
Am 07.02.2025
PolitikOberbürgermeisterwahl in Neuwied im BLICK
Drei Kandidaten gehen ins Rennen um das Oberbürgermeisteramt
Am 23. Februar müssen die Wahlberechtigten in Neuwied gleich zweimal an die Urnen. Dann wird nicht nur der neue Bundestag gewählt, sondern auch der neue Oberbürgermeister der Deichstadt. Drei Kandidaten befinden sich derzeit im Wahlkampf. Neben Amtsinhaber Jan Einig (CDU) treten Sven Lefkowitz (SPD) und der freie Kandidat Conrad Lunar an. Kürzlich trafen sich die drei Kandidaten zu einem Redaktionsgespräch im Krupp Medienzentrum in Sinzig. Geschäftsführerin und BLICK aktuell-Chefredakteurin Susanne Tack hatte einige Fragen vorbereitet: Was läuft gut in Neuwied? Was muss verbessert werden? Und wie soll die Zukunft der Stadt und ihrer Stadtteile aussehen? Heraus kam ein spannendes Gespräch mit drei engagierten Kandidaten.
Susanne Tack bat zunächst um eine kurze Vorstellung der Kandidaten. Den Anfang machte Conrad Lunar. Der parteilose Kandidat wurde 1983 in Manila auf den Philippinen geboren und wuchs in Nassau an der Lahn auf. Der Liebe wegen kam er nach Neuwied und ist heute Vater von zwei Kindern. Der Diplom-Verwaltungswirt arbeitet derzeit bei der Bundespolizei. Dort ist er für die Verpflegung der Polizistinnen und Polizisten zuständig.
Für die SPD wirft Sven Lefkowitz seinen Hut in den Ring. Der 56-jährige Vater eines Kindes kam als Kleinkind nach Neuwied und absolvierte eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Später leitete er Pflegeeinrichtungen. Politisch ist Lefkowitz kein unbeschriebenes Blatt: Der SPD-Mann saß von 2019 bis 2021 im rheinland-pfälzischen Landtag. Außerdem ist er Ortsvorsteher des Neuwieder Stadtteils Heddesdorf.
Jan Einig ist seit 2017 Bürgermeister der Stadt Neuwied. Der 48-Jährige hat drei Kinder und absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Energieelektroniker, gefolgt von einem Studium des Bauingenieurwesens. 2011 wurde Einig zunächst Leiter des Tiefbauamtes der Stadtverwaltung Neuwied. 2016 wurde der Christdemokrat zum Bürgermeister gewählt. Ein Jahr später wurde er Oberbürgermeister.
Anschließend bat Susanne Tack um eine Bestandsaufnahme: „Wie steht die Stadt Neuwied derzeit da?“, fragte die Chefredakteurin. Sven Lefkowitz zog eine positive Bilanz. „Neuwied hat ein großes Potenzial“, so der SPD-Kandidat. In Neuwied gäbe es schöne Plätze mit hohem touristischen Wert. Auch wegen der „tollen Menschen“ sei die Region besonders lebenswert. Lefkowitz bezeichnet Neuwied als seine Heimat. „Ich lebe schon mein ganzes Leben hier“, sagt er.
Ähnlich sieht es Jan Einig. In Neuwied stecke viel Potenzial, die hiesige Gesellschaft sei tolerant, integrativ, offen und kinderfreundlich. Die Wohnbedingungen seien gut, es sei viel neuer Wohnraum geschaffen worden. In der Stadtentwicklung habe sich schon einiges getan und in der Innenstadt sei viel verbessert worden. Vieles sei umstrukturiert worden und der Haushalt sei ausgeglichen.
Auch Conrad Lunar stellt Neuwied ein positives Zeugnis aus. Der unabhängige Wettbewerber lobt vor allem die zentrale Lage Neuwieds. Die Stadt sei aus allen Richtungen schnell zu erreichen. Darüber hinaus lobt Lunar das große kulturelle Potenzial der Stadt. Auch im Bereich der Bildungseinrichtungen sei Neuwied gut ausgestattet.
