Kunst findet den Weg aus den Ateliers auf die Straßen
Fotografie: groß, draußen und in vielen Facetten
Das Künstlerforum findet Anklang mit seiner „Offenen Galerie Remagen“
Remagen. Mit ihrer Galerie, die umsonst und draußen für jeden zu jeder Tageszeit immer geöffnet hat, erhielten sie den Zuschlag beim Kultursommer Rheinland-Pfalz, dessen Motto „Der Sommer unseres Vergnügens“ ihnen so gut gefiel, dass sie ihn für ihr neues Format adoptierten. Beim kleinen effektiv und harmonisch arbeitenden Küfo-Vorstandsteam lief die Aktivität in den vergangenen Monaten auf Hochtouren. Nun feierte die Künstlergruppe mit Künstlern, Kulturinteressierten und Vertretern der Stadt Eröffnung und heimste jede Menge Beifall ein.
Fotoarbeiten im besten Licht
Auch das Wetter kam allen, die sich gemeinsam auf den Premiere-Rundgang begaben, entgegen. Dazu zählte zwecks musikalischer Begleitung Künstler Gregor Bendel, der gelegentlich Zwitschertöne hören ließ oder kurz, aber vernehmlich ins Horn stieß. Helles Frühlingslicht setzte die Fotoarbeiten in bestes Licht. Von analog bis digital, von Aufnahmen mit der Elementar-Technik Lochkamera bin hin zu Großformatkameras, reichte die Ausgangssituation der beteiligten elf Künstler. Motive und Stile weisen ein überraschend weites Spektrum auf. Vieles stimmt auf den Sommer ein, rückt Wasser und Himmel und Kleines ganz groß vor das Auge des Betrachters. „Wir haben eine sehr gute Auswahl getroffen“, lobte Rosmarie Feuser, Zweite Küfo-Vorsitzende, die riesigen Fotoarbeiten, die auf Kunststoffplatten gedruckt Zäune, Wände, Gitter zieren. Überdies stellen sich reizvolle Dialoge ein zwischen der Kunst, umgebenden Architekturstrukturen sowie den derzeit allenthalben grünenden und blühenden Pflanzen. Beigeordneter Rolf Plewa sprach dem Küfo „ein großes Dankeschön“ aus, da es Remagens Leitspruch „Kunst, Kultur und Lebensfreude“ neue Impulse verliehen hat. Die „unglaublich viele Arbeit“, die hinter einem solchen Projekt steckt, hob er, gerichtet an den Küfo-Vorsitzenden Horst Peter Vitt, besonders hervor.
Dreiäugig im Wasser treibend
Was die Künstler auftischen, entspricht nicht immer eitel Vergnügen und Lebensfreude. Durchaus beabsichtigt und der Außengalerie zuträglich, haben auch andere Akzente Einlass gefunden. Ellen R. Dornhaus aus Wachtberg spielt zwar, dem Ort geschuldet, mit Fließ- und Rheingold-Assoziationen. Ihre Puppen aber, die unübersehbar die Fenster des Küfo-Domizils erobert haben, verbürgen sich zugleich für schräge Begegnungen. Mal dreiäugig im Wasser treibend, mal mit umflorten Teenager-Augen und gepressten Lippen oder hinter böser goldener Vogelmaske, lehren sie einen das Gruseln. Dennoch passen sie in den Kultursommer. Denn der hat das Shakespeare-Wort „Winter des Missvergnügens“ auf den Kopf gestellt, was er auch von seinen Aktionen erwartet. Da in 2016 zudem das Kultur-Jubiläum 100 Jahre Dada gefeiert wird, stellte Heike Henze-Bange, Kunstvermittlung Arp Museum, bei ihrer Führung immer wieder den Bezug zur Kunstbewegung her. Für Dornhaus‘ Puppen nannte sie etwa das von Dadaisten gern genutzte Mittel der Provokation. Auch die Künstler selbst kommentierten ihre Arbeiten.
Sommerlust mit Boot und Brause
Von der Kirchstraße ging die Vernissage-Gruppe durch die Pintgasse zum Rhein. Hermann Brix inszeniert da Impressionen vom Wasser, und Motorradfahrer hatten auf der anderen Seite des Geländers so sensibel auf Lücke geparkt, dass dazwischen Peter Lüdtkes stimmungsvolle Remagen-Ansichten von Rhein und Apollinariskirche vorlugten. Ein Stück zurück bezirzen im Torbogen spontane Bild-Kompositionen in ruhigem Schwarz-Weiß von Till Rachold (Königswinter). Ein Schwimmer, Fahrradfahrer und Wasserflächen, in Farb-Strukturen getaucht von Sabine A. Hartert, begrüßen beim Einbiegen in die Neipengasse, Der Mannheimer Harald Priem, immer auf der Spur von „Un-Orten“, würdigt indes Vater Rheins angeschwemmte Treibgut-„Skulpturen“, gefolgt von einem sphärischen Foto-Trio in Orange-Beige-Blau des Bonner Künstlers Stefan Zajonz und wiederum beschaulicher Schwarz-Weiß-Fotografie von Rachold. Es bleibst abwechslungsreich, denn als nächstes brechen sich pralle Sommerlust und Wasserfreude Bahn in spritzigen und fließenden Momentaufnahmen vom Gardasee: Nicola Solodas aus Bonn hat Luftmatratze, Boot und Brause eingefangen.
Bevor die Neipengasse links in Richtung Innenstadt abknickt, stiegen die Teilnehmer des Rundgangs das Treppchen zum Rheinufer hinab. Treppaufwärts blickend, sah man auf der Rückseite Gitters Günter Karls Erinnerungen an verstorbene Freunde. Wild verwirbelte Collage-Portraits mit erzählerischen Elemente zeigen den Documenta-Künstler Mo Edoga aus Nigeria, den isländischen Popartisten Erró, Fotograf Gerhard Vormwald und Musiker Hans Reffert, lange Gitarrist von Guru Guru. Eine reduzierte Bildsprache bevorzugt Anne von Hoyningen-Huene. Zurück auf der Neipengasse vertieften sich die Betrachter in ihre mit der Lochkamera gebannten sommerlich geöffneten Fenster, die aus dem Dunkel leuchten. Jung, frisch, knallig bringt sich am „Ende“ des Parcours Daniel Wilmers ein. Der in Bad Bodendorf aufgewachsene, heute in Leipzig lebende Foto-Künstler, zeigt einen hemmungslosen Umgang mit der Farbe. Fast überdeckt der, dass auch Poesie in den Formaten steckt. Wilmers feiert den Sommer mit verschwenderischem Blühen, aufgerissenem Himmel überm Sonnenschirm, grellem Glücksschwein, Rose und verfremdeten Schlüpfern vom Wochenmarkt. Offenbar hat er es raus, Punk, Pop und Poetry leicht und unverfroren für seinen speziellen Sommermix anzurichten. HG