Neuwieder Stadtrat verabschiedet den Haushalt 2022

Gute Zahlen im Jahr 2021auf Einmaleffekte zurückzuführen

Gute Zahlen im Jahr 2021
auf Einmaleffekte zurückzuführen

Im Investitionshaushalt 2022 steht die Erneuerung der Schlossstraße ganz oben.Foto: FF

Neuwied. Ein überraschend niedriges Haushaltsdefizit 2021 und einen verhaltend positiven Haushaltsentwurf 2022 stellte der erste Beigeordnete Ralf Seemann in der letzten, online abgehaltenen, Ratssitzung des Jahres zur Abstimmung. Erstmalig seit Jahren fiel in diesem Jahr ein lediglich sechsstelliges Haushaltsdefizit (175.275 Euro) an. Für 2022 sieht der Haushalt einen Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 5,8 Mio. Euro vor. Der Schuldenberg der Stadt Neuwied wächst zwar weiter, allerdings verlangsamt. „Wir haben die Weichen für eine langfristige Konsolidierung gestellt“, konstatierte Ralf Seemann zufrieden. Der geringe Jahresfehlbetrag 2021 müsse allerdings als positiver Ausreißer betrachtet werden. Die Verbesserung von über 8,7 Mio. Euro zum Plan erklärte Ralf Seemann mit Einmaleffekten. Darunter 3,4 Mio. Euro aus Grundstücksverkäufen, im Wesentlichen auf dem Heddesdorfer Berg. Eingangs des Zahlenwerks gab Ralf Seemann einen Überblick über die Rahmenbedingungen in Neuwied. Auf der einen Seite hätte die Stadt hohe Ausgaben für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur. Im Vergleich zu anderen Städten dieser Größenordnung muss Neuwied viel Geld für Modernisierungen und Instandhaltungen in 12 Stadtteilen ausgeben. Auf der anderen Seite ist das Steueraufkommen unterdurchschnittlich, weil die Nettoeinkommen unter dem Bundesschnitt liegen. Zudem gab die Power-Point Präsentation aus der Kämmerei Aufschluss darüber, dass Neuwied bei Nettoeinkommen von unter 1.100 Euro und unter 2.600 Euro an der Spitze vergleichbarer Städte bzw. Nachbarstädte liegt. „Wir müssen Neuwied attraktiver machen und für gut bezahlte Arbeitsplätze sorgen“, leitete Ralf Seemann zum Haushalt für das Jahr 2022 über. Dort sind nämlich rund 1,2 Mio. Euro an Investitionen für den Ankauf und die Erschließung von Gewerbegebieten (6,5 ha) und Ausgleichsflächen vorgesehen. Hinzu kommen zusätzliche Stellen in den Bereichen Liegenschaften und Planung in der Verwaltung. Potenzielle Investoren wollen nämlich sofort loslegen und mit dem ersten Spatenstich nicht jahrelang warten. Weitere Investitionen plant die Stadt im Bereich Tiefbau (5 Mio. Euro, inkl. Fördermittel 3,9 Mio. Euro) und Immobilien (1,2 Mio. Euro). Bei Letzteren ist die Grundschule an der Wied die größte Ausgabe (1,1 Mio. Euro). Mit 3 Mio. Euro ist die Umgestaltung der Schlossstraße im Tiefbau der größte Batzen. Vorgesehen ist auch Geld unter anderem für die Planung der Sonnenlandschule, einen Tartanbelag im Rhein-Wied-Stadion und die Schaffung barrierefreier Bushaltestellen.

5,9 Mio. Verlust im Jahr 2022

Bei einem Ertrag von 163 Mio. Euro und Ausgaben von 169 Mio. Euro veranschlagt die Kämmerei den Jahresfehlbetrag mit 5,9 Mio. Euro. An Einnahmen werden 80 Mio. Euro Steuern, 53 Mio. Euro Erstattung im Bereich Jugend/Soziales, 17 Mio. Euro an Zuweisungen und 13 Mio. an Gebühren und Einnahmen erwartet. Die Ausgaben liegen um rund 10 Mio. Euro höher als in diesem Jahr. Kostentreiber sind Aufwendungen der sozialen Sicherung (+2,7 Mio. Euro), Personal- und Versorgungsaufwendungen (+2,5 Mio. Euro) und Zuwendungen, Umlagen und sonstige Transferaufwendungen (+2,4 Mio. Euro). Die Steigerung der Personalkosten auf 41 Mio. Euro erklärte Ralf Seemann mit erwarteten Tariferhöhungen und Neueinstellungen im Bereich der Kindertagesstätten. Noch immer würden mehrere Hundert Plätze in Neuwied fehlen.

Grundsteuererhöhung unnötig?

Abschließend verlor Ralf Seemann noch ein Wort zur Grundsteuererhöhung. Nachdem die guten Zahlen bekannt wurden, setzten Opposition und die Öffentlichkeit den Stadtvorstand und die CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FWG Mehrheitsfraktion, hinsichtlich der Notwendigkeit für die Grundsteuererhöhung unter Druck. Mit einer Erhöhung von rund 45 Prozent hatte sich Neuwied Anfang des Jahres bekanntlich an die Spitze aller Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz gesetzt. „Ohne diese Mehreinnahmen hätte das Defizit für 2022 über 10 Mio. Euro betragen. Außerdem hätten wir die zahlreichen Kita Erweiterungen und Neubauten nicht in Angriff nehmen können“, unterstrich Ralf Seemann. Nur aufgrund der Erhöhung der Einnahmen erlaube die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die notwendigen 20 – 25 Mio. Euro Investitionen in den nächsten fünf Jahren.

