Volker Risse aus Bad Hönningen reiste an die slowakisch-ukrainische Grenze,um Kriegsflüchtlingen zu helfen - und brachte 22 Geflüchtete mit in den Westen

„Ich musste einfach etwas machen“

„Ich musste einfach etwas machen“

Volker Risse mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Foto: privat

„Ich musste einfach etwas machen“

Alltagsszenen an der slowakisch-ukrainischen Grenze. „Es war ungewöhnlich ruhig,“ sagt Risse. Foto: privat

Bad Hönningen/Sinzig. . Als Volker Risse von dem unermesslichen Leid der Menschen in der Ukraine hörte, wusste er sofort: „Hier muss ich etwas machen.“ Dabei hatte der Bad Hönninger, der eigentlich aus Sinzig stammt, eine ruhige Zeit vor sich. Denn der Überfall der russischen Armee auf die Ukraine fiel genau in seinen Urlaub. Doch eines schockierte Risse besonders: Als der russische Präsident Putin verlautbaren ließ, seine Atomstreitkräfte in Bereitschaft versetzen zu lassen. „Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas in unserer Welt überhaupt möglich ist,“ blickt er zurück. Seinem Vorsatz, den kriegsgeplagten Menschen zu helfen, blieb er treu. Nach der Urlaubs-Auszeit ging es dann los. Risse organisierte einen privaten Konvoi, bestehend aus sechs Pkw. Das Ziel: die slowakisch-ukrainische Grenze. Im Gepäck hatte er eine Menge Dinge, die die vor dem Krieg geflüchtete Menschen dringend brauchten und immer noch brauchen . „Von Medikamenten, Babynahrung und Powerbanks bin zu Damenhygienartikel war alles dabei“, blickt er zurück. Diese bestimmten Hilfsgüter hatte er nicht aus reinem Bauchgefühl eingepackt. Per Telefon erkundigte er sich bei Verantwortlichen des Roten Kreuzes und der Caritas, welche Art von Hilfsmitteln überhaupt benötigt würden. Das erleichterte sein Vorhaben enorm und gleichzeitig hatte Risse Ansprechpartner gefunden, die er aufsuchen konnte, sobald er erst einmal an der Grenze sein würde. „Einfach so“ loszufahren, sei eine schlechte Idee, wie er sagt, und eine gute Organisation das Wichtigste.

Viele Spenden aus dem Ahrtal

Doch zunächst mussten die Hilfsgüter organisiert werden. Dazu gründete Volker Risse eine WhatsApp-Gruppe und lancierte Artikel in der lokalen Presse. Die Resonanz war gigantisch und die Hilfsbereitschaft enorm. Besonders aus Sinzig, aus Risses alter Heimat. Viele Spenden kamen von Menschen, die von der Flut betroffen waren. „Mir kam es manchmal so vor, als wollten die Menschen nun etwas zurückgeben“, vermutet er. Denn auch nach der Flut war die Hilfsbereitschaft und die sprichwörtliche SolidAHRrität gigantisch. „Es ist schön, zu sehen, dass diese Einstellung auch nun bei den Menschen aus der Ukraine, die unsere Hilfe dringend benötigen, weitergeht.“

Stille im Grenzgebiet

Als Risse und seine Mitstreiter nach einer langen Fahrt an die Grenze zur Ukraine kamen, fanden sie ein überraschendes Bild vor. Eigentlich stellten sie sich vor, dass überall Trubel und Aufregung herrschen musste. Doch an der Grenze war es ganz still. Wahrscheinlich hatten sie einen ruhigen Tag erwischt. So konnten die Helfer zumindest in Ruhe ihre Hilfsgüter ausladen, die übrigens nicht nur an Geflüchtete gingen, sondern auch an die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen vor Ort. Denn auch Rotkreuz-Helfer brauchen Powerbanks, um weiter arbeiten zu können. „Das ist eine Tatsache, die viele gar nicht auf dem Schirm haben. Hatte ich auch nicht“, meint Risse, der zunächst schon etwas komisch geguckt hat, als mancher Helfer sich einige der aufladbaren Akkus eingesteckt hatte. Mittlerweile hat er das aber verstanden: Auch die Helfer brauchen Unterstützung.

Menschenhandel

ist ein großes Problem

Hilfsgüter an Flüchtlinge zu bringen, war die eine Sache. Aber Risse wollte auch Menschen direkt mit in den Westen nehmen. Hier merkte er auch, wie wichtig im Vorfeld der Kontakt zu den Organisationen vor Ort war. „Man kann da nicht einfach hinfahren und Leute einladen“, sagt er. Und das ist auch gut so, denn Menschenhandel sei ein großes Thema. Insgesamt nahm sein Konvoi 22 Personen mit in den Westen. Schnell merkte Risse, dass die Flüchtlingsbewegung eine ganz andere war als die Flüchtlingskrise 2015. Viele der Ukrainer hatten sich bereits im Vorfeld darum gekümmert, wo sie unterkommen konnten. Freunde und Verwandte warteten bereits und dies in ganz Deutschland verteilt. Lag der entsprechende Zielort grob auf der Route zurück nach Rheinland-Pfalz, brachten Risse und seine Kollegen die Geflüchteten direkt dorthin, zum Beispiel nach Frankfurt oder Nürnberg. War der Zielort weiter weg, dann ging es mit dem Zug weiter. Das war dann der Fall, wenn die Verwandten in Hamburg oder Wien leben. Das Team aus den Kreisen Neuwied und Ahrweiler brachte dann die Flüchtlinge - in der Regel waren dies Frauen und Kinder - mit einem Ticket in der Hand bis an den Bahnsteig. Acht Menschen kamen auch in Sinzig unter. Die Anzahl der bereitgestellten privaten Unterkünfte war jedoch bedeutend höher. Wie gesagt: Die Solidarität ist und war riesig.

Gemischte Gefühle

Zwei Situationen werden Risse wohl besonders in Erinnerung bleiben. Zum einen war dies die Rücktour nach Deutschland. Mit ihm reisten eine Ärztin und eine 14-jährige Jugendliche. Mit einem Mix aus deutsch und englisch verständigte man sich und die Sprachbarriere wurde so geschickt umgangen. Die Chemie stimmte direkt. Eine andere Erinnerung Risses war eher negativer Art. Während Ukrainer visafrei für 90 Tage in die Slowakei einreisen durften, wurde anderen Kriegsflüchtlingen, die keinen ukrainischen Pass haben, die Einreise verwehrt. Dies gilt zum Beispiel für Staatsbürger aus afrikanischen Ländern, die in der Ukraine studieren. „Jeder Mensch leidet doch gleich unter dem Krieg,“ blickt Risse zurück.

Sein Trip in Richtung Osten war jedoch nicht der letzte. Am 4. April startete man mit zehn Bussen Richtung Ukraine. Und weitere Hilfsaktion sind bereits in der Planung.