Nach der Hochwassernacht waren die Schäden in Ahrbrück groß - Beherzter Einsatz der Feuerwehr rettete Leben

Nach der Flut: Die Angst vorm Vergessenwerden

08.09.2021 - 16:20

Ahrbrück. Das Dorf Ahrbrück ist für viele Besucher des Nürburgrings ein klassischer Durchfahrtsort. Hier machen Motorradfahrer auf eine Tasse Kaffee im Biker-Café Halt oder decken sich an der Tankstelle mit Benzin oder Wegzehrung ein. Kultig war in Ahrbrück auch der Imbiss, die „Futterkrippe“, den viele noch kennen werden. Dort gab es handfeste Hausmannskost, Schnitzel mit Pommes und Bratwurst mit Senf. Irgendwann machte das Stübchen zu und auch die Nachfolger bewirteten den Laden mit selbstverständlicher Hingabe. Heute ist das alte „Futterkrippen“-Haus nicht nur geschlossen, sondern komplett weg. Das Gebäude wurde beim Hochwasser des 15. Juli fortgespült und wo es stand, klafft ein Loch, als hätte eine Fliegerbombe eingeschlagen. Nun ist dort nur noch Geröll und Wasser. Die Ahr hat die freie Fläche sofort eingenommen und bildete etwas, das wohl als Halbinsel bezeichnet werden könnte. In dem Haus, das einst den Imbissbetrieb beherbergte, starben in jener Nacht drei Menschen.


Ein Eindruck, der täuscht


Subjektiv betrachtet, sieht Ahrbrück vergleichsweise heil aus. Der alte Ortsteil Denn kam vergleichsweise gut davon. Aber wo das Wasser stand hinterließ es Zerstörung pur. Die Hälfte des gesamten Dorfes ist kaputt, viele Häuser sind komplett zerstört, auch die Brücke Richtung Lind ist hin.

Von dem gesamten Ausmaßen berichtet Karl-Heinz Hermes. Jeden Tag verbringt er im Gemeindehaus, dem Alten Bahnhof. Dort haben die Ahrbrücker eine Krisenstelle eingerichtet. Überall stehen Laptops und Tafeln mit Telefonnummern, Lagepläne sind aufgeschlagen. Bauunternehmer kommen vorbei und haben Geräte zu verteilen. Auch die Polizei schaut vorbei und die Beamten fragen, wo Unterstützung gebraucht wird. Eine Helferin bringt ein paar belegte Brötchen vorbei, denn die Abwicklung der Hilfsangebote ist eine Daueraufgabe, die Kraft kostet. Gemeinsam mit Bürgermeister Walter Radermacher bezog Hermes schon in der Flutnacht Stellung im Alten Bahnhof. Dort wurde auch eine Notunterkunft eingerichtet. Die Betroffenen, die aus ihren Häusern vor dem Wasser flüchteten, fanden hier einen Platz zum Ausruhen und Aufwärmen. Für die Evakuierung der Menschen war die Feuerwehr Ahrbrück zuständig. Eine Befehl einer übergeordneten Behörde gab es dazu nicht, wie so oft an der Ahr in jener Nacht. Die Kameraden handelten nach Intuition, als sie die Menschen aufriefen, ihre Häuser zu verlassen. „Ich bin mir sicher, dass der eigenständige Einsatz Menschenleben gerettet hat“, sagt Hermes.


„Unser Dorf ist kaputt“


Er erinnert sich an weitere Details aus der Flutnacht. „Das Wasser stieg auch um das Bahnhofsgebäude“, sagt er. So schnell, dass die Bewohner nochmals evakuiert werden mussten. Diesmal in den 1. und den 2. Stock. Doch das Glück spielte mit: Kurz vor der Türschwelle stieg das Wasser nicht mehr weiter und der Bahnhof blieb verschont. Neben den physischen Schäden leiden die Menschen seelisch unter dem Erlebten, so Hermes. „Wie soll es auch sonst sein, unser Dorf ist kaputt“, erklärt er. Doch die Hilfsbereitschaft, die war und ist enorm. Freunde, Fremde, Freiwillige und offizielle Helfer arbeiten Hand in Hand. Auf die staatliche Hilfe wartete man gar nicht erst. Es wurde sofort angepackt. Zum Glück wohnt der Bauunternehmer Michael Winterscheidt im Dorf. Er stellte sofort sein schweres Gerät zur Verfügung und die Arbeit begann gleich nach der Katastrophe. „Wir waren richtig zügig“, sagt Hermes. „Bevor das THW kam, waren die Straßen schon geräumt.“

