Das Schuhhaus Rollmann wurde an zwei Orten im Stadtgebiet Bad Neuenahr-Ahrweilers massiv beschädigt – Aufgeben ist dennoch keine Option

„Wir sehen jeden Tag Lichtblicke!“

„Wir sehen jeden Tag Lichtblicke!“

Gisela Dieringer und Brigitte Gafinen mit einem alten Herrenschuh: „Gegenüber der Stadt haben wir eine Verpflichtung.“ Foto: ROB

Bad Neuenahr. Im Schuhgeschäft von Gisela Dieringer und Birgit Gafinen sieht es wüst aus. Das ist wenig verwunderlich, denn das Schuhhaus Rollmann befindet sich in der Hauptstraße und somit im Herzen von Bad Neuenahr. Trotz der Entfernung zur Ahr schlugen hier die Wassermassen richtig zu. Und eigentlich sieht es sogar gut aus, zumindest im Vergleich zu dem Bild, das die beiden Einzelhändlerinnen kurz nach der Flut vom 14. auf den 15. Juli erwartete. Mittlerweile laufen hier die Bautrockner auf Hochtouren, das Geschäft ist entkernt und Handwerker sind mit dem Aufbau beschäftigt. Am Anfang sah das ganz anders aus. „Ein großer Teil unserer Verkaufsfläche befand sich im Keller,“ sagt Gisela Dieringer. Das Ergebnis nach dem Hochwasser war desaströs: Kein Schuh, den die beiden aus dem Kellergeschoss aus dem Schlamm bargen, war noch zu gebrauchen. Wasser und Schuhe wollen sich eben nicht vertragen. Etwa 80 Zentimeter stand das Wasser dann noch im Erdgeschoss. „Das geht ja eigentlich“, sagten sich die beiden. Doch eine Tatsache wurde Dieringer und Gafinen schnell bewusst: Wo das Wasser stand, ist alles kaputt. Boden, Wände – alles muss nun erneuert werden. Noch schlimmer sah es in Ahrweiler aus. In der Altstadt haben die Einzelhändlerinnen ebenfalls ein Schuhgeschäft. Dort sieht die Lage noch desolater aus. Die Schaufenster sind geborsten und praktisch alles ist zerstört. Überall in Ahrweiler lagen die Schuhe von Rollmann, denn die Fluten trugen sie in jede engste Gasse.

„Schlechtes Gefühl“ am Vortag der Flut

Mit dem Ausmaß der Katastrophe haben beide nicht gerechnet, auch nicht am Vortag der Flut. Brigitte Gafinen war zu dem Zeitpunkt im Urlaub und „hatte irgendwie ein schlechtes Gefühl,“ wie sie rückblickend sagt. Freunde und Verwandte hielten sie per Handy auf dem Laufenden und schnell stand fest, dass etwas Großes in ihrer Heimat vor sich ging. Schnell reagierte Gafinen und informierte die Zulieferer und bestellte Waren ab.

Gisela Dieringer steckte nach der Flut ebenfalls in einem Dilemma. Denn ihr Fokus lag zunächst auf dem Privathaus der Familie. Das Gebäude wurde so stark getroffen, dass die Familie zunächst in einer Notunterkunft einquartiert werden musste. Vorher wurde Dieringer evakuiert: In einer Baggerschaufel hob man sie aus ihrem gefluteten Haus.

Erst am Montag nach der Flut inspizierten sie ihr Geschäft in der Hauptstraße. Der Schock war groß, doch es blieb ihnen nichts anderes übrig, als anzupacken. Alles musste raus, denn, wie erwähnt, war kein einziger Schuh mehr zu gebrauchen. Also wurden die Ware bergeweise auf die Straße geräumt. Die Schuhe waren dabei nicht nur voll mit Schlamm. Im Keller stand der Heizöltank mit einem Volumen von 8000 Litern. Somit schwamm alles in einem Gemisch aus Wasser, Dreck und Öl – ein echter Flurschaden.

