Der Wiederaufbau schreitet voran, aber Bürokratie verzögert Prozesse

Zwei Jahre nach der Flut: „Licht am Ende eines langen Tunnels“

Zwei Jahre nach der Flut: „Licht am Ende eines langen Tunnels“

Die Niederhutstraße am Morgen des 15. Juli 2021. Foto: ROB

13.07.2023 - 15:39

Bad Neuenahr-Ahrweiler.Zwei Jahre nach der Flut im Ahrtal zieht die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler eine verhalten positive Zwischen-Bilanz: „Viele Baumaßnahmen befinden sich aktuell in der Umsetzungsphase. Trotzdem ist der Wiederaufbau nicht so weit fortgeschritten wie wir es uns alle wünschen“, beschreibt Bürgermeister Guido Orthen die Situation in der Kreisstadt. „Aber wir sehen Licht am Ende eines langen Tunnels.“

Bei der verheerenden Flutkatastrophe waren im Juli 2021 allein im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler 75 Menschen ums Leben gekommen. Straßen, Brücken, Park- und Friedhofsanlagen, Kindergärten und Schulen wurden über Nacht zerstört und waren nicht mehr nutzbar. Der Gesamtschaden an der städtischen Infrastruktur betrug insgesamt rund 1,7 Mrd. Euro. Die notwendigen Sanierungen, Abriss und Neubau-Vorhaben umfassen einen Maßnahmenkatalog von über 1.400 Einzelprojekten, die die Stadtverwaltung gemeinsam mit der eigens gegründeten Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft auf Hochtouren vorantreibt.


Wiederaufbau mit Provisorien


Während unmittelbar nach der Flut die Priorisierung auf der Versorgung mit Wasser, Strom, Abwasser und Wärme lag, ist die zerstörte Infrastruktur heute größtenteils zumindest provisorisch wieder hergestellt. „Von den insgesamt 120 betroffenen Gebäuden der Stadt befinden sich aktuell mehr als 80 Prozent in der Sanierung oder im Neubau“, erklärt Guido Orthen.

Für viele Lebensbereiche gibt es Teilerfolge zu vermelden: Die städtischen Kindertagesstätten stellen inzwischen über 100 KiTa-Plätze mehr als vor der Flut zur Verfügung. Mit der Fertigstellung des Mittelplatzes im Apollinaris-Stadion kann seit Juni der erste Sportplatz im Stadtgebiet wieder genutzt werden. Auch das Radfahren ist im Stadtgebiet dank eines provisorischen Radweges wieder möglich. Parkanlagen wie der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Park laden zum Spazieren und Verweilen ein.


Einwohnerzahl steigt kontinuierlich


Auch die Innenstädte von Bad Neuenahr und Ahrweiler und den übrigen Stadtteilen sind inzwischen wieder belebt: So verzeichnete die Stadt mehr als 300 Neu- und/oder Wiedereröffnungen von Gewerbebetrieben mit dem Schwerpunkt Einzelhandel und Dienstleistungen, darunter viele Gastronomie- oder Gesundheitseinrichtungen. Zahlreiche Feste und Veranstaltungen konnten in diesem Jahr wieder stattfinden und sind für die zweite Jahreshälfte geplant, beispielsweise das Sommerkino oder auch die Klangwelle im Kurpark. „Wir freuen uns, dass das Leben in die Stadt zurückkehrt – und dass wir Feste und Veranstaltungen ausrichten können, dass immer mehr Touristen unsere Stadt besuchen, und dass auch unsere Einwohnerzahl wieder kontinuierlich steigt“, so Guido Orthen. Seit Sommer 2022 registriere das Einwohnermeldeamt im Durchschnitt 50 Neu- oder Wiederanmeldungen pro Monat. Der Bürgermeister geht davon aus, dass die Kreisstadt spätestens in drei Jahren wieder die ursprüngliche Einwohnerzahl von vor der Flut erreichen werde.

