
Am 20.02.2025
Allgemeine BerichteDie Medusa von Weißenthurm
Ein gerettetes Stück römischer Geschichte
Weißenthurm. Die römische Vergangenheit des Mittelrheins ist reich an beeindruckenden Funden. Eine der bedeutendsten Entdeckungen in der Region war die Töpferei von Weißenthurm, die über Jahrzehnte hinweg wertvolle Einblicke in das römische Handwerk und die Alltagskultur lieferte. Doch nicht alle Zeugnisse dieser Epoche wurden bewahrt. Der moderne Fortschritt, insbesondere der Bimsabbau und Bauarbeiten, hat viele antike Stätten unwiederbringlich zerstört.
Karl-Heinz Urmersbach erläutert seinen spektakulären Fund: „Im Jahr 1975, lange nach Abschluss der offiziellen archäologischen Grabung, führte mich mein Interesse erneut zu dieser historischen Stätte. An einem Tag, der sich mir tief ins Gedächtnis eingebrannt hat, beobachtete ich, wie ein Bagger entlang der Bahnlinie Koblenz–Köln in Richtung Weißenthurm arbeitete. Die Schaufel grub sich unaufhaltsam in den Boden, der über Jahrhunderte hinweg historische Schätze verborgen hatte. Was ich dann sah, ließ mich innehalten: In der aufgewühlten Erde kamen römische Ziegel zum Vorschein – Tegulae und Imbrices, die charakteristischen Dachziegel der Römer. Doch nicht nur das – auch Mauerwerk und Fragmente römischer Wandmalerei wurden freigelegt. Mir war sofort bewusst, dass hier ein wertvolles Relikt der Vergangenheit dem Abriss preisgegeben war.
Im letzten Moment gelang es mir, aus der Baggerschaufel ein besonders bemerkenswertes Stück Wandputz zu retten. Als ich den Fund näher betrachtete, erkannte ich darauf das kunstvolle Abbild einer Medusa. Diese mythologische Gestalt, in der Antike oft als Schutzsymbol an Gebäuden angebracht, war mit feinen Linien und lebhaften Farben auf das römische Fresko gebannt – ein erstaunliches Zeugnis der damaligen Kunstfertigkeit. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, nicht in Weißenthurm, sondern in Pompeji oder Herculaneum zu stehen – dort, wo ich Jahre zuvor die prachtvollen römischen Wandmalereien bewundert hatte. Die feinen Details, die leuchtenden Farben, die kunstvolle Darstellung – all das erinnerte mich an die beeindruckenden Fresken, die in den vom Vesuv verschütteten Städten überdauert hatten. Und doch lag dieses Meisterwerk hier, in einer Baggerschaufel, kurz davor, für immer verloren zu gehen.
Um diesen Fund für die Nachwelt zu erhalten, übergab ich das Fresko noch im selben Jahr dem zuständigen Amt für Bodendenkmalpflege. Doch anstatt auf Anerkennung oder Interesse zu stoßen, wurde meine Übergabe kaum beachtet – eine Erfahrung, die mich tief enttäuschte. Kein Wort des Dankes, keine Rückmeldung zu dem wertvollen Artefakt, das andernfalls unwiederbringlich zerstört worden wäre.
Heute, mit etwas Abstand, überwiegt jedoch die Freude darüber, dass die Medusa von Weißenthurm gerettet werden konnte. Sie bleibt ein stilles Zeugnis der römischen Präsenz in unserer Region und erinnert uns daran, wie wichtig es ist, unser kulturelles Erbe zu bewahren – auch dann, wenn es im Verborgenen liegt und droht, vergessen zu werden.“
Karl-Heinz Urmersbach