Positiver Ist-Zustand mit Verbesserungsbedarf
So positiv das Feedback der Kandidaten auch war, Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer. „Was müsste sich bei Ihnen als Oberbürgermeister verbessern und wo würden Sie Schwerpunkte setzen?“, lautete die nächste Frage von Susanne Tack. Den Anfang machte diesmal Amtsinhaber Jan Einig. Einig möchte vor allem die Infrastruktur verbessern. „Hier gibt es noch viel Nachholbedarf“, sagt er. Er denkt dabei vor allem an Sporthallen, Schulen und Kindertagesstätten, die modernisiert werden müssen. Vieles sei hier schon auf den Weg gebracht worden. Aber auch die ärztliche Versorgung könne noch besser werden, „obwohl Neuwied hier noch besser aufgestellt ist als der ländliche Raum“, wie Einig betont. Um Ärzte in die Stadt und die Stadtteile zu locken, müsse das Angebot attraktiv sein. Deshalb sollen entsprechende Anreize geschaffen werden. Eines der wichtigsten Projekte wird die Schaffung von Wohnraum sein. Konkret sollen in den nächsten 15 Jahren 3.500 Wohneinheiten entstehen. Dass mehr Menschen nach Neuwied ziehen, habe Vorteile, so Einig. Denn dadurch komme mehr Geld in die Stadt. Allerdings bringe der Zuzug auch Herausforderungen mit sich, etwa bei den Kitaplätzen. 300 Plätze seien aber bereits geplant, wie der Oberbürgermeister sagt. Im regionalen Vergleich stehe man bei der Kita-Versorgung gut da, ergänzt Einig. Der Oberbürgermeister geht auch auf den Unterschied bei den Investitionen zwischen den Stadtteilen und der Innenstadt ein. Einig weist darauf hin, dass die Innenstadtentwicklung zu 90 Prozent aus Fördermitteln des Landes und des Bundes finanziert werde. Für die Stadtteile gäbe es eine solche Förderung nicht. Hier müssen andere Wege gesucht werden.
Für Conrad Lunar ergeben sich aus der räumlichen Gliederung Neuwieds Herausforderungen. „Neuwied hat sehr viele Stadtteile, deren Bewohnerinnen und Bewohner im Vergleich zur Kernstadt das Gefühl haben könnten, abgehängt zu werden“, erklärt er. Ein Beispiel sei der Straßenbau, der in manchen Stadtteilen langsamer vorankomme als in der Kernstadt, „je nachdem, wie sehr sich der jeweilige Ortsvorsteher engagiert“. Auch beim ÖPNV, der gerade für ältere Menschen wichtig sei, gebe es Verbesserungspotenzial. Schulen und Kindergärten seien wie erwähnt gut aufgestellt - nicht so die Toiletten, die seien „nicht in Ordnung“. Im finanziellen Bereich möchte Lunar den Schwerpunkt auf „Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit“ legen. Viele private Organisationen kümmern sich um die Sauberkeit, obwohl dies eigentlich Aufgabe der Stadt sein sollte. Beim Thema Sicherheit möchte er das Ordnungsamt so aufstellen, dass ein entsprechendes Sicherheitsgefühl entsteht. Generell müsse man Dinge anpacken, auch wenn keine „schwarze Null“ geschrieben werde. „Was nützt es, Geld zu sparen, wenn die Infrastruktur kaputt ist?“, fragt Lunar. Dass nur die Innenstadtentwicklung gefördert wird und nicht die Entwicklung der Stadtteile, ist für Lunar ein Zeichen dafür, dass die Stadtteile benachteiligt werden.
