Der Ortsvorsteher von Heppingen, Klaus Kniel, zieht ein ernüchterndes Fazit aus der Hochwassernacht

„Der Krisenstab arbeitete wie eine Amateurtruppe!“

„Der Krisenstab arbeitete wie eine Amateurtruppe!“

Heppingen am Morgen nach der Flut. Foto: Klaus Kniel

„Der Krisenstab arbeitete wie eine Amateurtruppe!“

Was der Krisenstab nicht schafft, regelt die Ortsgemeinschaft: In Heppingen organisierten sich die Helfer selbst. Klaus Kniel (Hintere Reihe, 2.v.l.) ist darauf sehr stolz.Foto: ROB

„Der Krisenstab arbeitete wie eine Amateurtruppe!“

Im Bürgerhaus in Heppingen gibt es viele Hilfsgüter für Flutbetroffene.Foto:ROB

Heppingen. Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli hat das Ahrtal verändert. Und auch in Heppingen sind die Zerstörungen durch die Flutkatastrophe gravierend. Wer derzeit über die B266 in den kleinen Ortsteil Bad Neuenahr-Ahrweilers fährt, sieht auf der linken Seite gleich hinter dem Bahnhof von Heimersheim das Ausmaß der Zerstörung. Im dortigen Neubaugebiet markiert im ersten Stockwerk immer noch eine feine Linie aus Schlamm den Pegelstand in der Schicksalsnacht. Heute, ein Monat danach, sitzt Klaus Kniel, der Ortsvorsteher Heppingens im Bürgerhaus. Erschöpft, aber mächtig stolz auf seine Mitbürger. Denn dort in Heppingen beweisen die Einwohner Zusammenhalt. Hier wurde ein Hilfslager eingerichtet, es gibt alles Mögliche von Babynahrung bis zum Kühlschrank, Putzmaterial und Zahnpasta – ein ausgefeiltes Netzwerk von Kontakten und die massive Hilfsbereitschaft macht es möglich. Auch Duschmöglichkeiten sind vorhanden und ein Platz zum Verschnaufen bei einem Kaffee ist dank einer aufgestellten Biergarnitur ebenfalls möglich. Wer Hunger hat, braucht nur in die nahe Konsumgasse zu gehen. Hans Stefan Steinheuer hat hier seine Feldküche aufgeschlagen. Heißes Essen - mal Gulasch, mal Eintopf - gibt’s hier zweimal täglich für alle, die Hunger haben.

Lebendige Ortsgemeinschaft

Der Zusammenhalt im Ort funktioniert, weiß Kniel. „Unsere Gemeinschaft ist in der Krise gewachsen“, sagt er. „Und unser Dank geht an die vielen freiwilligen Helfer, Landwirte und Bauarbeiter“, so Kniel. Nur durch den Gemeinschaftsgeist habe man es so gut durch die Anfangszeit geschafft. Besonders gut erinnert er sich an einen Bauern aus Borken. Der schickte nach getaner Arbeit eine Kurznachricht nach Heppingen: „Danke, dass wir Euch helfen durften.“ Kniel ist gerührt von diesem Einsatz.

Die Arbeit des Krisenstabs betrachtet er ebenfalls emotional – aber sicher nicht mit Wohlwollen. „Der Krisenstab arbeitet wie eine Amateurtruppe!“, sagt er. Einen Beweis liefert er gleich hinterher. „Es dauerte fünf Tage, bis wir hier einen Polizisten gesehen haben.“ Und somit taten die Heppinger das, was nötig war. „Unter dem Radar arbeiten“, heißt das hier. Deshalb schlüpften manche Bürger in die Rolle von Verkehrspolizisten. Denn die unkontrollierten Massen von anreisenden Helfern und ratlosen Anwohnern musste in geordnete Bahnen gebracht werden. Alle Ortsvorsteher haben genauso gehandelt, sagt er. In einer WhatsApp-Gruppe organisierten sich in die Stadtteilchefs und auch ein Mitarbeiter der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler ist dabei. Auf städtischer Ebene funktionierten also die Absprachen – und wie immer alles „unter dem Radar“.

Dass der verantwortliche Krisenstab die Ausmaße der sich anbahnenden Katastrophe nicht auf dem Schirm hatte, ist für Kniel völlig unverständlich. Er selbst habe bereits am 13. Juli nach Warnungen in Nachrichtensendungen geahnt, dass etwas Großes auf das Ahrtal zukommen wird. Zu diesem Zeitpunkt war Kniel im Urlaub und machte sich anhand der prognostizierten Wetterlage am gleichen Tag auf in die Heimat. Das etwas passiert, war ihm also klar. Aber er vermutete, dass der Leimersdorfer Bach über die Ufer tritt und sich als Welle über Heppingen ergießt. Mit diesem Szenario haben die Heppinger Erfahrung. Doch es kam anders und die Wassermassen drängten von der Ahr aus in den Ort. Mit katastrophalen Folgen: Häuser wurden fortgerissen als wären sie aus Papier. Drei Menschen starben allein in Heppingen.

„Die Menschen hätten nicht sterben müssen!“

Und Kniel ist sich sicher: „Diese Menschen hätten nicht sterben müssen!“. Dass Zerstörungen wie in Schuld und Altenahr nicht zu vermeiden waren, sei leider eine traurige Wahrheit. Aber bis die Flut Heppingen erreichte, vergingen Stunden. Genügend Zeit, um die Menschen aus den Häusern zu retten. Für Kniel ist das der gröbste Fehler in ganzen Katastrophe. Auch eine Alarmierung der Feuerwehren hat nicht durch eine zentrale Stelle stattgefunden.

Der Löschzug der freiwilligen Feuerwehr im Ort habe noch versucht selbständig die Menschen zu warnen. Jedoch ohne echten Erfolg. Das liegt zum einen an der mangelhaften Ausrüstung. „Die Feuerwehrfahrzeuge haben nur ein Martinshorn und keinen Lautsprecher“, sagt der Ortschef. Immerhin gibt es in Heppingen noch eine Sirene. Aber viele Menschen konnten das Alarmsignal gar nicht hören. Denn als die Sirene um etwa 21 Uhr warnte, rauschte das Wasser der nahen Ahr bereits zu laut und übertönte die akustische Warnung. Für Kniel ist klar: Es braucht wieder mehr Sirenen im Land.

Katastrophenschutz muss sich radikal ändern

Irgendwann kamen dann auch amtliche Hilfskräfte in Heppingen an. Teilweise waren die Männer und Frauen, die zum Helfen kamen, ebenfalls frustriert. Kniel erinnert sich: „An der Kirche standen Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr Mainz, die wussten gar nicht wohin.“ Der Ortvorsteher kennt auch Geschichten, in denen Sanitäter tagelang am Nürburgring auf einen Einsatz warteten – und dann unverrichteter Dinge wieder abzogen. Das sorgt für Frustration unter der Helfern, aber natürlich auch den Anwohnern, deren Keller unter Schlamm standen.

Alles in allem bleibt für Kniel nur ein Fazit: „Der Katastrophenschutz muss sich radikal ändern.“ Und: „Wir brauchen wieder Menschen wie Altkanzler Helmut Schmidt damals bei der Sturmflut in Hamburg. Menschen, die auch mal am Stab vorbei arbeiten, wenn es notwendig ist.“ Unter dem Radar eben, wie Kniel es ausdrückt. ROB