Der Wiederaufbau der Erdgas-Versorgung im Ahrtal wird zur großen Herausforderung
Wie kommt das Ahrtal durch den Winter?
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das Erdgasversorgungsnetz im Ahrtal wurde von der Flutkatastrophe am 14./15. Juli massiv beschädigt. 133 Kilometer Erdgasleitungen, 8.500 Gaszähler, 3.400 Hausdruckregler, 7.220 Netzanschlüsse und 31 Gasdruckregel- und Messanlagen sind durch das extreme Hochwasser beschädigt oder sogar komplett zerstört worden. Auch wenn laut Angaben des Energieversorgers evm-Gruppe im Rahmen einer kürzlich veranstalteten Pressekonferenz bereits jetzt, bzw. bis Ende Oktober rund 57 Prozent der Kunden wieder versorgt werden können, wird es in 43 Prozent der Fälle bis zum bald nahenden Winter keine Versorgung geben. „Wir haben Mitte Juli eine einzigartige Katastrophe im Ahrtal und in der Eifel erlebt, wobei das Ahrtal am schlimmsten betroffen ist. Die Gas-Infrastruktur ist in Teilen zerstört, in Teilen erheblich beschädigt und in Teilen noch intakt – allerdings nicht zusammenhängend. Für die evm ist es das größte Schadensereignis seit dem zweiten Weltkrieg.
20 bis 30 Millionen Euro werden investiert
Für uns hat die schnellstmögliche Wiederherstellung der Gasversorgung oberste Priorität, weshalb wir hier mindestens 20 bis 30 Millionen Euro investieren. Dennoch können nicht alle Kunden vor dem Herbst/Winter wieder mit Erdgas versorgt werden, also braucht es Übergangslösungen. Da ist Flüssiggas ein Gebot der Stunde, um wieder Wärme in die Häuser zu bringen, die bewohnbar sind. Hierzu steht Propan Rheingas als Partnerunternehmen der evm zur Verfügung. Dienstags von 9 bis 13 Uhr und freitags von 12 bis 16 Uhr steht ein persönlicher Fachberater im evm-Kundenzentrum an der Ringener Straße 25 in Bad Neuenahr-Ahrweiler bereit. Eine provisorische Umstellung auf Flüssiggas ist in der Regel ohne großen Aufwand möglich“, so der evm-Vorstandsvorsitzende Josef Rönz. Wie schwer die Zerstörungen sind, aber auch wie komplex sich der Wiederaufbau der Erdgas-Infrastruktur gestaltet, erläuterte Dr. Andreas Hoffknecht, Geschäftsführer der Energienetze Mittelrhein GmbH (enm). „Es wurde durch die Flutwelle wirklich alles abgeräumt. Wir haben zerstörte Leitungen, alle Bauwerke die wir brauchen um zu steuern und zu regeln, Messtechnik, Zähler – alles ist in hohem Grade zerstört. Es muss also eine neue Hochdruckleitung mit vier Bauabschnitten gebaut werden. In den ersten drei Abschnitten wird bereits jetzt parallel gearbeitet, der vierte Bauabschnitt folgt noch.
Zwei neue Ahr-Querungen zwischen Lohrsdorf und Heppingen
Wichtig ist besonders der erste Bauabschnitt zwischen Lohrsdorf und Heppingen, wo zwei neue Ahr-Querungen gebaut werden um mit dem Gas wieder von der nördlichen auf die südliche Ahr-Seite zu kommen. Wir rechnen damit, dass wir die Haushalte auf der südlichen Ahr-Seite im Lauf des Monats Oktober wieder anschließen können. Allerdings erleben wir bei der Beseitigung der Flutschäden jeden Tag neue Überraschungen. Daher bitte ich um Verständnis dafür, dass wir Zeitangaben immer wieder an neue Erkenntnisse anpassen müssen. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Wiederaufnahme der Erdgasversorgung in den Stadtgebieten nördlich der Ahr. Die Hochdruckleitung zwischen Heppingen und Walporzheim, wo das Gasnetz endet, ist in einem derart starken Maß beschädigt, dass das Netz dort nicht mehr nutzbar ist. Eine Neuverlegung der Gashochdruckleitung ist von Lohrsdorf bis zum Kreisverkehr Ringener Straße erforderlich. Ein Bauabschnitt führt unterhalb der Weinberge entlang der Bundesstraße 266 bis zum Kreisverkehr an der Ringener Straße. Von dort haben wir die Möglichkeit, die neue Leitung mit dem bestehenden Netz im Stadtkern zu verknüpfen, um dann sukzessive die nächsten Straßenzüge wieder anzuschließen.
