Sondersitzung des Rheinbacher Stadtrat zur Hochwasserkatastrophe

Alles, was fahren kann, fährt Müll

Rheinbach. „Wir sind immer noch in der akuten Phase der Katastrophenbewältigung. Aber wir können absolut stolz sein auf das, was wir bisher bereits geschafft haben“, fasste Bürgermeister Ludger Banken (parteilos) in einer Sondersitzung des Rheinbacher Stadtrats die aktuelle Lage nach der Flutkatastrophe zusammen. Bis wieder Normalität einkehre, werde es noch lange dauern, sagte er voraus. Bezüglich der finanziellen Folgen der Katastrophe will er den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) beim Wort nehmen, der ihm in eine Videokonferenz mit Blick auf den beschlossenen Hilfsfonds von 28 Milliarden Euro versichert habe, alles werde bezahlt. Dazu zählten die Schäden der Bürger ebenso wie die Schäden der Gewerbetreibenden, der Vereine und der Kommunen.

Zu Beginn der Sondersitzung macht Banken klar, dass es an diesem Abend nur um Informationen gehe und nicht eine Aufarbeitung der Vorkommnisse, „so weit sind wir noch lange nicht.“ Zugleich versprach er, „wir werden die Katastrophe aufarbeiten und unsere Lehren daraus ziehen müssen.“ Vieles müsse in der Stadt angepackt werden, dafür werde sich auch die Stadtverwaltung personell verstärken müssen, kündigte er schon jetzt an. Darüber hinaus werde man externe Gutachter hinzuziehen, „denn wir brauchen den objektiven Blick von außen“, war der Bürgermeister überzeugt.

Probleme bei Stromversorgung und Telekommunikation

Ausführlich ließ Banken noch einmal die Geschehnisse in der Nacht vom 14. auf 15. Juli und in den darauffolgenden Tagen und Wochen Revue passieren. Jeder Rheinbacher sei von der Katastrophe betroffen, einige mehr und andere weniger. Leider seien auch fünf Menschen gestorben, sehr viele seien verletzt worden, „aber Gott sei Dank sind alle Vermissten wieder da.“ Bis heute sei die Stromversorgung noch nicht in allen Bereichen wiederhergestellt, und auch die Telekommunikation über Internet, Festnetz und Handy gestalte sich noch schwierig.

Probleme bereite auch die Beseitigung der gigantischen Abfallmenge, die infolge der Katastrophe entstanden sei. Denn auch die RSAG als Entsorgungsunternehmen sei anfangs eine Woche lang außer Gefecht gewesen, sei aber mittlerweile wieder am Start, unterstützt von „Bonn Orange“. Derzeit sei alles, was fahren könne, unterwegs, um die Müllberge abzutransportieren. Mittlerweile seien aber auch die Entsorgungseinrichtungen und die Müllverbrennungsanlagen in der Region vollkommen überlastet, so dass man den Abfall teilweise bis nach Hannover und Bremen transportieren müsse. Allein für die Müllentsorgung seien der Stadt mittlerweile drei Millionen Euro an Kosten entstanden, „und das ist erst der Anfang“. Erfreulicherweise habe das Land jedoch zugesagt, die Kosten zu übernehmen.

Enorme Herausforderungen für die Stadt

Die materiellen Schäden allein an der Infrastruktur und an den Gebäuden der Stadt bezifferte der Erste Beigeordnete Dr. Raffael Knauber nach einer ersten Schätzung auf mehr als 150 Millionen Euro. Es sei eine enorme Herausforderung, all das zu sanieren oder zu ersetzen, was zerstört oder beschädigt worden sei. Doch Knauber zeigte sich optimistisch, „dass wir die Lage in absehbarer Zeit wieder endgültig in den Griff bekommen werden.“

Bei alledem sei es ihm ein großes Anliegen, Danke zu sagen, ergänzte Banken. „Es gibt so viele Menschen und Organisationen, denen wir unendlich dankbar sind für ihren ehrenamtlichen Einsatz.“ Allen voran die Einsatzkräfte aus Freiwilliger Feuerwehr, Malteser Hilfsdienst, Technisches Hilfswerk, DRK und Johanniter, aus Stade sei sogar die DLRG mit Schlauchbooten angerückt. Auch die Polizei und die Bundeswehr seien eine wesentliche Stütze gewesen, und die Mitarbeiter der Stadtverwaltung hätten sich bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit engagiert, obwohl auch hier sehr viele selbst betroffen seien.

