Stadtrat leitet Genehmigungsverfahren für Windradbau im Harterscheid ein

Sinziger Windkraftprojekt bleibt umstritten

Sinziger Windkraftprojekt bleibt umstritten

Symbolbild. Foto: pixabay.com

Sinzig. Lange war in den verschiedenen Gremien kontrovers darüber diskutiert und mit unterschiedlichem Ergebnis abgestimmt worden. Nun musste der Sinziger Stadtrat entscheiden, ob das Genehmigungsverfahren in Form einer Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau von Windkraftanlagen im Waldgebiet Harterscheid tatsächlich eingeleitet werden soll. Auch unter den Stadtratsmitgliedern entbrannte darüber eine mitunter emotionsgeladene Debatte, die bis in die einzelnen Fraktionen hinein Differenzen offenbarte. Am Ende aber fand sich eine klare Mehrheit für den Antrag: Mit 23 Ja-Stimmen bei acht Gegenstimmen und einer Enthaltung beschlossen die Ratsmitglieder die Einleitung des Verfahrens.

Dass es bis zum letztlichen Bau der Windkraftanlagen trotzdem noch ein weiter Weg ist, ging aus den Erläuterungen von Kreisverwaltungsmitarbeiter Michael Schäfer hervor, der die Ratsmitglieder eingangs ausführlich über das bevorstehende Genehmigungsprozedere informierte. Selbst bei einer Genehmigung des Bauvorhabens durch die Kreisverwaltung als zuständige Immissionsschutzbehörde besteht seinen Ausführungen zufolge noch die Gefahr einer Klage gegen das Projekt: Es gebe einen umfassenden Rechtsschutz für den Antragssteller, aber auch für Einwohner und Verbände, erklärte Schäfer. „Um es auf den Punkt zu bringen: Als Genehmigungsbehörde können Sie sich heute eigentlich nur noch aussuchen, wer Sie beklagt.“

Von klarer Befürwortung bis strikter Ablehnung

Aber worum geht es eigentlich im Kern? Nach dem Willen der Stadtverwaltung sollen auf den städtischen Flächen im Harterscheid mehrere Windkraftanlagen errichtet werden. Für Bau und Zuwegung würden hierbei neun Hektar Wald in Anspruch genommen, von denen drei bis vier Hektar dauerhaft versiegelt blieben. Die Stadt verspricht sich davon zwei positive Effekte: Zum einen zusätzliche Einnahmen aus der Verpachtung der Flächen und einer Gewinnbeteiligung, zum anderen eine Reduktion der städtischen CO2-Emissionen um 21.000 bis 47.000 Tonnen bzw. 11 bis 26 Prozent.

In Anbetracht der Folgen des Klimawandels, dem auch die Flutkatastrophe in Teilen zugerechnet werden müsse, hob auch Martin Eggert (SPD) die Notwendigkeit einer Reduktion des CO2-Ausstoßes hervor. Die Produktion von Windenergie im Harterscheid beurteilte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten als „den wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, der uns hier in Sinzig möglich ist“. Sein Fraktionskollege Hans-Dietrich Laubmann sah dies als ein Gebot der Generationengerechtigkeit an: „Wenn wir diese Entscheidung jetzt nicht treffen, werden unsere Enkelkinder keine Chance mehr haben.“ Mit Verweis auf einen möglichen Importstopp von russischem Gas mahnte auch Dominik Graf von Spee (FDP) zur Eile. Ein Windrad werde nicht von heute auf morgen gebaut, betonte dieser und appellierte an seine Ratskollegen: „Lassen Sie uns diese Sache heute beschließen, damit wir das alles mal ans Laufen kriegen.“

Eine dezidiert ablehnende Haltung gegenüber dem geplanten Eingriff in den Harterscheid äußerte hingegen Volker Holy (CDU): „Man setzt fünf Tumore in eine gesunde Lunge“, befand er. Holy warnte davor, dass man nicht wisse, welche Auswirkungen dies etwa auf den Boden oder das Grundwasser habe. Ähnliche Töne schlug Ralf Urban (Bündnis 90/Die Grünen) an und riet „dringend davon ab, Bäume in einem funktionierenden und abgeschlossenen Waldbiotop für Windräder zu opfern“. Urban sorgte sich vor einer Schwächung des Waldes, die wiederum dessen Funktion, Starkregenereignisse aufzufangen oder das lokale Klima durch Frischluftzufuhr zu stabilisieren, mindere. Dennoch befürwortete er die Einleitung der Umweltverträglichkeitsprüfung, „da ich die Auswirkungen auf den Natur- und Artenschutz im Harterscheid verstehen möchte“.

