Diskussionsveranstaltung am Nürburgring zum Jahrestag der Flutkatastrophe

Ein Jahr nach der Flut:Landesregierung zieht Bilanz

Ein Jahr nach der Flut:
Landesregierung zieht Bilanz

Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei der Wiederaufbau-Veranstaltung am Nürburgring. Fotos: Staatskanzlei RLP / Jörg Halisch

Ein Jahr nach der Flut:
Landesregierung zieht Bilanz

Etwa 130 Gäste besuchten die Veranstaltung.

Nürburg/Kreis Ahrweiler. Knapp ein Jahr nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal zog die Landesregierung Rheinland-Pfalz Bilanz. „Was ist bereits geschehen? Was muss noch passieren?“, lautete die Fragestellung. Den passenden Rahmen für eine Rückschau bot eine Diskussionsveranstaltung am Nürburgring bei der auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz anwesend waren. „Gemeinsam bauen wir wieder auf“, erläuterte die Ministerpräsidentin das Motto. „Zusammen mit den Betroffenen, den Kommunen, dem Landkreis, Freiwilligen und professionellen Helfern und Helferinnen aus der Region und ganz Deutschland haben wir schon viel erreicht“, fasste Dreyer das bisher Geschehene zusammen.

Anträge sollen

schneller bewilligt werden

Bei der Veranstaltung wurden zunächst die finanziellen Auswirkungen der Flut thematisiert. Um den Wiederaufbau des Ahrtals zu gewährleisten, haben Bund und Länder 2021 ein Hilfspaket historischen Ausmaßes verabschiedet. Allein für die Beseitigung der Flutschäden in Rheinland-Pfalz wurden dabei 15 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, davon sei eine halbe Milliarden bereits bewilligt worden, so die Ministerpräsidentin. Auf die 4500 im kompletten Land Rheinland-Pfalz angemeldeten Einzelmaßnahmen zum Wiederaufbau der kommunalen Infrastruktur entfallen allein 2600 auf das Ahrtal - dies entspricht einem Kostenvolumen von 3,8 Milliarden.

Soforthilfen in Höhe von

167 Millionen Euro ausgezahlt

An Betroffene wurden zusätzlich Soforthilfen in Höhe von 167 Millionen Euro ausgezahlt. Weitere 500 Millionen Euro aus 11.000 Anträgen seinen an Wiederaufbauhilfe bewilligt worden. Dreyer: „Auch wir wollen, dass die Flutbetroffenen an das Geld kommen, das sie zum Wiederaufbau brauchen, deswegen intensivieren wir die Unterstützung bei der Antragstellung neben Telefon-Hot-Lines, Info-Points jetzt auch mit Hausbesuchen“, führte die Ministerpräsidentin aus. Laut ISB-Vorstandsmitglied Dr. Ulrich Link könne man Anträge noch bis Ende Juni 2023 stellen. Berechtigt seien sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen. Die Anfangsschwierigkeiten seien nun ausgeräumt worden, führte Link aus. Aufgrund von Neueinstellungen qualifizierten Personals und der Unterstützung von Mitarbeitenden der Landesregierung habe die Bewilligungskapazität deutlich erhöht werden können.

Städte und Dörfer

brauchen Flexibilität

„Die erfolgte Feststellung der Maßnahmenpläne ist ein wichtiger Meilenstein für den Wiederaufbau und gibt den Kommunen Planungssicherheit für die kommenden Jahre“, betonte Innenminister Roger Lewentz. Zum 30. September 2022 sollen die Maßnahmenpläne erstmalig fortgeschrieben und bei Bedarf ergänzt oder angepasst werden. „Die Städte und Dörfer brauchen die Flexibilität, ihre Vorhaben, wo nötig, anzupassen“, so Lewentz.

Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt blickte auf die Wiederaufbaumaßnahmen bei Brücken und Straßen zurück. „Bereits sechs Wochen nach der Flut hat der Landesbetrieb Mobilität ermöglicht, dass alle Ortschaften wieder über das Straßennetz erreichbar waren. Das war ein Schlüsselerfolg für viele Bereiche hier im Ahrtal: Viele grundlegende Wiederaufbaumaßnahmen waren überhaupt erst möglich, weil Handwerker die Orte erreichen konnten“, erläuterte Schmitt. Dennoch sei das Leben der Menschen an der Ahr noch immer von der Flut geprägt. „Deshalb habe ich Verständnis für alle, die sich wünschen würden, dass der Aufbau noch schneller vorangeht“, sagte die Ministerin. Daran, dass sich wieder mehr Normalität einstelle, arbeite man mit Hochdruck. Schmitt betonte, wie wichtig dabei die unkomplizierte, direkte Vergabe und wie zentral die Arbeit des LBM in Sinzig für den Straßen-, Brücken- und Radwegebau sei. Das schnelle Vergabeverfahren gelte bis heute und ermögliche es, auch Großprojekte wie den Neubau der B9-Brücke bei Sinzig in Rekordzeit voranzutreiben. Viel habe man erreicht, betonte Schmitt. Aber: „Doch dabei haben wir stets im Hinterkopf, dass es noch mindestens genau so viel zu tun gibt“, sagte Schmitt, und versicherte ihre weitere Unterstützung: „Gemeinsam wollen wir das Ahrtal wieder zu der einzigartigen und wunderschönen Region machen, die wir alle schätzen.“

