Ahrweiler am Morgen des 15. Juli 2021.  Foto: ROB

Am 02.06.2025

Allgemeine Berichte

Ralph und Inka Orth Eltern von Johanna Orth, die bei der Ahrflut 14. Juli 2021 ums Leben kam, wenden sich in einem offenen Brief an die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz

„Wir fordern Gerechtigkeit!“

Kreis Ahrweiler. Am kommenden Sonntag wäre unsere Tochter Johanna 26 Jahre alt geworden. Wenn unsere Familie und ihre Freunde an diesem Tag zusammenkommen, bleibt ihr Platz leer. Es ist ein Schmerz, den wir jeden einzelnen Tag tragen – und der nie vergeht.

Dass wir als Angehörige zusätzlich auch noch mit der Respektlosigkeit und Ignoranz der Justiz konfrontiert werden, ist für uns nicht länger hinnehmbar.

Bis heute wurde keine Anklage gegen den damaligen Landrat Jürgen Pföhler erhoben – trotz zahlloser Hinweise, Gutachten und offenkundiger Versäumnisse im Vorfeld der Ahrflutkatastrophe vom 14. Juli 2021.

Was uns seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz und der Generalstaatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang zugemutet wird, empfinden wir als Schlag ins Gesicht – nicht nur für uns, sondern für alle Hinterbliebenen der Flutopfer.

Bereits bei der Pressekonferenz im vergangenen Jahr erklärte Staatsanwalt Mannweiler sinngemäß, eine frühere Warnung hätte ohnehin nichts bewirkt – die Menschen hätten sie nicht beachtet.

Eine solche Aussage ist nicht nur zynisch, sondern stellt in unseren Augen eine gefährliche Umkehr von Verantwortung dar. Sie suggeriert, dass es sinnlos gewesen wäre, Menschenleben durch rechtzeitige Kommunikation zu schützen – eine Behauptung, die durch nichts belegt ist, aber öffentlich Wirkung entfaltet.

Viel bedenklicher jedoch ist das Signal, das von solchen Aussagen ausgeht: Wenn Warnungen angeblich ohnehin nichts bringen, kann man daraus im Umkehrschluss ableiten, dass Investitionen in Frühwarnsysteme, Alarmketten und präventive Kommunikation überflüssig seien.

Das öffnet einer gefährlichen Gleichgültigkeit Tür und Tor – und entwertet den gesamten Katastrophenschutz.

Es darf niemals zur akzeptierten Argumentation der Justiz gehören, dass rechtzeitiges Handeln keinen Unterschied gemacht hätte – vor allem dann nicht, wenn dieses Handeln gar nicht oder in falscher Weise stattgefunden hat.

Die Staatsanwaltschaft verweist auf eine KATWARN-Warnung um 19:35 Uhr, in der vor einem möglichen Pegelstand von 5 Metern gewarnt und das Meiden von Erdgeschossen empfohlen wurde.

Was dabei ignoriert wird: Die App erreichte laut offiziellen Zahlen nur etwa 10 % der Bevölkerung im Ahrtal.

Noch gravierender: Trotz dieser Warnung enthielten die Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr auch nach 20:00 Uhr keinerlei Hinweis auf eine Räumung von Erdgeschosswohnungen.

Dass man sich dennoch auf KATWARN als zentrale Maßnahme beruft, obwohl ergänzende Warnmittel nicht genutzt wurden, ist ein schwerwiegendes Versäumnis – und widerspricht klar den gesetzlichen Vorgaben zur Warnpflicht.

Wir haben der Generalstaatsanwaltschaft inzwischen das Mobiltelefon unserer Tochter (auf welchem die KATWARN-App nicht installiert war) als Beweismittel angeboten.

Die Reaktion darauf ist erschütternd:

Zitat aus dem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft: „… dabei werde ich namentlich prüfen, ob respektive inwieweit es auf die Frage der Installation der Warn-Applikation KATWARN ankommt und ob Anlass besteht, auf die von Ihnen unterbreiteten Beweisangebote zurückzukommen.

Ungeachtet dessen, steht es Ihnen selbstverständlich frei, das Mobiltelefon, sollte es betriebsbereit sein, was fraglich erscheint, auf freiwilliger Basis zu übermitteln.“

Diese Antwort der Generalstaatsanwaltschaft ist ein klassisches Beispiel für formale Höflichkeit bei inhaltlicher Blockadehaltung. Es wird der Anschein einer Prüfung erweckt, ohne sich tatsächlich auf eine sachliche Auseinandersetzung mit den angebotenen Beweismitteln oder deren Relevanz festzulegen.

