Sinzigerinnen Margit Betzing, Martha Breuer und Ute Grzenia sind seit der Hochwasserkatastrophe mit „Helfenden Händen“ im Einsatz

Helfende Hände sammeltenUnmengen Schwemmgut

Helfende Hände sammelten Unmengen Schwemmgut

Die „Helfenden Hände“ hinter dem Bad Bodendorfer Schwimmbad. Fotos: Rike Schmickler-Bouvet

Helfende Hände sammelten Unmengen Schwemmgut

Margit Betzing, Initiatorin der Helfenden Hände, im Einsatz mit Martha Breuer.

Sinzig. Sie gehört zu den Helferinnen und Helfern, ohne deren Einsatz einige Bereiche im überfluteten Ahrtal nicht so weit wären, wie sie jetzt schon sind. Ihr Lebensmittelpunkt war schon vor der Flut ihre Heimatstadt Sinzig. Mit der Initiative „Helfende Hände“ mobilisierte Margit Betzing gemeinsam mit den Sinzigerinnen Martha Breuer und Ute Grzenia etliche Mitstreiterinnen und Mitstreiter – weit über die Grenzen des Kreises Ahrweiler hinaus. Wenn sie riefen, reisten auch Vereine und Familien nach Sinzig, um zu helfen und Arbeiten auszuführen, um die manch einer einen großen Bogen gemacht hat.

Sie kraxeln in Böschungen, klettern auf Bäume, rutschen auf allen Knien durchs Gebüsch oder stiefeln durch die Ahr. Und sie sammelten bislang tonnenweise Schwemmgut und Müll – alles was die Hochwasserkatastrophe vor knapp einem Jahr in die Ahrauen und ans Rheinufer geschwemmt hatte. Und das in bislang mehr 20 Sammelaktionen.

„Ganz ehrlich: Es hat zunächst Wochen gedauert, bis ich mich überwinden konnte, an die Ahr zu gehen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil unser Grundstück von dem Hochwasser verschont geblieben war. Das Wasser stand knapp davor“, erinnert sich Margit Betzing. „Und ich hatte viel Mitgefühl und Respekt vor den betroffenen Menschen.“

Als sie sich überwunden hatte und das Elend am Ahrufer sah, stand für sie und für ihren Mann Holger Betzing fest: „Wir müssen helfen!“

Mit den Sinzigerinnen Martha Breuer und Ute Grzenia stampften sie eine Sammelaktion nach der anderen aus dem Boden. Vor allem über die sozialen Medien und Mundpropaganda geben sie ihre Sammeltermine bekannt: Ein Foto und die Worte „Wer hilft?“ reicht meist als Appell zum Mitmachen. „Es fanden sich bislang auf Anhieb viele Unterstützer“, erzählt Margit Betzing weiter. „Zwei türkische Familien aus der Nachbarschaft sorgen für das Essen und gehören zur Stammmannschaft wie viele andere Wiederholungstäter auch“, schwärmt die 58-Jährige. „Meine Mutter hat die Getränke bezahlt, weil sie bedauerte, mit 88 Jahren nichts tun zu können. Handschuhe und Mülltüten haben wir uns selbst besorgt. Die Westumer Udo und Dennis Walbröhl unterstützten die „Helfenden Hände“ mehrfach mit schwerem Gerät. Ohne deren Einsatz hätten manche Teile gar nicht geborgen werden können.

„Martha, Ute und ich waren uns nicht zu schade, auch Institutionen um Unterstützung zu bitten. Man muss einen langen Atem haben“, weiß sie heute.

„Es war unglaublich, wie schnell sich das herumgesprochen hat und wie viel Verbundenheit gezeigt wurde“ so die Erzieherin. So auch, als sie am Ahrufer im Bereich des Sinziger Schulzentrums und „Rick-Gelände“ eine Sammelaktion starteten. Die großen Umweltgruppen K.R.A.K.E. (Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit) und die Düsseldorfer Blockblogs Cleanup aus Düsseldorf meldeten sich zur Unterstützung an. Und das zog Kreise. Auch ein Team des SWR kam. Der Helfer-Shuttle organisierte unter anderem Container. „Zwischen Bad Bodendorf und der Ahrmündung Sinzig waren mehr als 130 Menschen im Einsatz. Sogar der Bürgermeister stattete uns einen Besuch ab,“ so Betzing.

Neben vielen unbrauchbaren Kleidungsstücken, Mülltonnen, zerstörten Gegenständen, Ölfässern, Tanks und Flaschen fischten die Helfenden unter anderem Tausende Plastikverschlüsse aus den Ahrauen.

„Bis zum Frühjahr haben wir beinahe alle 14 Tage eine große oder kleine Aktion durchgeführt. Das Sammeln selbst machte mich oft sehr traurig und betroffen. Häufig fragte ich mich, was hängt an dieser Jacke für ein Schicksal und dachte, wenn die Kleidungsstücke nur sprechen könnten.“

Die Unterstützung, das Miteinander und die zwischenmenschlichen Beziehungen, die entstanden sind, seien sehr toll und bewegend gewesen. In wenigen Tagen treffen sich die Beteiligten zu einem Helferfest. „Auch die Anerkennung vieler Menschen hat gutgetan“, ergänzt sie. „Diese Sammelaktionen lösen auch ein gewisses Suchtpotenzial aus“, verrät Margit Betzing lachend. Keine Frage, dass sie und ihre Mitstreiterinnen künftig bei Bedarf auch weitere Aufräumaktionen initiieren. Ihre Motivation: Dankbarkeit, selbst nicht betroffen zu sein. „Das Hochwasser in der Nacht zum 15. Juli 2021 stand bis wenige Meter vor unserer Haustür. Bis dahin wurden auch Autos angeschwemmt. Es war alles unglaublich. Mit diesen Aktionen möchten wir unsere Dankbarkeit weitergeben, an die, die nicht so viel Glück hatten wie wir.“