Stadtsoldaten 1896 bereiteten zweimal ein außerordentliches Sitzungsvergnügen

Andernacher Karnevalisten brachten rot-gelbe Farben in die Goldenen Zwanziger

10.02.2020 - 13:06

Andernach. „Wir sind die tapferen Stadtsoldaten, ein jeder Mann ein großer Held“, heißt es im Vereinslied des stolzen Andernacher Traditionskorps, das der Spielmannszug und das Stimmung-Trio „Tusch-Express“ zum Einzug der Uniformierten in der Mittelrheinhalle erklingen ließen. Doch sicher hätten Kommandant und Sitzungspräsident Heribert „Molly“ Zins und seine „Helden“ ein so farbiges und knallendes Sitzungs-Feuerwerk vor dem, als „Paramolly“-Filmwelt“ der 20er-Jahre gestalteten Bühnenbild nicht entzünden können, wären sie nicht wirkungsvoll durch holde, gelb-rote Heldinnen ergänzt worden.


Reim, Humor und Musik nehmen die Schärfe aus der Kritik


Dankbar verneigten sich die kleinen Tänzerinnen und Tänzer des Kinderballetts im Konfettiregen vor den verzückten Närrinnen und Narren, die sie auf die Wogen der Heiterkeit führten. Dort machte dann „Et Blondche“ (Andrea Peters) als junge Braut mit ihren humorigen Schilderungen von Missverständnissen, Ungeschicklichkeiten und Streitmomenten so richtig Geschmack aufs Heiraten.

In der Kombination Sprache/Gesang unterhielten die „Altstadtrebellen“ (Julian Elzer, Stefan Fischer, Aaron Friedland, Waldemar Thiele, und Heribert „Molly“ Zins) mit ihren kritisch-spaßigen Blicken auf die großen und kleinen Geschehnisse. Schließlich bezeugten sie mit dem Lied „Rut on jeel, wie lieb ich dich“ ihre Liebe zu den Farben ihres 124 Jahre alten Traditionskops.

Im Saal wurde gesungen und geschunkelt. Die „tanzende Stadtsoldaten-Kompanie“ verdiente sich mit ihrem zackig-fröhlichen Regimentstanz lautstarke Zugabe-Rufe. Mit den Eigentümlichkeiten juristischer Sprache trieb „Paragraphen-Hengst“ Mättes Sabel so manchem Zuhörer Lach-Tränen in die Augen. Er zitierte aus ungelenken Gesetzen und kaum nachvollziehbaren Urteilsbegründungen.

Als 14-köpfige Ufo-Besatzung tanzte sich das Jugendballett, außerirdisch mitreißend, in die Herzen des Auditoriums. Da mussten die Teenager natürlich noch einen drauflegen. Johannes Fischer („Der Lurch“), im vergangenen Jahr als karnevalistisches Nachwuchstalent mit dem Zinnhannes Kulturpreis ausgezeichnet, beleuchtete in seinem Reimvortrag so manche Merkwürdigkeit der heutigen Zeit und verstand es, mit seinem „Annenacher“ Vokabeltraining dialektsichere Zuhörer mitwirken zu lassen. Standing Ovations!

Die „Verkölschung“ unserer Sprache, „Ons Schwemmbad“, der Klimawandel, „First Friday“ – so lauteten die Themen, zu denen die „Vier Kleevkurschte“ (Martina Eiden, Andrea Paulmann, Erika Schwickert, Vera Zerwas-Schneider) ihre musikalischen Beobachtungen vortrugen. Zur schließlich überraschend enthüllten Damenunterwäsche priesen sie mit dem Medium-Terzett-Lied „Es hängt ein Büstenhalter an der Wand“ die Eigenschaften von BH und „Schlüppi“. Das Publikum hatte seinen Spaß. Unbeschreiblicher Jubel brandete zur Darbietung des Tanzpaars Tina Ruppert und Aaron Friedland auf. Die beiden bezauberten mit ihrer Ausstrahlung und gewagten Hebungen.

Die schäumende Stimmung im Saal war der Nährboden für den fulminanten Einzug von Prinz Albert I., „Der Küchenbulle mit Tatütata“, Prinzessin Katja I. „Der Blue Star mit klingender Lyra“, ihrem Hofstaat sowie dem Festausschusspräsidenten Jürgen Senft. Als freundliche Worte ausgetauscht und das Prinzenlied „Wenn en Annenach die Jecke danze“ verklungen waren, beugte sich der Karnevalsadel dem Verlangen seiner, kaum noch zu haltenden närrischen Untertanen und legte mit dem Klüngelkopp-Song „Bella Ciao“ noch einen drauf. Wie kann man sich bei einem solchen Stimmungs-Pegel noch als Vortragende durchsetzen? Für die „Ähn on die Anner“ (Nadine Krebs und Nina Ruppert) kein Problem! Die „Ähn“ vernünftig und gemäßigt, die „Anner“ frech wie Dreck, zündeten ein Dauerfeuer aus Pointen, das das Auditorium von den Stühlen riss.


Das Stimmungsbarometer stieg immer weiter an


In der Pause hatte der Elferrat seine Uniformen gegen eine mottogerechte 1920er-Jahre-Kleidung getauscht. Die Mädels der Gardetanzgruppe und die Fahnenschwenker des Traditionskorps verschafften dann mit ihren umjubelten Auftritten dem Sitzungs-Ensemble eine angemessene „Arbeitsatmosphäre“ für die zweite Halbzeit. Die Bühne wurde vom Spielmannszug zu einem Kinosaal der 1920er-Jahre umfunktioniert. Zu ihrer auf Leinwand flimmernden Stummfilm-Eigenproduktion „Verrückt nach Veronica“ trugen die Spielleute die passende Hintergrundmusik bei. Am Ende starteten die Sitzungs-Gäste eine verdiente Rakete für den originellen und aufwändigen Sitzungsbeitrag der Musikabteilung unter der Leitung der sichtlich bewegten Tambourmajorin Sandra Köster. Michael Krebs, als „Kresse“ zur Crème de la Crème der Andernacher Büttenstrategen zählend, beherrscht die Kunst der Lachmuskel-Fernbedienung auch noch, wenn es auf Mitternacht zugeht. Zündend seine Witze, überzeugend seine Mimik – anhaltendes Lachen im Publikum garantiert. Da muss man am Ende aufstehen und danken!

Mit ihrem Stimmungs-Potpourri erreichte Sängerin Steffi Göddertz ein gut aufgelegtes Publikum, das nach der darauf folgenden Erscheinung von 17 Freddy-Mercury-Kopien (Männer-Tanzgruppe) und ihrer zum Teil akrobatischen Tanzdarbietung zu Queen-Melodien kaum noch zu halten war. Vor dem Finale aller Mitwirkenden präsentierte sich das „Diner-Girl-Team“ des Damenballetts mit erfrischender Choreografie und spannenden Hebungen und Überschlägen zu Melodien aus den „goldenen Zwanzigern“. Fazit des fast sechsstündigen rot-gelben Sitzungs-Vergnügens: Paramollys-Filmwelt empfiehlt sich für weitere kurzweilige und unterhaltsame Kinoerlebnisse.

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MARGIT S.:
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Ralf Dutine:
Hansen, die für meine Statistik wichtigste Info war dabei ;-)...
Hansen:
Korrektur: Das war grausanste Folter und ein Femizid. Benennt es als das, was es ist. Wir schreiben das Jahr 2024 und nicht 1980....
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