Zweite Zukunftskonferenz zum Wiederaufbau an der Ahr stellt neu festgesetzte Überschwemmungsgebiete vor
Keine neuen Baugebiete im Überschwemmungsgebiet
Menschen im Ahrtal sollen durch hochwasserangepasstes Bauen bestmöglich vor Fluten geschützt werden
Kreis Ahrweiler. Im Rahmen der Zweiten Zukunftskonferenz zum Wiederaufbau an der Ahr wurden insbesondere die neu festgesetzten Überschwemmungsgebiete für das Ahrtal vorgestellt. Die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten sei ein gesetzlicher Auftrag des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes, erläuterte Joachim Gerke, Abteilungsleiter bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord. „Die Behörden sind verpflichtet, für Gewässer mit signifikantem Hochwasserrisiko Überschwemmungsgebiete für ein Hochwasserereignis, das statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, durch Rechtsverordnung festzusetzen.“ Noch nicht final festgesetzte Überschwemmungsgebiete seien nach Vorgabe des Wasserhaushaltsgesetzes in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern, wie dies aktuell für die Ahrregion nach der verheerenden Starkregenkatastrophe umgesetzt werde.
„Die Sicherheit der Menschen vor Ort steht an erster Stelle. Wir müssen alle gemeinsam Sorge dafür tragen, dass die Menschen im Ahrtal bei einem wiederkehrenden Extremwetterereignis durch hochwasserangepasstes Bauen bestmöglich vor Fluten geschützt sind“, bemerkte die rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne). Dazu gehöre auch, dass in besonderen Gefahrenbereichen ein Wiederaufbau des eigenen Zuhauses nicht mehr möglich sei. Die Landesregierung stehe den Menschen vor Ort durch Förderung sowie Beratung zur Seite.
Keine neue Baugebiete im Überschwemmungsgebiet
Gerke nannte Einzelheiten zu den Überschwemmungsgebieten. Mit der vorläufigen Sicherung eines Überschwemmungsgebietes gelten demnach die gesetzlichen Beschränkungen des Wasserhaushaltsgesetzes. Damit seien neue Baugebiete und neue Bauvorhaben im Überschwemmungsgebiet grundsätzlich nicht möglich. Ausnahmen könnten durch die obere Wasserbehörde, die SGD Nord, nach Einzelfallprüfung zugelassen werden, wenn die im Wasserhaushaltsgesetz festgelegten Kriterien eingehalten würden. Für zerstörte Gebäude im vorläufig festgelegten besonderen Gefahrenbereich des Überschwemmungsgebietes werde allerdings eine Ausnahmegenehmigung und damit ein Aufbau nicht möglich sein. Gebäude im Überschwemmungsgebiet mit leichten Hochwasserschäden hingegen könnten renoviert werden. Auch die Instandsetzung von beschädigten Gebäuden mit größeren Hochwasserschäden sei möglich, soweit das Bestandsschutz bestehe. Ob diese bei einer Teilzerstörung vorhanden sei, hänge vom Umfang der notwendigen Erneuerung und vom Anteil der noch vorhandene Bausubstanz ab. Wenn etwa nur noch der Keller vorhanden sei, bestehe für das Gebäude kein Bestandsschutz mehr, so Gerke. „Ein Indiz für den Wegfall des Bestandsschutzes ergibt sich auch, wenn für das Gebäude eine neue Statik erforderlich ist.“
Rechtswirksame Bebauungspläne würden durch die Festsetzung eines Überschwemmungsgebietes nicht unwirksam. Allerdings könne für die Gemeinde eine Pflicht zur Änderung oder gar Aufhebung Bebauungsplanes bestehen. Bei der SGD Nord werde eigens eine Arbeitsgruppe Bauleitplanung eingerichtet, die die Kommunen bei der Suche nach möglichen Standorten für Ersatz-Baugebiete beraten unterstützen werde. Sie berate auch über die Möglichkeiten und Verfahrensabläufe der Bauleitplanung und begleiteten konkrete Bauleitplanverfahren, um schneller Verfahrensabläufe zu ermöglichen.
Hochwasserangepasst den Wiederaufbau planen
Zu der Frage, wie der Wiederaufbau im Einzugsgebiet der Ahr hochwasserangepasst geplant und durchgeführt werden kann, referierte Prof. Dr. Lothar Kirschbauer von der Hochschule Koblenz. In seinem Vortrag betonte er, dass die Menschen aufgrund der Klimaveränderung mit mehr Extremwetterereignissen rechnen müssten. In den Mittelgebirgen Deutschlands könne es daher häufiger zu Hochwasser und Sturzfluten, aber auch zu Niedrigwasser und Dürren kommen. Hierbei müsse immer das gesamte Einzugsgebiet eines Gewässers betrachtet werden.
Die von 20 Wissenschaftlern erarbeiteten fünf Prinzipien für klimasichere Kommunen und Städte ließen sich auch auf das Abteil übertragen. Demnach müsse zunächst das Frühwarnsystem verbessert und der Bevölkerungsschutz gestärkt werden, etwa durch multimodale Wasserstands- und Niederschlagsmesssysteme an den kleineren Gewässern sowie Warnsysteme mit Akkupufferung, aber auch regelmäßige Übungen und Informationen der Bevölkerung könnten der „Hochwasserdemenz“ entgegenwirken. Als zweites soll die Speicherfähigkeit in der Fläche gesteigert werden, etwa durch die Ausweisung dezentraler Rückhaltemaßnahmen oder die Tieferlegung von Straßen, so dass diese zeitweise als Notreserve genutzt werden könnten. Zudem sollten versickerungsfähige Flächen läge verstärkt eingesetzt und der Rückhalt in der Fläche und in den Weinbergen verbessert werden.
Kritische Infrastrukturen erfassen
Dritter Punkt sei die Durchsetzung eine Klimaprüfung von kritischen Infrastrukturen. Diese müssen zunächst erfasst und in einem Informationssystem zusammengefasst werden, das auch im gesamten Einzugsgebiet offline verfügbar und regelmäßig upgedatet werden müsse. Kritische Infrastrukturen seien etwa Feuerwehren, Krankenhäuser, Rettungsdienste, Pflegeeinrichtungen, Trafostationen oder Hochbehälter und vieles mehr. Als vierten Punkt nannte Kirschbauer die Förderung der Klimasicherheit von Gebäuden. Ähnlich der Förderung energieeffizienter Sanierungen solle der Objektschutz gegen Starkregen- und Hochwassergefahren ebenfalls durch den Bund gefördert werden. Zudem müssten die Starkregen- und Hochwassergefahrenkarten für jeden frei zugänglich sein. Abschließend sei auch der Gestaltung und Durchsetzungswille ebenso notwendig wie Kooperation und Solidarität sowie eine offene Kommunikation aller Beteiligten. „Hierbei sind auch die Abhängigkeiten und Auswirkungen untereinander zu beachten, so dass keine Kirchturmpolitik betrieben wird.“
Die Karten der Überschwemmungsgebiete und der dazugehörige Verordnungstext ist im Internet zu finden unter www.sgdnord.rlp.de/de/wasser-abfall-boden/wasserwirtschaft/hochwasserschutz/uesg/.
JOST