Optimierungsbedarf sieht auch Sven Lefkowitz, zum Beispiel beim Thema Wohnen. „Hier ist zu wenig passiert“, sagt der SPD-Kandidat. „Die Leute suchen Wohnungen, finden aber keine.“ Dabei werde Wohnraum dringend benötigt, um mehr Arbeitskräfte anzulocken. Beim Thema Gewerbeansiedlung gelte es, „Investoren an die Hand zu nehmen“ und herauszufinden, welche Förderprogramme es gebe. Bei den sanitären Anlagen in Kitas und Schulen ist sich Lefkowitz mit Lunar einig: Hier müssen wir den Turbo zünden“. Beim Straßenbau sieht der SPD-Kandidat Handlungsbedarf, viele Straßen seien marode. Das sei ein Aspekt, warum sich viele Menschen in den Stadtteilen abgehängt fühlten. Auch sollten mehr Treffpunkte für Ehrenamtliche in den Stadtteilen geschaffen werden. Eine gute ärztliche Versorgung sei ein Teil davon, dass ältere Menschen in den Stadtteilen wohnen bleiben können. Lefkowitz will mehr Geld in Kitas und Schulen stecken, aber auch in die Bereiche Sicherheit und Sauberkeit, um „Schmuddelecken“ zu beseitigen.
Gewerbeflächen und Tourismus
Als Unternehmerin interessiert sich Susanne Tack vor allem für die wirtschaftlichen Aspekte. „Wie beurteilen Sie den Standort Neuwied in Bezug auf Wirtschaft- und Tourismus?“, fragt sie. „Im Rahmen des Flächennutzungsplans haben wir viele Potenzialflächen“, beginnt Jan Einig. Gewerbe sei deshalb wichtig, weil es „der Schlüssel ist, um die gesamte Infrastruktur zu finanzieren“. Bei der Gewerbeansiedlung sei man in Neuwied auf einem guten Weg. Dennoch brauche man einen langen Atem, so Einig. Neben der Gewerbeansiedlung brauche es weiche Faktoren wie Kindertagesstätten und Sportangebote. Das müsse die Stadt finanzieren, da müsse man „die Ärmel hochkrempeln“. Leider gebe es dabei zu wenig Unterstützung vom Land. Beim Tourismus werde bald ein neues Kapitel aufgeschlagen: „Im April startet das neue Tourismuskonzept“, so Einig.
Bevor neue Gewerbeflächen ausgewiesen werden, sollte geprüft werden, wo es bereits Gewerbeflächen gibt, meint Conrad Lunar. Ein Beispiel sei die gewerbliche Nutzung des Rasselstein-Geländes. So könne zusätzliche Bodenversiegelung vermieden werden. Auch müsse geprüft werden, wo Photovoltaikanlagen sinnvoll seien. Grundsätzlich würde sich die gute Lage Neuwieds für die Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe anbieten. Das neue Tourismuskonzept hinke allerdings hinterher, wie Lunar betont. „Die Leute fahren lieber nach Andernach oder Koblenz“, sagt er. Dabei gäbe es - neben dem Neuwieder Zoo - viele tolle Alleinstellungsmerkmale, die nicht richtig genutzt und beworben würden. Als Beispiele nennt Lunar das Unesco-Welterbe Limes, das Herrnhuter-Viertel, das Schloss Engers oder das Schloss Neuwied, die allesamt attraktiv seien. Außerdem wünscht sich Lunar eine Anlegestelle für die Rheinschifffahrt.
Dieses Potential sieht auch Sven Lefkowitz. Auch er wünscht sich eine Schiffsanlegestelle. Zum einen für die Bürgerinnen und Bürger, die davon profitieren würden, zum anderen für die Touristen. Eine Anlegestelle würde die Frequenz bringen, die für die Gastronomie in der Stadt wichtig wäre. Außerdem gäbe es immer noch keinen Wohnmobilstellplatz, der ebenfalls Vorteile bringen würde. Besonders die „gebeutelte Innenstadt“ könnte profitieren, da es viele Leerstände gebe. Für Lefkowitz sind auch das Röntgenmuseum und das Herrnhuter Viertel wichtig. Er betont aber, dass es z.B. mit dem Escape Room besondere kulturelle Angebote gibt, die nicht vergessen werden dürfen.