Land und Bund sind gefragt

Ähnlich sieht es auch Cornelia Weigand, Landrätin des Kreises Ahrweiler. „Es ist viel passiert in diesem Jahr nach der Flutkatastrophe. Wir haben Unterstützung von vielen Seiten erhalten, dafür sind wir sehr dankbar. Aber die Zerstörung war immens und wir stehen an vielen Stellen noch am Anfang. Und es gibt weiterhin viele Fragen, die noch unbeantwortet sind. Wir wollen das Ahrtal nachhaltig und zukunftsgerichtet aufbauen. Dafür brauchen wir dringend gesetzliche Regelungen, die flexibel auf die unterschiedlichen Anforderungen in unserer Ausnahmesituation eingehen. Und wir brauchen eine Lösung dafür, wie alle erforderlichen Maßnahmen sinnvoll und schnell ineinandergreifen können. Hier sind das Land und der Bund gefragt. Nur gemeinsam im Schulterschluss mit allen Ebenen können wir die vor uns liegenden Aufgaben stemmen“, so Weigand.

Staatsektetärin Nicole Steingaß informierte über die Wiederherstellung der Energie- und Trinkwasserversorgung nach der Flut. Im Abwasserbereich wurde und wird die Kanalisation hochwassersicher ausgebaut. Zudem wurde sehr schnell ein Überschwemmungsgebiet ausgewiesen, um Planungssicherheit beim Wiederaufbau zu gewährleisten. „Bei allem Handeln war und ist klar, dass es nicht nur um Wiederherstellung, sondern auch um mehr Sicherheit und Nachhaltigkeit geht“, betonte Steingaß.

Klimaschutzministerin Katrin Eder informierte über die Verbesserung des Hochwasserschutzes. Ein Meilenstein sei gewesen, dass bereits Ende Oktober 2021 beschlossen wurde, ein gemeinsames ortsübergreifendes Hochwasservorsorgekonzept für die Ahr zu entwickeln. Dabei gehe es unter anderem um mehr Rückhaltepotenziale in der Fläche. „Nicht nur der technische Hochwasserschutz ist entscheidend, sondern auch ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen wie Umbau des Waldwegenetzes, eine bodenschonende Feldbewirtschaftung oder abflusshemmende Gehölzriegel. Um die Hochwasservorsorge zu verbessern, ist ein großes Maß an Kooperation notwendig“, sagte Eder. Deshalb werbe man anderem für die Gründung von kommunalen Gewässerzweckverbänden.

Kritik an Bürokratie

Im Rahmen der Veranstaltung hatten auch Betroffenne Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge auf die bisherigen Maßnahmen zum Wiederaufbau nach der Flut darzustellen. So beklagte IHK-Geschäftsführer Arne Rössel, dass viele Mitgliedsbetriebe die Antragsbürokratie und die schwerfälligen Entscheidungen des Landes bemängeln. Missiy Motown vom Helferstab kritisierte dass Behörden und freiwillige Helfer sinnvoller zusammenarbeiten sollten. Das gemeinsame Ziel sei schließlich, den Betroffenen im Ahrtal schnellstmöglich wieder ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Weitere Informationen

Ein Jahr nach der Flut hat die Landesregierung Rheinland-Pfalz eine ausführliche Broschüre zum Wiederaufbau herausgebracht. Auf 257 Seiten dokumentiert das Kompendium, was die vielen Helferinnen und Helfer, Landkreise, Gemeinden und Städte, die Hilfsorganisationen, die Wirtschaft, unzählige Initiativen und die Landesregierung in den zwölf Monaten nach der Flutnacht geschafft haben.

Die Broschüre „Ein Jahr Wiederaufbau in Rheinland-Pfalz“ steht unter wiederaufbau.rlp.de zum Download zur Verfügung.