Mehmet Yilmaz ist der Inhaber eines Floristikgeschäftes in Bad Neuenahr, das von der Flut völlig zerstört wurde. Doch er kümmerte sich nicht nur um seinen eigenen Laden, sondern half zuerst anderen Betroffenen

„Ein Neuenahrer Jung gibt nicht auf“

22.02.2022 - 10:43

Bad Neuenahr. Wer heute in der Telegrafenstraße direkt vor der Rosenkranzkirche in Bad Neuenahr steht und auf die gegenüberliegende Straßenseite schaut, weiß: Hier hat die Flut auch so richtig zugeschlagen. Die Schaufenster des Geschäftes von Mehmet Yilmaz namens Floraldesign Lersch zeugen immer noch von Wasser- und Schlammmassen. Alles ist schmutzig und irgendwie noch feucht. Wenn Yilmaz gefragt wird, wann er wieder öffnen könnte, zuckt er mit den Achseln. „Wir hoffen vor dem 1. Advent“, sagt er. „Aber ob das klappt, weiß ich noch nicht.“

Die Flutnacht hat er noch gut im Gedächtnis. Gute zwei Meter stand das Wasser in seinem Laden. Und Blumen und anderen Pflanzen sind zerbrechliche Waren. Kurzum: Yilmaz hatte einen Totalschaden. „Ich hätte auch nie gedacht, dass uns das mal passiert“, gibt er zu und beschreibt das, was viele im Ahrtal dachten. Am 14. Juli hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht, dass es sinnvoll sein könnte seinen Laden zu sichern. Stattdessen half er lieber anderen. So war er bereits nachmittags unterwegs um seinen Mitbürgern beim Füllen von Sandsäcken zu helfen, stellte seine Firmenwagen zu Verfügung um die Säcke von A nach B zu transportieren. Gebracht haben die im Nachhinein nichts, denn auch die Barrieren wurden fortgespült. Trotzdem ist er sicher, das Richtige gemacht zu haben. Erst als ein älterer Herr ihm sagte: „Komm, Junge, guck´ mal nach deinem eigenen Laden,“ ging er zurück in die Telegrafenstraße. Und nur wenig später kam die Flut, das Wasser schoß aus Kanaldeckeln. In kürzester Straße war alles um ihn herum geflutet. Selbst als Yilmaz gegen Mitternacht in hüfthohem Wasser watete – so recht glauben wollte er, was da gerade passiert immer noch nicht. Er durchlebte brenzlige Situationen in seinem Geschäft. Als das Tor einer Tiefgarage eingedrückt wurde und das Wasser hineinschoss, hatte dies eine Wirkung wie ein Strudel. Der Florist klammerte sich an einen Tisch, um nicht in die Garage gesaugt zu werden.

Trotzdem versuchte er zu retten, was zu retten ist. Er hielt erst innen und dachte nach, als sein Handy klingelte. Seine Frau war am anderen Ende und sagte: „Komm nach Hause.“ Und so ging er nach Hause, in die Straße Im Dellmich, die sich deutlich erhöht durch die Bad Neuenahrer Hügel schlängelt. Glücklicherweise blieb sein Heim von der Flut verschont.


Yilmaz: „Natürlich mache ich weiter“


Am nächsten Tag sind er und seine Kollegen und Freude einmal an den Laden gegangen. Der Anblick, der ihn erwartete, war bitter. Aber zwei Gedanken schossen ihm durch den Kopf. „Es kam für mich nicht in Frage, das Geschäft nicht mehr weiter zu betreiben,“ so Yilmaz. „Ich bin ein Neuenahrer Jung, ich bin hier groß geworden. Natürlich mache ich weiter.“ Und dann fragte er sich: Wenn es schon bei ihm so grausam aussah – wie sieht es dann wohl an der Mittelahr aus.

So fuhr er mit einigen Helfern zunächst nach Mayschoß um dort den Menschen zu helfen, bevor er sich um seinen eigenen Laden kümmerte. Dort packte er mit an, brachte Stirn- und Taschenlampen zu den Menschen, die im wahrsten Sinne alles verloren hatte. Erst nach einiger Zeit kümmerte er sich um sein Geschäft, dass schließlich auch mit Tatkraft und der viel zitierten „Eimerkette“ ausgeräumt wurde. Noch laufen hier die Bautrockner und einen Zeitplan gibt es nicht.

Doch bei Floraldesign Lersch ging es schon im Oktober letzten Jahres weiter. In der Nordstraße haben Yilmaz und sein Team zusätzliche Räumlichkeiten. Hier wurden in der Vergangenheit Events veranstaltet. Kurzerhand wurde hier ein Blumenshop geschaffen und Kunden können sich wieder mit bunten Blüten und schicken Arrangements eindecken. „Wir sind froh, dass wir hier weitermachen können“, sagt er. Mehmet Yilmaz und seine Mitarbeiter freuen sich darauf, wieder in die Telegrafenstraße zurückzukehren. „Doch das dauert wohl noch etwas“, sagt er. ROB

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