„Diese Fortschritte machen uns Mut und geben Zuversicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir zufrieden sein können mit dem Stand der Dinge“, stellt Guido Orthen klar. Die Menge und die Komplexität der Maßnahmen sowie die Abhängigkeiten von anderen Trägern verhinderten einen schnellen und effizienten Wiederaufbau. So müssten beispielsweise Vorhaben im Straßenbau stets auch mit Ver- und Entsorgern oder der Telekom abgestimmt werden. Und auch die Koordination der Zuständigkeiten zwischen Stadt, Kreis und Land koste nach wie vor zu viel Zeit. „Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger fragen sich, wieso wir auch zwei Jahre nach der Flut noch an Übergangslösungen arbeiten“, erläutert Orthen. „Aber Provisorien sind unbedingt erforderlich, um einen jahrelangen Stillstand in der Stadt zu verhindern.“


Verfahrenserleichterungen lassen auf sich warten


An vielen Stellen würden Prozesse unnötig in die Länge gezogen. „Das gesamte Ahrtal wartet dringend auf die versprochenen Erleichterungen durch die beschlossene Baugesetz-Novelle“, so Orthen. Der Kreis Ahrweiler müsse außerdem stärker für die zügige Abarbeitung und Genehmigung von Bauanträgen sorgen. „Hier fordern wir von den übergeordneten Behörden mehr Pragmatismus und eindeutige Verfahrenserleichterungen, um in den kommenden Monaten zügig voranzukommen“, so der Bürgermeister. Die flutbedingt nach wie vor hohe Auslastung der Mitarbeitenden werde durch zusätzlich geschaffene Stellen nur teilweise kompensiert. Der Fachkräftemangel sorge dafür, dass insbesondere in den technischen Bereichen und im Ingenieurwesen viele Stellen unbesetzt blieben.


Anpassung der Verwaltungsvorschrift gefordert


Auch die Finanzierung des Wiederaufbaus macht der Stadtverwaltung Sorgen. Der Hilfsfonds von Bund und Land übernimmt grundsätzlich nur den Wiederaufbau in den Zustand vor der Flut. Neuerungen und Verbesserungen muss die Stadt selbst tragen. Das betrifft nahezu sämtliche Bauvorhaben, angefangen vom geplanten Neubau der Ahr-Thermen über die Erweiterung der Kindertagesstätte Blandine-Merten-Haus bis hin zu kleineren Maßnahmen wie zusätzlichen Baumreihen in der Innenstadt. Bei allen Bauvorhaben hat zudem der Schutz vor den Folgen von Starkregen und Hochwasser oberste Priorität und muss ebenfalls einkalkuliert werden. „Wir wollen unsere Stadt nicht einfach nur wieder aufbauen, sondern wir müssen sie besser, effizienter und nachhaltiger machen“, stellt Guido Orthen klar. Die Finanzierung entsprechender Maßnahmen übernehme das Land wenn überhaupt bislang nur teilweise und nach aufwendiger Prüfung. „So können wir nicht planen“, erklärt Orthen. „Deshalb brauchen wir eine entsprechende Anpassung der Verwaltungsvorschrift. Sollte dies nicht umsetzbar sein, müssen Bund oder Land einen Sondertopf für die Co-Finanzierung von erforderlichen Maßnahmen, die der Wiederaufbaufonds nicht abdeckt, bereitstellen.“


Dank an Bürgerinnen und Bürger


An die Bürgerinnen und Bürger von Bad Neuenahr-Ahrweiler richtet Bürgermeister Guido Orthen einen besonderen Dank. „Die vergangenen zwei Jahre haben den Menschen in dieser Stadt sehr viel abverlangt. Viele von ihnen sind müde und mürbe. Ich wünsche mir von Herzen, dass wir trotz allem Ärger, den wir teilen, auch die Hoffnung teilen. Und ich danke allen, die dazu beitragen, unsere Heimat wieder aufzubauen, auch den zahlreichen Helferinnen und Helfern, die die Menschen im Ahrtal bis heute unterstützen!“

Die Stadt möchte ihre Bewohnerinnen und Bewohner künftig noch stärker in die Wiederaufbau-Prozesse einbinden. Der Austausch mit der Verwaltung soll bei verschiedenen Beteiligungsformaten, Baustellenbesichtigungen und beim Feiern von Fortschritten und Erfolgen intensiviert werden. Bis zum Herbst solle beispielsweise ein Fahrplan für die weiteren Tiefbauarbeiten in den Innenstädten stehen, der den Betroffenen Planungssicherheit bietet. „Ein respektvoller und offener Dialog aller Beteiligten ist die Grundvoraussetzung, um diese Mammutaufgabe gemeinsam zu schaffen“, so Bürgermeister Guido Orthen.