Auch Gewerbeansiedlungen sind für Lefkowitz wichtig. Allerdings müsse man sich auch mehr um die bestehenden Unternehmen kümmern, die auch besser unterstützt werden sollten. Auch ein regelmäßiger Austausch zwischen Wirtschaft und Politik sei notwendig. Um Mitarbeiter zu finden, brauche es ein Zusammenspiel von „Wohnen, Leben und Arbeiten“. Auch hier gehören Kindergartenplätze dazu. Diese Probleme dürften nicht vernachlässigt werden, so Lefkowitz.
Verwaltung: Neue Mitarbeiter benötigt
Die nächsten Fragen von Susanne Tack drehen sich um das Innenleben der Verwaltung. „Wie ist die Stadtverwaltung derzeit aufgestellt? Und wie geht es mit der Digitalisierung voran?“, möchte sie wissen. Für Sven Lefkowitz ist die weitere Digitalisierung essentiell. Hier gäbe es noch viel Potenzial. „Bescheide müssen digital werden“, sagt der SPD-Kandidat. Gleichzeitig müsse man sich fragen, warum überhaupt noch Briefe verschickt werden müssen. So wichtig die Digitalisierung sei, so wichtig sei es aber auch, mit der Digitalisierung keine zusätzlichen Barrieren aufzubauen. Dies gelte zum Beispiel für ältere Menschen, die je nachdem mit der Technik nicht so gut umgehen könnten. In der Verwaltung gebe es Unzufriedenheit aufgrund unbesetzter Stellen. Grundsätzlich müsse sich die Verwaltung überlegen, wie sie ein attraktiver Arbeitgeber, aber auch Dienstleister für die Bürger sein könne.
Die Digitalisierung gehe derzeit nur stückweise voran, so Jan Einig, vieles hänge von Bund und Land ab. In der Verwaltung arbeiten „tolle und hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, die aufgrund unbesetzter Stellen vieles kompensieren müssten. Derzeit seien etwa zehn Prozent der Stellen nicht besetzt. Damit stehe man besser da als andere Verwaltungen, in denen 20 Prozent der Stellen unbesetzt seien. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdienen „großen Respekt“, Einig sei stolz auf sein Team. Zum Thema Finanzen: Derzeit sei man auf dem Weg der Entschuldung. Das eröffne zusätzliche finanzielle Spielräume. Der Investitionsstau sei aber nach wie vor hoch. Einig nennt hier eine Zahl von rund einer halben Milliarde Euro.
Laut Conrad Lunar steht die Verwaltung derzeit vor einem großen Umbruch, da die älteren Generationen bald in den Ruhestand gehen. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, müsse die Arbeitsstruktur verändert werden. So müsse mobiles Arbeiten angeboten werden, insbesondere für Menschen mit Kindern. Auch Jobsharing und Heimarbeit gehören dazu. Die unbesetzten Stellen würden auch die Bürgerinnen und Bürger spüren. Es könne nicht sein, dass der Bürger eine Bandansage höre, wenn er in bestimmten Abteilungen des Rathauses anrufe. Die Digitalisierung „werde nicht so einfach“, wie Lunar sagt. Denn nicht nur die Verwaltung müsse digital sein, sondern auch der Bürger. Bezüglich der Finanzen betont der unabhängige Kandidat, dass im Gesamthaushalt nicht am Personal gespart werden dürfe.
Blick in die Zukunft
Abschließend bat Susanne Tack die Kandidaten um einen Blick in die Zukunft. „Wie sieht die Stadt Neuwied mit Ihnen als Oberbürgermeister aus?“, lautete die Frage. Den Anfang machte Conrad Lunar. Er wünscht sich, dass die Menschen auch in acht Jahren noch gerne in Neuwied leben und gleichzeitig von der Verwaltung besser wahrgenommen werden. Sven Lefkowitz möchte „Bürgermeister für alle“ sein. Das gelte für alle Menschen, egal welcher Herkunft. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sagen können: „Das ist mein Neuwied“. Jan Einig will für die Bürgerinnen und Bürger arbeiten. Neuwied sei eine „lebens- und liebenswerte Stadt, die in acht Jahren noch liebenswerter geworden ist“.
ROB

Susanne Tack interessiert sich für die Zukunft von Neuwied.