Jetzt gibt es ein Wimmelbuch zur Flutkatastrophe
„Hätte, hätte, Eimerkette...“
Remagen. Jeder kennt die beliebten Wimmelbücher. Ali Migutsch hat 1968 mit seinem ersten Wimmelbuch ein neues Genre geschaffen. Seither sind viele in seine Fußstapfen getreten. Denn per Wimmelbuch lassen sich faszinierend viele Entdeckungen machen.
Bald erscheint ein besonderes Exemplar im Klett Kinderbuch Verlag, mit Szenen, die nicht den Alltag, sondern einen Ausnahmezustand widerspiegeln. Bille Weidenbach, 1975 in Bonn geborene, heute mit Familie in Ahrweiler lebende freie Illustratorin, hat sich an das schwierige Thema Flut getraut. Drei Jahre nachdem die Ahr gewaltig über ihre Ufer trat, menschliches Leid verursachte und materielle Schäden, kommt Mitte August „Hätte, hätte, Eimerkette Ein Bilderbuch von Flut, Mut und Wiedergut“ für Kinder ab fünf Jahren heraus.
„Ich hab halt während der ganzen Flutzeit viel erzählt bekommen“, sagt sie. „Freunde waren betroffen, denen haben wir geholfen“. Wer im Ahrtal zuhause ist, weiß, dass die Zerstörung, der Lärm und das Chaos alle Bewohner am Fluss in Atem hielt. Weidenbach startete mit ihren Handyfotos einen Spendenaufruf. Doch spürte sie irgendwann den Wunsch, in ihrem Feld, der Kinderbuchillustration, tätig zu werden.
Gedanken und Gefühle dosieren
Denn nicht nur den Erwachsenen überforderte die Katastrophe. Die Kinder litten ebenso. Viele ihrer Nöte blieben unbeantwortet. Gerade, weil die Worte gegenüber den Zumutungen dieser Zeit oft fehlten, ermöglicht es ein Wimmelbuch den jüngsten Buchfreunden, in eigener Auswahl, eigenem Tempo dem Unfassbaren nachzuspüren, Gedanken und Empfindungen dosiert zuzulassen.
„Kinder können viel wegstecken. Man braucht nicht alles von ihnen fernzuhalten. Ehrlich darüber sprechen und erklären, so haben wir es mit unseren Kindern gemacht“, sagt die Illustratorin. Im Schlimmen lassen sich sogar positive Effekte, wie der Zusammenhalt, ausmachen. Die hat Weidenbach natürlich deutlich herausgestellt, gleichfalls die Verbesserungen, die eine Wiederholung des Desasters verhindern sollen.
Zwar spielt sich das Geschehen nicht an der Ahr ab, sondern in einer anonymisierten Flussgegend, da Unwetter und Überschwemmungen auch andernorts drohen. Aber auch im Buch ist Sommerzeit. Camping, Badevergnügen, Pausenzeit für Schulkinder sind in Szene gesetzt.
Drama abgemildert
Auf 32 Seiten blättert das Buch Geschichten auf, die die Flut schrieb. Es wechseln sich Ortsansichten und ein Hausinneres ab, wo in verschiedenen Situationen gleiche Personen auftreten. Am Anfang ist noch alles in Ordnung. Dann setzt Regen ein, der gar nicht mehr aufhört. Die Menschen bringen Tiere in Sicherheit und sich selbst in höher gelegene Ortsteile oder auf die Dächer. Nachts fällt der Strom aus. Später wird das Ausmaß der Schäden sichtbar. Aber Hilfe eilt herbei. Viele Menschen packen mit an, alle stehen zusammen beim Wiederaufbau und feiern am Ende ein großes Helferfest.
Was das Ausmaß des Dramas angehe, sei das Buch „viel zu leichtfüßig, aber es ist ein Kinderbuch, da muss man nicht die ganz große Keule rausholen“, erklärt Weidenbach. „Unrealistisch und von Wunschdenken“ gesteuert sei auch das Tempo des Wiederaufbaus. Doch die Richtung stimmt und ermutigt: Der Zusammenhalt hat enorm geholfen. Zudem wird mit einigen Maßnahmen versucht, zukünftig die Wucht einer Überschwemmung abzumildern.
In seinem Vorwort erklärt auch Sven Plöger: „Gemeinsam können wir am meisten erreichen. Als Meteorologe weiß ich, dass wir lernen müssen, uns auf den Klimawandel einzustellen“. Das Bilderbuch schaffe bei Kindern „ein Bewusstsein dafür, ohne Panik zu schüren.“
HG