Haushalt 2022 ohne breite Basis

Mit der extremen Grundsteuererhöhung hatten CDU, Bündnis90/Die Grünen und FWG schon für 2021 den bis dahin üblichen Konsens über die Genehmigung des Haushaltsentwurfs aufgekündigt. Bis dahin verstanden die politischen Kräfte die Verabschiedung als Gemeinschaftsaufgabe, bei der zwar kritisiert wurde und kleine Fraktionen auch mal dagegen stimmten, aber der Haushalt den Stadtrat mit großer Mehrheit passierte. Anders und wie schon für 2021 dieses Mal: Nur 24 der 43 Ratsmitglieder stimmten mit Ja. Die SPD lehnte den Haushalt ab, weil den Bürger/innen massiv ins Portemonnaie gegriffen wird. „Die Steuererhöhung ist die ungerührte Antwort der Papaya-Koalition auf die aktuellen Herausforderungen und die Sorgen der Menschen“, kritisierte Sven Lefkowitz. Der SPD-Chef sprach von verfehlter Politik und kritisierte, dass sich die Mehrheitskoalition hinter den Einmaleffekten versteckt und auch das Defizit 2022 womöglich wieder geringer ausfällt. Weiter erinnerte er an die von der Koalition vollmundig versprochene Verwaltungsstrukturreform. Zwar seien für die externe Expertise Kosten entstanden, auf Ergebnisse warte man aber seit 2019. Unzufrieden ist die SPD mit der Umsetzung von Neubauten und Renovierungen von Schulen und Sporthallen. Trotz Haushaltsresten und Fördermitteln tue sich bei mehreren Projekten nichts. Positiv hob Sven Lefkowitz das Quartiersmanagement im Raiffeisenring und im Rheintalweg hervor. Hier werde eine gute und wertvolle Arbeit geleistet, die in den Wohngebieten für eine positive Entwicklung sorge.

FDP: Bitterer Beigeschmack

Dass CDU/Grüne und FWG die Grundsteuererhöhung mit einem Defizit von über 8 Mio. Euro begründeten, das am Ende bei lediglich 175.000 Euro lag, hinterlässt bei der FDP einen faden Beigeschmack. Die Liberalen sehen nur wenig Anlass, den Haushalt 2022 zu loben. Dennis Mohr vermisst die Umsetzung der Sanierung von neun Grundschulen mit mittlerem bis dringendem Umsetzungsbedarf. Außerdem vermisst der Fraktionsvorsitzende, trotz der Beteiligung der Grünen, die Würdigung von Umwelt- und Klimathemen im Haushalt. Tobias Härtling (Die Linken) sieht im Haushaltswurf eine trostlose Mangelverwaltung und bringt den riesigen Investitionstau zur Sprache. Die Steuererhöhung halten die Linken nach wie vor für falsch. Stattdessen sei das Land in der Pflicht eines auskömmlichen Finanzausgleichs. Ähnlich argumentiert die AfD: „Die finanziellen Zuweisungen des Landes reichen bei Weitem nicht aus, um die den Kommunen auferlegten Aufgaben kostendeckend zu erfüllen. Die Neuwieder/innen zahlen also die Zeche für die Unzulänglichkeiten der Politik in Mainz und Berlin“, sagte Hans-Dieter Funk. Ergänzend fügte er hinzu, dass seine Fraktion die Grundsteuererhöhung als Griff in die Tasche des kleinen Mannes für falsch hält. Weiter stellte die AfD die Richtigkeit der in Eigenregie gebauten Kitas, statt dem Bau durch die GSG und Anmietung der Stadt, in Frage. In Konsequenz müsse die Stadt dann im Haushalt Rücklagen für Reparaturen und Renovierungen einstellen. Die Bürgerliste hadert angesichts des Klimawandels mit der Versiegelung von 100 Hektar Boden für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete. Anders als die Opposition ist Regine Wilke (Bündnis 90/Die Grünen) durchaus der Ansicht, dass ihre Fraktion ihrem Anspruch an einem „Klimahaushalt“ gerecht wird. Einig ist sich Karl-Josef Heinrichs (FWG) mit der Opposition, dass Land und Bund die Stadt nicht ausreichend mit finanziellen Mitteln ausstatten. Die Grundsteuerhöhung hält er dagegen dennoch für richtig, weil Neuwied in bestimmten Handlungsfeldern selbstbestimmter agieren könne.

CDU verteidigt Steuererhöhung

CDU-Chef Martin Hahn bezeichnete die Grundsteuererhöhung als richtig, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die nachhaltig positive Entwicklungen ermöglichen. Er schließt nicht aus, dass die Belastung der Bürger in Zukunft wieder zurückgefahren wird. Derzeit sehe es aber nicht danach aus, weil sich die Ausgangslage nicht verändert hätte. Und die lautet eine unterdurchschnittliche Steuerkraft und trotz anders lautendem OVG Gerichtsurteil eine unzureichende Finanzausstattung auf der einen und steigende Ausgaben auf der anderen Seite. Falsch sei es, sich weiter kaputt zu sparen. Die Sparmaßnahmen hätten fast zum Ende von Handlungs- und Leistungsfähigkeit zu Lasten der Bürger/innen geführt. Martin Hahn lobte die Investitionen hin zu einer kinder- und elternfreundlichen Kommune sowie den Ankauf von Grundstücken für die Ansiedlung von Gewerbe und Industrie. Martin Hahn kündigte eine massive Stärkung des Bereichs Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und City-Management an. Ziel sei eine eigenständige Struktur, bestenfalls eine eigenständige Gesellschaft zu schaffen, die schlagkräftig, zupackend, innovativ und zukunftsorientiert Weichen stellt. Neu ist dieser Ansatz nicht. Schon bei der Haushaltsberatung 2010 machte die CDU einen entsprechenden Vorstoß.