Weitere Beiträge zu den Themen

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Pro Mendig zu Gast im Rathaus der Verbandsgemeinde

Bürgerbüro, Amt-O-Mat und mehr

Mendig. Seniorinnen und Senioren von Pro Mendig haben das Rathaus der Verbandsgemeinde Mendig besucht, um unter anderem das neue Bürgerbüro und den sogenannten Amt-O-Mat kennenzulernen. mehr...

Angebote für von Gewalt betroffene Frauen reicht nicht aus

Eindringlicher Appell an Abgeordnete

Westerwaldkreis. Mit einem aufrüttelnden Brief an die Bundes- und Landtagsabgeordneten der Region versuchen die Mitglieder des „Runden Tisch gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen Rhein-Westerwald“ (RRT) derzeit auf die prekäre Situation in diesem Bereich hinzuweisen. Ausschlaggebend war die Ankündigung des Frauennotrufs Koblenz, Frauen aus dem Landkreis Neuwied künftig nicht mehr zu beraten.... mehr...

Event+
 

Foodtrailer-Team sammelt über 400 Euro für trauernde Kinder

Spendenschwein bei zwei Aktionen gefüttert

Neuwied. Das Team des Foodtrailers Neuwied sorgt immer wieder dafür, dass bei öffentlichen Veranstaltungen Besuchern und Gästen leckere Speisen angeboten werden können. So auch bei der Eröffnung des Streetballfeldes und dem Start des Bauspielplatzes in Neuwied. Hier wurden nicht nur die vielen kleinen und großen Besucher satt. Auch der Bauch eines Spendenschweinchens wurde reichlich gefüllt. Dieses... mehr...

Ausflug der SPD Feldkirchen nach Darmstadt

Zu Gast in der Wissenschaftsstadt

Neuwied/Darmstadt. Unter dem Motto „Kultur und Politik“ führte der diesjährige Ausflug der Feldkirchener Sozialdemokraten unter der Leitung der OV-Vorsitzenden Hannelore Gröhbühl nach Darmstadt. Dort empfing der Oberbürgermeister Hanno Benz die Teilnehmer im Magistratssaal des Neuen Rathauses. Eindrucksvoll berichtete Hanno Benz über die Entwicklung seiner hessischen Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg über 80 Prozent zerstört war. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
Polizei fahndet öffentlich nach zwei per Haftbefehl gesuchten Tatverdächtigen

Autobahnrastplatz „Logebachtal-West“ bei Bad Honnef: Beschuldigte stachen mehrmals mit Messern zu

Polizei fahndet öffentlich nach zwei per Haftbefehl gesuchten Tatverdächtigen

Bad Honnef. Bei einer Auseinandersetzung auf dem Gelände des Rastplatzes „Logebachtal- West an der A3 am 17.07.2024 waren ein 51-jähriger Mann und seine 50-jährige Ehefrau schwer verletzt worden: siehe https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/7304/5825547 mehr...

Minderjährige krachen in geparkte Autos und flüchten

Sachschaden über 50.000 Euro: Jugendliche verursachen Unfall in Sankt Augustin

Minderjährige krachen in geparkte Autos und flüchten

Sankt Augustin. Ein lauter Knall schreckte Freitagmorgen, 26. Juli um 4.45 Uhr Anwohner der Martinstraße in Sankt Augustin-Menden aus dem Bett. Ein grauer Geländewagen war in Höhe der Hausnummer 63 von der Fahrbahn abgekommen und gegen drei vor dem Haus geparkte Autos geprallt. mehr...

12-jähriger und zwei Erwachsene verletzt

Schlägerei am Rheinufer in Rüngsdorf: Polizei sucht Zeugen

12-jähriger und zwei Erwachsene verletzt

Bonn-Rüngsdorf. Am Donnerstag, 25. Juli, 21:45 Uhr, wurde der Bonner Polizei über den Notruf 110 eine Schlägerei am Fähranleger an der Austraße in Bonn-Rüngsdorf gemeldet. Nach Angaben des Anrufers würden dort etwa 10 Personen aufeinander einschlagen. mehr...

Dringender Handlungsbedarf bei der L83

Torsten Welling (CDU) stellt Kleine Anfrage zu Straßensanierungen in der Vordereifel

Dringender Handlungsbedarf bei der L83

Vordereifel. Bereits Anfang des Jahres trafen sich Vertreter der CDU-Vordereifel und VG-Bürgermeister Alfred Schomisch mit dem Landtagsabgeordneten Torsten Welling zum Ortstermin, um den Zustand der Straßen... mehr...

