
Am 11.05.2024
Allgemeine BerichteGrundstück für neues Wohngebäude in Sinzig gefunden
Am Lebenshilfehaus laufen die Sanierungsarbeiten auf Hochtouren
Sinzig. Das Sinziger Lebenshilfehaus ist eine einzige Baustelle. Bis Ende Herbst soll die Einrichtung, in der in der Flutnacht zwölf Menschen ums Leben gekommen sind, komplett saniert sein. „Mit einer Nutzungsänderung. Denn Wohneinheiten soll es dort nicht mehr geben.“ Das erläuterte Ulrich van Bebber, Kreivorsitzender der Lebenshilfe, bei einem Ortstermin mit Blick aktuell. Das Investitionsvolumen betrage drei Millionen Euro, Gelder aus dem Wiederaufbaufonds und von Versicherungen.
„Das Hochwasser vor zwei Jahren kam wie eine Sintflut über uns. Wir hätten nie gedacht, dass das Wasser überhaupt das Wohnheim erreicht, denn bis dahin war es nicht einmal vom sogenannten Jahrhunderthochwasser 2016 betroffen. Aber in der Nacht auf den 15. Juli überflutete es komplett das Erdgeschoss und zwölf Menschen kamen tragisch ums Leben. Ich erinnere mich an Chaos, Verzweiflung und Trauer in den Wochen danach“, sagt van Bebber.
Erinnerungen
Und fährt fort: „Viele Bewohner und Mitarbeiter waren traumatisiert. Wir sind eine kleine Einrichtung und wie eine Familie. In dem Chaos mussten wir schnell handeln. Einige Bewohner kamen bei ihren Familien unter, die meisten brauchten eine neue Bleibe.“ In einem leerstehenden Hotel auf der anderen Rheinseite habe die Lebenshilfe eine Notunterkunft eingerichtet. Dann habe es gegolten, Möbel, Kleidung und Hilfsgüter zu organisieren. Die Unterstützung durch Freiwillige sei enorm gewesen. „Menschen halfen ganz praktisch beim Aufräumen und Umziehen oder mit Geldspenden. Zu spüren, dass wir nicht allein sind, war unglaublich ermutigend. Bald war aber klar, dass wir dort nicht bleiben konnten, weil die Räume nicht barrierefrei waren. Schließlich fanden wir zwei Einrichtungen etwas außerhalb - in Remagen und in Mendig -, in die die Bewohner umziehen konnten“, erinnert sich der Kreisvorsitzende.
Neues Grundstück
Das sei eine schwierige Phase gewesen, auch weil nicht klar war, wie es mit dem ursprünglichen Lebenshilfehaus in Sinzig weitergehe. Für die Bewohner sei es ein Zuhause gewesen ein Ort der Freude und des Lebens. „Das Haus liegt mitten in Sinzig und unsere Bewohner waren gut in die Stadt integriert. Deshalb wollten wir, dass sie nach Sinzig zurückkehren und hier inklusiv leben können. Wir machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück. Das war ein sehr langer Weg, viel länger und schwieriger als wir gedacht hatten. Vor einigen Monaten haben wir endlich ein geeignetes Grundstück gefunden. Leider ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Wir hoffen auf Unterstützung auch vom Land. Von außen betrachtet scheint die Flutkatastrophe bereits Geschichte zu sein“, so van Bebber. Aber die Flut habe nicht nur Narben in der Landschaft hinterlassen, sondern auch Narben in den Seelen der Menschen. „Für uns ist es immer noch eine tägliche Belastung. Aber wir versuchen, nach vorne zu schauen und den Mitarbeitern und Bewohnern Mut zu machen. Mit dem neuen Grundstück haben wir jetzt auch eine Perspektive. Wir hoffen, dass in zwei bis drei Jahren das neue Lebenshilfehaus fertig ist und unsere Bewohner hier ein neues Zuhause gefunden haben.“
Bauliche Entwicklung
Was hat sich und am Lebenshilfehaus an der Pestalozzistraße bisher getan? Geplant ist die Fertigstellung im vierten Quartal. Die Kernsanierungsarbeiten stehen sind abgeschlossen. Im linken Gebäudeflügel ist bereits eine Ergotherapie-Praxis eingezogen. Der neue Aufzug muss noch eingebaut werden. Die Trockenbauarbeiten im Erdgeschoss sind abgeschlossen. Neue Fenster und Rollläden wurden im Erdgeschoss eingebaut. Das Wärmedämmsystem wird in den nächsten Tagen aufgebracht. Die Innenausbauplanungen für das erste und zweite Obergeschoss sind in Bearbeitung. Glasfaseranschluss im Haus, alle technischen Anlagen wurden nach oben verlagert, das Heizungssystem wird auf ein Hybridsystem mit Wärmepumpe und ergänzender Gasheizung umgestellt.
Außengelände
Die Submission für das Außengelände ist abgeschlossen und die Auftragsvergabe erfolgt. Das Außengelände soll einen inklusiven Kletterpark erhalten, der auch für externe Besucher zugänglich ist. Ebenso ist geplant, einen eigenen Bereich für die Tagesförderung sowie eine Gedenkstätte für die Opfer und Überlebenden der Flutnacht vom 14./15. Juli 2021 einzurichten. Die Konzepte müssen noch erarbeitet werden, dabei werden laut van Bebber Angehörige der Verstorbenen und die Mitarbeiter der Lebenshilfe eingebunden.
Inhaltliche Entwicklung
Im Erdgeschoss soll voraussichtlich neben der Ergotherapie-Praxis eine Tagesförderung für Senioren entstehen. „Auch Senioren mit Leistungsanspruch aus dem SGB IX können betreut werden, die nicht in den Lebenshilfehäusern oder anderen Wohnungen der Lebenshilfe leben“, so van Bebber. Im zweiten Obergeschoss ist die Zusammenführung der bisher dezentralen Verwaltung geplant, um Kosten- und Arbeitseffizienz zu verbessern. In der ersten Etage wird ein Bereich für Kinder- und Jugendhilfe eingerichtet. Lebenshilfe ist vom Kreis als Träger der Jugendhilfe anerkannt. „Alternativ denken wir aber auch darüber nach, ein Zentrum für Frühe Hilfen einzurichten. Dies ist aber noch nicht abschließend entschieden“, so van Bebber, der seit neun Jahren die Kreisvereinigung der Lebenshilfe leitet. GS

An der kleinen Gedenkstätte vor dem Lebenshilfehaus haben Kinder Autos der Blaulichtfamilie als Erinnerung an die Opfer abgestellt. Auch gibt es eine Gedenkplatte und Fotos. Foto: GS

Schweres Gerät kommt bei der Neugestaltung des Außengeländes zum Einsatz. Foto: GS