung und Aufklärung in Deutschland. Graf warnte, dass Deutschland in dieser Entwicklung womöglich nur zehn Jahre hinterherhinke. Jetzt sei der Moment, entschlossen zu handeln, um nicht in einer Dekade in vergleichbarer Lage zu sein wie andere Länder, auf die heute fassungslos geblickt werde.
Die unterschiedliche Einschätzung der Situation in Deutschland und den USA prägte den Verlauf der Diskussion. Die deutschen Teilnehmer blickten spürbar optimistischer auf ihre Rolle als der Gast aus den USA. Daraus leitete sich ein zentrales Fazit der Runde ab: Der Auftrag für Stadt, Verwaltung und Zivilgesellschaft bestehe darin, den Optimismus aufzugreifen – und die Entwicklungen in den USA sowie Botsteins Skepsis als deutliche Mahnung zu verstehen, wie Schneider im Anschluss zusammenfasste. BA

Umrahmt wurde die Gesprächsrunde durch musikalische Einlagen von Kloeckner selbst.