Noch keine finale Entscheidung

Von mehreren anderen Ratsmitgliedern wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht um einen endgültigen Beschluss für oder gegen den Bau der Windkraftanlagen, sondern um ein genaueres Verstehen der Ausgangslage gehe. Hardy Rehmann (Bündnis 90/Die Grünen) unterstrich, dass lediglich ein Prozess gestartet werden solle, „der es uns als Stadtrat und als Verwaltung ermöglicht, eine Entscheidung zu treffen.“ Mit dem Wald auf der einen und den Argumenten für die Windkraft auf der anderen Seite sei es „eine Abwägung von zwei schützenswerten Gütern. Diese Abwägung zu machen, bedarf Fakten, und um diese Fakten zu bekommen, müssen wir diese Untersuchung machen“, so Rehmann. Auch Volker Thormann (FDP) sah dies als erforderlich an. „Dann können wir immer noch entscheiden, ob wir es machen oder nicht.“

Geht es nach Karl-Heinz Arzdorf (CDU) und Hartmut Tann (SPD), muss dabei aber die Sichtweise der Windkraftgegner, die sich in einstimmigen Beschlüssen der Ortsbeiräte Löhndorf und Franken gegen das Projekt niedergeschlagen hatte, ebenso berücksichtigt werden. „Selbst wenn so mancher diese Befürchtungen für subjektiv hält, sind sie gleichwohl bei der Bevölkerung in Franken und Löhndorf da und in den Abwägungsprozess einzubeziehen“, forderte Tann. Auf eine Mitnahme der Bevölkerung zielte auch ein von Hardy Rehmann gestellter Zusatzantrag ab. Darin wird die Stadtverwaltung aufgefordert, die Möglichkeiten einer Bürgerbeteiligung mit den Projektierern zu konkretisieren und diese aufzufordern, verbindliche Angebote hierfür vorzulegen. Dieser Antrag wurde von den Ratsmitgliedern mit 25 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme und 7 Enthaltungen verabschiedet.

Lüftung für die Barbarossaschule

Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung des Stadtrates war der Einbau einer Lüftung im Zuge der Kernsanierung der Barbarossaschule Sinzig. In ihrer Sitzung am 11. März hatte die AG Wiederaufbau sich für ein Standgerät mit Wärmerückgewinnung und ergänzender Kälteregulierung ausgesprochen. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rund 1,057 Mio. Euro – die zweitteuerste von fünf Lüftungsvarianten, deren Kostenspanne sich von 517.500 Euro für ein Stand Alone ohne Luftaustausch bis 1,65 Mio. Euro für eine zentrale Lüftung mit Wärmerückgewinnung erstreckt. Durch Fördergelder in Höhe von 211.500 Euro verringert sich der Eigenanteil der Stadt noch auf 846.000 Euro.

Reiner Friedsam (FWG) befürwortete diese Variante: Es sei trotz der höheren Kosten im Hinblick darauf, dass die Experten für den Herbst bereits die nächste Infektionswelle voraussagten, ein „ganz wichtiger Beitrag zum Schutz und für die Gesundheit unserer Kinder“ und „sinnvoll und nachhaltig investiertes Geld“. Hans-Dietrich Laubmann warnte aus seiner Perspektive als ehemaliger Lehrer dagegen vor der Nutzung eines nicht immer beaufsichtigten Standgerätes in Klassenzimmern. Die Entscheidung gegen den Einbau einer zentralen Lüftung, die dieses Problem nicht mit sich brächte, begründete Hans-Werner Adams als Sitzungsleiter in Stellvertretung für Bürgermeister Geron mit den hohen Brandschutzanforderungen bei einer solchen zentralen Lösung. „Das gibt viele Instandhaltungs- und Folgekosten“, so Adams. Letzten Endes entschied der Stadtrat sich mehrheitlich für das Standgerät.