Gisela Dieringer machte bei den Aufräumarbeiten eine Erfahrung, die sie nachhaltig mitnahm und wütend machte. „Allein die kaputten Schuhe auf einem Haufen zu sehen, war schon sehr schlimm,“ erinnert sie sich. „Und dann begannen auch noch Plünderungen“, fügt Dieringer hinzu. Tatsächlich bedienten sich zwielichtige Gestalten an dem eigentlich kaputten Schuhwerk, das draußen vor dem Geschäft lag. Anzufangen war damit nichts mehr. Dass es jedoch Menschen gab, die das Elend von anderen ausnutzten, ließ die beiden Bad Neuenahrer Unternehmerinnen ratlos und zornig zurück.

So ärgerlich diese Erfahrung auch war, umso mehr überwiegen die positiven Erfahrungen. In guter Erinnerung bleiben die Einsatzkräfte vom THW. Die rückten mit großem Gerät an und pumpten den verschlammten Keller leer. Auch die Bundeswehr packte tatkräftig mit an. Gerade von diesem Einsatz waren die beiden begeistert: Da stimmte nämlich nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch das Menschliche. Für die örtlichen Betriebe gibt es ebenfalls nur lobende Worte. „Die Mitarbeiter der Ahrtal-Werke waren jeden Tag und rund um die Uhr im Einsatz“, so Dieringer und Gafinen. Ziel der Arbeiter war es, die Fernwärmeversorgung im schwer vom Hochwasser getroffenen Bad Neuenahr wieder herzustellen. Das gelang: Nach vergleichsweise kurzer Zeit stand das Netz wieder. Weitere tatkräftige Hilfe gab es von der Einkaufsvereinigung. Die Kolleginnen und Kollegen starteten einen Spendenaufruf zugunsten der Bad Neuenahrer Schuhhändlerinnen. Auch das Branchenmagazin Markt intern setzte sich für das Schuhhaus ein. „Besonders berührend war eine Vertreterin für Pflegemittel für Schuhe“, erinnert sich Dieringer. „Die Dame hat sich so ins Zeug gelegt, dass plötzlich zwei Männer aus Hamburg mit Baggern zum Helfen zu uns kamen.“ Geschichten, die die beiden Händlerinnen aus Bad Neuenahr wohl niemals vergessen werden.

Aufgeben steht nicht zur Debatte

Für die beiden Inhaberinnen des Schuhhaus Rollmann mit seiner fast 150-Jährigen Tradition ist jeder Tag ein kleiner Lichtblick. Auch wenn es nur Kleinigkeiten sind, wendet sich vieles zum Besseren. „Gerade haben wir draußen Marmorfliesen sauber gemacht“, sagt Gafinen. Und Dieringer ergänzt: „Das ist ein wenig wie eine Therapie für uns.“ Denn Aufgeben - und somit vor der Zerstörung kapitulieren - ist keine Option. Vielmehr sieht man die Flut als Chance. „Jetzt haben wir die Möglichkeit, vieles neu zu denken und unsere Träume zu verwirklichen,“ lautete das einhellige Fazit. Kreativer und spezialisierte möchten sich die beiden in der Zukunft präsentieren. „Wir haben die Möglichkeit, unser Geschäft neu zu denken.“ So gibt es Überlegungen, auch wieder einen zweiten Laden zu eröffnen. In Ahrweiler soll der aber nicht sein, aber ein zweites Geschäft in Bad Neuenahrer wäre ein schöne Sache. Die beiden möchten so schnell wie möglich weitermachen. Deshalb bemühen sich Gafinen und Dieringer um eine Ladenlokal in der Pop-Up-Mall, die gerade auf dem Moses-Parkplatz entsteht. Die Pläne für die Zukunft sind also da. Und Aufgeben war nie eine Option. „Selbst als hier alles verschlammt und kaputt war, haben wir keine Sekunde ans Aufhören gedacht“, so die Unternehmerinnen. Einen Grund liefern Dieringer und Gafinen gleich hinterher. „Unser Schuhhaus gibt es hier seit fast 150 Jahren – wir haben auch eine Pflicht gegenüber den Menschen und der Stadt“, sagen Gisela Dieringer und Brigitte Gafinen. „Und deshalb machen wir weiter.“