In vielen Leitungen befinden sich noch Schlamm und Wasser
Neben neuen Leitungen müssen aber auch Gasdruckregelanlagen neu errichtet werden. Fünf solcher Anlagen sind komplett zerstört, neun durch das Hochwasser stark beschädigt. Ohne diese Stationen ist der Betrieb des Gasnetzes in Bad Neuenahr-Ahrweiler nicht möglich. Ein weiteres Problem ist der Zustand der einzelnen Netzanschlüsse an den Häusern im Gebiet nördlich der Ahr. Wir rechnen damit, dass sich in vielen Leitungen noch Wasser oder auch Schmutz befindet. Dann müssten wir diese Leitungen zunächst spülen, reinigen und trocknen, bevor wir wieder Gas auf die Leitungen geben können. Das ist bei mehreren Tausend Anschlüssen im Flutgebiet eine zeitaufwendige Herausforderung. Insgesamt rechnet die enm damit, dass die Erdgasversorgung im Gebiet zwischen Bad Neuenahr nördlich der Ahr und Walporzheim nicht vor Jahresende wieder aufgenommen werden kann, da von einer Dauer der Bauarbeiten bis Januar oder gar März auszugehen ist. Es müssen nicht nur die Leitungen, sondern auch die ganzen notwendigen Bauwerke errichtet werden“, so Dr. Andreas Hoffknecht.
Schnellstmögliche Wärmeversorgung für die Einwohner
Auch Thomas Hoppenz, Geschäftsführer der Ahrtal-Werke ging auf die Strom- und Wärmeversorgung ein. „Durch die Flutkatastrophe wurde unser Stromnetz nahezu vollständig zerstört. Mittlerweile ist es uns unter erheblicher Anstrengung und dank bundesweiter Unterstützung anderer Versorger sowie zahlreicher Helfer gelungen, die Stromversorgung zu fast 100 Prozent wiederherzustellen. Unser nächstes Ziel ist es nun, für die Einwohner der Stadt schnellstmöglich eine sichere Wärmeversorgung für die nächste Heizperiode zu gewährleisten. Vorgehen werden wir hierbei so, dass wir vorhandene Anlagen schnellstmöglich wieder einer Nutzung zuführen. Dies ist uns bei den Fernwärme-Kunden schon in der ersten Woche nach der Katastrophe gelungen. Wo eine Wiederinbetriebnahme nicht möglich ist, bieten wir Ersatzkonzepte zur Wärmeversorgung wie Strom, Flüssiggas oder Fernwärme – dauerhaft oder als Interimsversorgung – an. Diese Ersatzkonzepte sind relativ schnell realisierbar und von der Gasversorgung für den ausfallenden Zeitraum unabhängig. Insgesamt gehen wir gemeinsam davon aus, dass es uns unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten gelingen wird, für alle Einwohner von Bad Neuenahr-Ahrweiler die Wärmeversorgung für die kommende Heizperiode sicherzustellen. Das bitte ich auch als Statement zu verstehen“, so Thomas Hoppenz.
Breite Produktpalette, auch dank örtlicher Handwerksbetriebe
„Das drängendste Problem ist die Wärmeversorgung nachdem Strom, Wasser und Abwasser wieder funktionieren. Wie kommen wir über den Winter? Hier glaube ich ist es wichtig, dass die Wärmeversorger außerordentlich transparent deutlich machen, was geht und was nicht geht, damit die Menschen sich unmittelbar darauf einstellen können, bis wann sie mit leitungsgebundener Wärme wieder rechnen können, oder ob sie Übergangslösungen für sich schaffen müssen. Wir haben eine breite Produktpalette, nicht zuletzt durch die Handwerksbetriebe, die ihre Leistungen neben den großen Versorgern anbieten und darauf will ich auch explizit hinweisen. Die Installateure des Vertrauens der Menschen sind auch die ersten Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger in ihren Gebäuden und Wohnungen. Wir werden provisorische Insellösungen haben und dort wo keine Lösungen möglich sind weil auch in Gebäuden keine Infrastruktur mehr ist – dort werden wir über Notunterkünfte sprechen müssen. Ich glaube, dass dafür auch die entsprechende Sensibilität geschaffen werden muss. Wie viel wir an Notunterkünften schaffen müssen, hängt ja auch davon ab, wie sich die Menschen im Winter mit Wärme versorgen können.
„Land und Bund nicht aus der Verantwortung nehmen“
Land und Bund können wir in dieser Frage nicht aus der Verantwortung nehmen, denn sowohl die enm als auch die Ahrtal-Werke bauen momentan Provisorien auf, die sehr teuer sind und die nicht über die Netzentgelte anschließend von den Menschen zurückgeholt werden können. Da müssen wir ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass das, was jetzt an Provisorien geschaffen wird, anschließend nicht die Menschen, die ohnehin in großer Not sind, noch nachzahlen müssen. Da sind Bund und Land nach wie vor in der Pflicht“, unterstrich Bürgermeister Guido Orthen.
Wir werden sehen, wie sich LAND und BUND ihrer VERANTWORTUNG gerecht werden.