Sehr schmerzhaft ist es, dass die Generalstaatsanwaltschaft den Verdacht äußert, das Gerät sei möglicherweise nicht betriebsbereit.

Eine solche Unterstellung ist nicht nur sachlich unbegründet – sie ist in ihrer Kälte und Distanz gegenüber uns als Eltern schlicht unmenschlich.

Allein diese Denkweise lässt tief blicken – und zeigt, mit welcher Voreingenommenheit und fehlenden Empathie hier mit Hinterbliebenen kommuniziert wird.

Der Eindruck der Vermeidung aktiver Ermittlungspflicht ist kaum noch zu übersehen.

Dass unser Angebot zur Mitwirkung nicht respektvoll und ergebnisoffen, sondern mit vorgefasster Skepsis beantwortet wird, ist für uns ein weiterer Beleg dafür, dass der Wille zur lückenlosen Aufklärung fehlt.

Zudem empfinden wir es als äußerst befremdlich, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz – vertreten durch Herrn Staatsanwalt Mannweiler – in der Pressemitteilung zur Verfahrenseinstellung die KATWARN-Warnung explizit als relevantes Argument für eine ausreichende Warnlage anführt, nun aber, sobald mit dem Mobiltelefon unserer Tochter ein greifbares, möglicherweise einzigartiges Beweisstück eines Todesopfers vorliegt, plötzlich der Eindruck entsteht, die Bedeutung dieser App sei gar nicht mehr so entscheidend.

Diese Widersprüchlichkeit wirkt auf uns nicht nur irritierend, sondern auch wie ein gezieltes Ausweichen vor unbequemen Fakten.

Darüber hinaus wurden mehrere unabhängige Gutachten eingereicht – von ausgewiesenen Fachleuten auf den Gebieten Hydrologie, Katastrophenschutz und Rechtswissenschaft:

Prof. Dr.-Ing. Erwin Zehe (Hydrologie), Gerd Gräff (Katastrophenschutz), Prof. Dr. Gudrun Ingeborg Puppe (Rechtswissenschaft).

Auch diese Gutachten werden bislang vollständig ignoriert.

Dass hochqualifizierte und sachlich fundierte Analysen in einem Verfahren von solcher Tragweite keinerlei erkennbare Berücksichtigung finden, ist für uns nicht nachvollziehbar – und wirft ein weiteres beunruhigendes Licht auf die Qualität und Unabhängigkeit der Ermittlungen.

Wir stellen fest:

Die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft zeigen weder Unabhängigkeit noch den erkennbaren Willen, das Geschehene lückenlos aufzuklären.

Es entsteht der Eindruck, dass hier nicht mit aller gebotenen Konsequenz ermittelt wird – sondern vielmehr versucht wird, politische oder behördliche Verantwortung zu deckeln, anstatt sie einem unabhängigen Gericht zur Bewertung vorzulegen.

Wir fordern:

- die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen Jürgen Pföhler, die ernsthafte Prüfung aller von uns eingebrachten Beweise.

- die öffentliche Klarstellung der widersprüchlichen Aussagen zu Warnzeitpunkten und -mitteln

- den respektvollen Umgang mit den Angehörigen der Flutopfer – denn diese haben Anspruch auf Wahrheit, nicht auf Beschwichtigung

Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Justiz, Sie haben mit Ihrem Verhalten nicht nur die Grenzen des Anstands überschritten – Sie haben das Vertrauen, das trauernde Familien in einen funktionierenden Rechtsstaat setzen müssen, zutiefst verletzt.

Was uns hier seitens der Ermittlungsbehörden zugemutet wird – an Ignoranz, an Kälte, an Misstrauen – ist nicht nur unmenschlich, es ist beschämend.

In einer Zeit, in der wir Trost, Aufklärung und Mitgefühl bräuchten, begegnet man uns mit Distanz, Zweifel und Abwehr.

Das ist für uns kaum noch auszuhalten – und eines Rechtsstaats unwürdig.

Wir behalten uns weitere rechtliche und öffentliche Schritte ausdrücklich vor.

In tiefer Trauer

Ralph und Inka Orth

Eltern von Johanna Orth,

† 14. Juli 2021

Ahrweiler am Morgen des 15. Juli 2021. Foto: ROB

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