Zusammenhalt ist

vielleicht noch gewachsen

„Das hätte aber war nicht gereicht, um aus der Lage herauszukommen, wenn nicht unsere Bürger beherzt mit angepackt hätten“, lobte Banken die unzähligen freiwilligen Helfer, die spontan ihre Arbeitskraft und Zeiten zur Verfügung gestellt hätten. Allerdings sei deren Zahl mitunter so groß gewesen, dass die Koordination zu einer Herausforderung geraten sei. „Dennoch: deren Leistung war bravourös und hat gezeigt, dass der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung innerhalb von Rheinbach funktioniert. Sie ist vielleicht sogar durch die Katastrophe noch gewachsen“, zeigte sich Banken beeindruckt.

Mittlerweile sei auch die finanzielle Hilfe angelaufen. Die Soforthilfen von Bund und Land, die von der Stadtverwaltung ausgezahlt würden, seien sehr niederschwellig und zudem von der Gesamthöhe nicht gedeckelt. Innerhalb von zwei Wochen habe die Stadt mehr als 2000 Anträge bearbeitet, 500 lägen noch „auf Halde“. Insgesamt seien bereits 4,6 Millionen Euro an die betroffenen Rheinbacher ausgezahlt worden, und darüber hinaus noch 700.000 Euro an die heimischen Gewerbebetriebe. Auch die Stadt selbst habe von der Soforthilfe profitiert mit einem Zuschuss von zwei Millionen Euro.

Eingegangenen Spenden sollen transparent verteilt werden

Darüber hinaus habe es eine riesige Menge an Geld- und Sachspenden gegeben, freute sich Banken. Auch in diesem Zusammenhang seien die Leistungen der ehrenamtlichen Helfer hervorzuheben, allen voran Ex-Bürgermeister Stefan Raetz, der das zentrale Sammellager in der ehemaligen Pallotti-Kirche organisiert habe. „Was der geleistet hat, ist einfach grandios“, lobte Banken seinen Vorgänger. Mittlerweile sei dort ein hervorragend sortiertes Warenhaus entstanden, das wirklich alles biete, was das Herz begehrt. Jetzt gehe es daran, die eingegangenen Geldspenden zu verteilen, was absolut transparent und unter Einbeziehung sowohl der Kommunalpolitik wie auch der Rheinbacher Bürger vonstattengehen soll.

Wehrleiter Laurenz Kreuser berichtete, allein in der Katastrophennacht seien 1700 Einsätze geleistet worden, darunter 20 Einsätze, bei denen insgesamt 45 Personen aus akut bedrohlichen Zwangslagen gerettet werden konnten. „Dass die Feuerwehr in dieser Nacht zahllose Menschenleben gerettet hat, wird leider viel zu wenig thematisiert“, bedauerte Kreuser. Allein in den ersten Stunden habe man fast 500 Einsatzkräfte zusammengezogen, in den folgenden Tagen seien auch Einheiten aus benachbarten Kommunen als Unterstützung eingetroffen. Denn auch die Rheinbacher Kameraden hatten selbst schwere Stunden zu bestehen: „Morgens einen Kameraden tot unter uns zu finden – das war schon eine sehr schwierige Situation“, erinnerte der Wehrleiter daran, dass ein Feuerwehrmann nach einem Einsatz in der Feuerwehrwache verstorben war. Auch die Feuerwehr brauche in absehbarer Zeit externe Unterstützung bei der Aufarbeitung der Katastropheneinsätze, denn was manche Einsatzkräfte miterlebt hätten, sei oft nicht einfach zu verarbeiten.

Feuerwehr braucht

neue Fahrzeuge und Geräte

Darüber hinaus sei allein an den Fahrzeugen und Gerätschaften der Wehr ein Schaden von etwa 1,5 Millionen Euro entstanden, hatte Kreuser ermittelt. Hier müsse schnellstmöglich Ersatz beschafft werden, um beim nächsten Einsatz nicht mit leeren Händen dazustehen. Ohnehin habe man festgestellt, dass man für solche Katastrophen eigentlich nicht gut vorbereitet sei. Unter anderem habe man zu wenig watfähige und geländegängige Fahrzeuge im Fuhrpark. „Aber auch ich hätte mir nie vorstellen können, ein Schlauchboot in der Innenstadt im Einsatz zur Lebensrettung zu sehen“, gab er zu. Und er befürchtete weitere unvorhersehbare Herausforderungen: „Letztes Jahr hatten wir Trockenheit, dieses Jahr Sturzfluten – was kommt nächstes Jahr?“