Installation neuer Parkscheinautomaten startet

Neues zur Parkraumbewirtschaftung in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Installation neuer Parkscheinautomaten startet

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Drei Jahre nach der Ahrflut soll im Stadtgebiet die Parkraumbewirtschaftung wiederaufgenommen werden. Nach Planungen der Stadtverwaltung werden in der ersten Augusthälfte auf den Parkplätzen neue Parkscheinautomaten aufgestellt. mehr...

Wiederaufbau der Heppinger Brücke startet bald

Mit dem Baustart der ersten drei Brücken stehen in diesem Jahr noch drei Meilensteine im Wiederaufbau an

Wiederaufbau der Heppinger Brücke startet bald

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Mit dem Baustart der ersten drei Brücken stehen in diesem Jahr Bad Neuenahr-Ahrweiler noch drei Meilensteine im Wiederaufbau an. Den Anfang macht die Heppinger Brücke in der ersten August-Hälfte bei einer erwarteten Bauzeit von 1,5 Jahren. mehr...

Ein Fest für die ganze Gemeinde

„RaiBa Sportwoche“ beim SV Rot-Weiß Merl

Ein Fest für die ganze Gemeinde

Merl. Vom 18. bis 21. Juli 2024 verwandelte sich das Sportgelände des SV Rot-Weiß Merl in ein Mekka für Fußballbegeisterte und Feierlustige. Die alljährliche, nach dem Hauptsponsor benannte „RaiBa Sportwoche“... mehr...

VfB Linz: Starke Gegner, weite Wege

Fußball-Rheinlandliga 2024/2025: Die Kaiserberger starten in einer neuen Umgebung

VfB Linz: Starke Gegner, weite Wege

Linz. Nach dem überzeugenden Aufstieg in die Fußball-Rheinlandliga startet der VfB Linz in einer neuen Umgebung, deren Zusammensetzung sich zur neuen Saison erheblich verändert hat. Sechs raus, sechs rein – ein Drittel der Verbandsliga wurde ausgetauscht. mehr...

Feierliche Eröffnung der neuen Tennis-Ganzjahresplätze

Abteilung Tennis des TuS 1926 Kehrig e.V.

Feierliche Eröffnung der neuen Tennis-Ganzjahresplätze

Kehrig. Nach langer Planungs- und Vorbereitungsphase und nach großem Einsatz der Mitglieder der Tennis-Abteilung des TuS Kehrig e.V. in den letzten Monaten, konnten am Samstag, 13. Juli endlich die beiden neuen Ganzjahres-Tennisplätze offiziell eröffnet werden. mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare

Sportplatz wird eröffnet

Bruno Müller:
Wo ist der beigefügte Flyer ? Wo findet man den ? Was ist Freitag und Samstag für ein Programm ? Viele offenen Fragen die einige interessieren würden . ...

Erwin Rüddel: Straßen stärken

Helmut Gelhardt:
Die Unterhaltung und Sanierung vorhandener, erforderlicher Straßen ist selbstverständlich richtig. Immer mehr neue Straßen führen jedoch nicht zur Verkehrsentzerrung (was vernünftig wäre!), sondern zu immer und immer mehr Straßenverkehr. Es ist erforderlich, dass der Gütertransport mehr und mehr auf...
Amir Samed :
Man kann zu den Ausführungen von Hr. Rüddel stehen wie man möchte, aber die Weltuntergangs-Prognosen vom "Club of Rome", welche 1972 von Kapitalismuskrotikern kolportiert wurden, sind und wollen einfach nicht eintreten. Es liegt einfach daran, dass diese Leute die Entwicklung der Menschheit, in welche...
Helmut Gelhardt:
Herr Erwin Rüddel, MdB (CDU), hat sich absolut redlich den Titel ' Mega-Bodenversiegelnder-Straßenverkehrs-Dinosaurier der Dekade ' verdient. Herr MdB Rüddel hat den "Club of Rome" auch nach mehr als 50 Jahren noch nicht verstanden bzw. will ihn nicht verstehen: "In einer endlichen...
Amir Samed:
Das desaströse "Heizungsgesetz" wurde auch mit den Stimmen der FDP im Bundestag verabschiedet. Damit stehen nicht zuletzt durch die abnorm hochgesteuerten Energiekosten Millionen Menschen vor existenziellen Problemen. Die Heizungsgesetze treiben Hausbesitzer in eine historische Schuldenfalle. Sämtliches...
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service