Christian Keuler ist ebenfalls Mitglied im Gemeinderat und vor kurzem erst nach Ahrbrück von Staffel gezogen. Mit seiner Familie wohnt er fast direkt an der Ahr. Die Zerstörung an seinem Haus ist vergleichsweise gering, denn ein großräumiger Obstgarten trennt Ahr und Haus. Die Ahr hatte hier „Auslauf“, er hatte Glück. Der Obstgarten ist weggeschwemmt. Nur ein dünnes Apfelbäumchen ragt aus dem Dreck. „Der hat es überstanden,“ sagt er. Nicht überstanden hat es die Fahrradbrücke, ein wenig weiter. Nur ein Pfeiler ist übrig. Auch die vier Häuser, die hier einst standen haben keine Spuren hinterlassen. Von der Brücke landete vieles in Keulers Garten hinter seinem Haus. Auch Eisenträger. Keuler hat einen Plan. „Die möchte ich mir gravieren lassen, damit wir niemals vergessen, was hier los war.“

Ein großes Problem war die stark beschädigte Brücke, die in den Ortsteil Brück auf der anderen Ahrseite führt. Die Querung stand zwar noch, war aber weder begehbar noch befahrbar. Ahrbrück war praktisch zweigeteilt und der Part, der nicht per Bundesstraße erreichbar ist, von der Außenwelt abgeschnitten. Für die Ahrbrücker war klar, dass die Brücke schnellstmöglich wiederhergestellt werden musste. Dafür sorgte wieder Baufachmann Winterscheidt. Zügig war die Brücke wieder befahrbar und Baufahrzeuge und Traktoren konnte auch in den anderen Teil von Ahrbrück gebracht werden. Es ging also vorwärts.


Stärkere Signale gewünscht


Der Ahrbrücker hat klare Vorstellungen wie die Zukunft im Katastrophenschutz auszusehen hat. Und Keuler hat Fragen: „Wie bekommen wir die Touristen irgendwann wieder hier hin? Wo können wir aufbauen und wo nicht? Wann fährt die Bahn wieder? Wann kommt das Gas?“ Fragen, die derzeit viele im Ahrtal umtreiben. „Ich habe die Befürchtung, dass wir nach der Bundestagswahl vergessen werden“, drückt er seine Sorgen aus. Kritik gibt es gegenüber der Politik: „Es gab einen Brief der Bürgermeister an Bund und Land“, blickt Keuler zurück. „Hier hätte ich mir früher von höherer Stelle ein stärkeres Signal von der politischen Führung des Kreises gewünscht“, sagt er. „Dann hätten die Hilfsmaßnahmen auch sinnvoll koordiniert werden können.“ ROB

Weitere Beiträge zu den Themen

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
08.09.2021 23:00 Uhr
juergen mueller

Diese Angst ist durchaus berechtigt, geht die Politik zu ihrem Tagesgeschäft über, was schon immer so war.
In Deutschland wurde schon immer alles mit Geld geregelt, mit gespielter politischer Empathie, mit Betroffenheit, mit Mitgefühl.
Zu jedweder Gelegenheit wird/wurde in unserem Land alles versucht mit Geld zu regulieren, eine politische Menschenverachtheit, der man nichts hinzufügen kann.
Wer sich noch nicht verinnerlicht hat, dass zu einem politischen Leben die Schauspielerei u. ein nichtssagender Redefluss dazu gehört, dem ist nicht zu helfen.
Politik gehört zu unserem Leben, das wird sich nicht ändern lassen, bis auf die Gewissheit, nicht alles glauben zu müssen, was einem von einem oder einer Politfigur als das einzig Wahre suggeriert wird.
Die Angst vor einem Vergessenwerden ist im übrigen das, was einen Politiker antreibt, Versprechen abzugeben, die er letzten Endes nicht halten kann.





Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Geldautomatensprengungen in Andernach und Montabaur

Polizei schnappt Automatensprenger: 20-Jähriger erbeutete mehrere hunderttausend Euro

Region. Nach einer Serie von Geldautomatensprengungen führten die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln am Morgen des 24. April Durchsuchungen in mehreren Privatwohnungen und Büros in Köln, Rheinbach und Heimerzheim sowie in einer Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen durch. Die umfangreichen Ermittlungen konzentrierten sich auf einen 20-jährigen Mann, der seit Februar 2024 in Haft ist und eine Strafe für ein Raubdelikt verbüßt. mehr...

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Regional+
 

Wer kann Angaben zum Unfallgeschehen machen?

