In Bad Neuenahr fand die Premierenlesung des neuen Buches „Vergiss mal nicht!“ von Autor Andy Neumann statt

Eine Denkschrift mit vielen Adressaten

Eine Denkschrift mit vielen Adressaten

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe zieht Andy Neumann in seinem neuen Buch eine kritische Bilanz. Foto: SN

Ahrtal. Es ist ein lauer Sommerabend, die Sonne scheint, und die Ahr plätschert friedlich vor sich hin: Idyllisch gestaltet sich die Kulisse im Café del Ahr am Ahrufer des Bad Neuenahrer Kurparks bei der Premierenlesung von Andy Neumanns neuem Buch „Vergiss mal nicht!“. Doch die Idylle ist trügerisch. Trügerisch, weil Andy Neumann die Ahr von ihrer anderen, ihrer unbarmherzigen Seite kennengelernt hat. Im vergangenen Herbst landete er mit seinem „Protokoll“ über die Flutkatastrophe einen Überraschungserfolg. Dieser sei eher „ein Unfall“ gewesen, gibt er zu, er habe das Buch lediglich geschrieben, um sich selbst „zu heilen“. Lange wehrt sich Neumann gegen Avancen seines Verlages, der ihn zum Schreiben eines Nachfolgetitels bewegen möchte. Schlussendlich entscheidet er sich doch dafür – um gewissen Stimmen im Tal seine eigene entgegenzusetzen.

Eine trügerische Idylle

Denn die Idylle trügt noch in anderer Hinsicht. „Heute ist mein Kragen endgültig geplatzt“, offenbart Neumann gleich zu Beginn der Lesung. Er schildert einen Zwischenfall im heimischen Garten, wo zwei Pöbler seine Ehefrau angehen und wissen möchten, was ihr Mann denn gegen „die Helfer“ habe. Dieser Vorfall rührt wohl daher, dass der Autor in seinem neuen Buch nicht mit Kritik an gewissen Helferstrukturen spart – ein ganzes Kapitel hat er diesem Thema gewidmet. Darin moniert er die Selbstdarstellung einiger prominenter Helfer, deren Inszenierungen im Netz nicht mit der Realität übereinstimmten. In gewohnter Art nimmt Neumann dabei kein Blatt vor den Mund, spricht von „Facebook-Charakteren“ und deren „Gefolgschaft“.

Denkschrift mit vielen Adressaten

Im Untertitel trägt das Buch die Bezeichnung einer „Denkschrift“. Und diese hat viele Adressaten, auch und vor allem die Politik. Im Rahmen der Lesung erneuert Neumann seine Forderung an Ministerpräsidentin Malu Dreyer, sich bei den Menschen im Ahrtal für das „epochalste aller Versagen“ zu entschuldigen. Er versteht sich als gerechter Kritiker, der nicht aus Destruktivismus, sondern aus dem Bestreben heraus handelt, als Bediensteter des Staates durch Benennung und Offenlegung von Missständen ebendiesen Staat zu einem besseren zu machen. Mit demokratiefeindlichen oder staatszersetzenden Kräften, „Menschenfänger“, wie er sie nennt, möchte Neumann sich dabei keineswegs gemeinmachen. „Nur weil der Neumann mal schimpft, ist er ein Fan von solchen Leuten – ganz und gar nicht!“, betont der 46-Jährige.

Kurzweilige Veranstaltung

Immer wieder legt der Autor sein Buch für derartige Zwischenkommentare, das Erzählen einer Anekdote oder einfach einen lockeren Spruch beiseite. Der erfahrene Entertainer, der auf über 20 Jahre Bühnenerfahrung als Sänger zurückblicken kann, weiß das Publikum zu unterhalten – auch mit einigen Gesangseinlagen wie seiner Ahrtal-Version des Westernhagen-Klassikers „Wieder hier“. Bisweilen wird es bei der Buchlesung – ebenso wie im Buch selbst – aber auch persönlich. Als Neumann einen Abschnitt über die Verluste der Flutkatastrophe vorliest, stockt ihm plötzlich die Stimme. „Ich habe vorgestern Morgen erst realisiert, wie viele Menschen hier gestorben sind. Vorher war es nur eine abstrakte Zahl“, gesteht er mit Tränen in den Augen.

Klatschen und Buhen erwünscht

Neumanns Auftritt zieht nicht nur die Gäste im Café del Ahr in seinen Bann, wiederholt bleiben auch Spaziergänger oder Fahrradfahrer vor dem Strandcafé stehen und lauschen für einige Zeit den Ausführungen des Autors. Die über zweistündige Veranstaltung vergeht dabei wie im Fluge. Zu Beginn hatte Neumann das Publikum dazu aufgefordert, ihm durch lautes Klatschen oder Buhen mitzuteilen, ob er mit seinen Ansichten alleine dastehe. Der Applaus seiner Zuhörer dürfte ihm eine recht eindeutige Antwort auf diese Frage gegeben haben.