Zeugen nach Verkehrsunfallflucht gesucht

Ehlscheid. Am 26. April, zwischen 06:55 Uhr und 15:50 Uhr, befand sich der PKW der Geschädigten auf dem Parkplatz der Tierarztpraxis in der Gommerscheider Straße. Bei der Rückkehr zum Fahrzeug bemerkte die Geschädigte eine großflächige Beschädigung im Bereich der linken Fahrzeugseite ihres PKW. Zeugen werden gebeten, mögliche Hinweise der Polizeiinspektion Straßenhaus unter Tel. 02634/9520 oder per E-Mail: pistrassenhaus@polizei.rlp.de. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
19-Jährige im Zug durch unbekannten Täter belästigt

Ermittlungen nach sexueller Belästigung in Regionalbahn auf der Fahrt von Frankfurt/Main nach Koblenz

19-Jährige im Zug durch unbekannten Täter belästigt

Koblenz. Am Donnerstagmittag, 25. April zwischen 11.30 und 12.30 Uhr soll es in der Regionalbahn 4256, auf der Fahrt von Frankfurt/Main nach Koblenz, zu einer sexuellen Belästigung einer 19-Jährigen gekommen sein. mehr...

Pkw prallte mit großer Wucht gegen einen Baum

Hubschraubereinsatz bei schwerem Verkehrsunfall auf der B 478 zwischen den Ortschaften Ruppichteroth Ahe und Harth

Pkw prallte mit großer Wucht gegen einen Baum

Ruppichteroth. Am Donnerstagnachmittag, 25. April 2024 um 16.20 Uhr wurde der Leitstelle der Polizei durch die Rettungsleitstelle des Rhein-Sieg-Kreises ein Verkehrsunfall mit verletzten Personen auf der B 478 zwischen den Ortschaften Ruppichteroth Ahe und Harth gemeldet. mehr...

FWG Andernach e.V. lädt ein

Infostände am 4. und 11. Mai

Andernach. Die Freie Wählergruppe Andernach e.V. (FWG) lädt die Bürgerinnen und Bürger von Andernach zu ihren Infoständen ein. Diese finden am 4. und 11. Mai am Historischen Rathaus in Andernach statt. mehr...

Erfolgreiche Saisoneröffnung

TC Rengsdorf

Erfolgreiche Saisoneröffnung

Rengsdorf. Jüngst startete der TC Rengsdorf in die Saison. Viele Interessierte jeden Alters fanden den Weg zu dem Verein, um den Tennissport einmal auszuprobieren oder um wieder einzusteigen. Alle SpielerInnen... mehr...

Jetzt für Läufe der LG Rhein-Wied anmelden

Andernach/Neuwied. Die Saison der Laufveranstaltungen beginnt, und damit auch die Anmeldephase für die Großveranstaltungen der LG Rhein-Wied. Der „Deichlauf präsentiert von Rhodius“ (Freitag, 14. Juni)... mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
Claudia Krahe-Abel:
Es darf keine Impfpflicht geben! Das Grundrecht auf die Unversehrtheit des Körpers muss dringend gewahrt werden! Jeder Mensch muss selbst entscheiden dürfen was er in seinen Körper spritzen lässt oder nicht. Und es darf keine Diskriminierungen geben. Jeder muss Verantwortung für sich selbst und seine...
Andrea könig:
Ich verfolge die Geschichte um Liane schon lange und verstehe nicht, wie man auf solche, zum Teil hirnrissigen und unverschämten, Verleumdungen hereinfallen kann. Es kann nicht sein, dass die Gerichte sich nicht selbst vor Ort informiert haben. Liane führt seit mindestens 15 Jahren den Hof mit viel...
Cornelia Lachmuth:
Für mich klingt das nach Befangenheit. Nie gab es Probleme dort. Alle Kontrollen waren, selbst 4 Monate zuvor, noch in Ordnung. Ich kenne den Hof und habe selber keine tierschutzrelevanten Mängel erkennen können. Viele andere Leute vom Fach, ebenfalls nicht. ...
Erika Hoffmann :
Ja, Kontrolle ist gut...aber Hilfeleistung wäre besser!! Wenn Menschen einen Gnadenhof leiten, dann sind das Tierfreunde! Ihnen Geldgier zu unterstellen, ist gemein!! Ich zahle gerne meine Hundesteuer, hoffe das dieses Geld gerade Gnadenhoefen zugute kommt!!! ...

Bad Neuenahr-Ahrweiler: Hunde bitte anleinen

Veronika Brieda :
Es wäre wünschenswert wenn die Stadt Bad-Neuenahr-Ahrweiler ein Hundeplatz zur Verfügung stellen würde. Hunde wollen gerne mal frei ohne Leine laufen. Haben Sie Verständnis? Mit freundlichen Grüßen Veronika Brieda ...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service