Drei Fragen an den Religionspädagogen Dr. Albert Biesinger
Religiös erziehen ist eine heiße Nummer
Vortrag und Diskussion am Montag, 19. Juni in Ahrweiler
Ahrweiler. Ein Vortrag von Dr. Albert Biesinger findet am Montag, 19. Juni in der Zehntscheuer Ahrweiler, Am Markt, statt. Der Eintritt ist frei, Spenden zur Deckung der Kosten und für die Familienarbeit im Dekanat sind erbeten.
Zuvor hat Blick aktuell drei Fragen an den Religionspädagogen gestellt.
Viele halten Religion für völlig überholt und sehen in ihr das Übel allen Unfriedens. Da kommen Sie daher und machen sich dafür stark, religiös zu erziehen?
Dr. Albert Biesinger: Schauen Sie – nur ein Paar Blitzlichter aus dem Alltag in deutschen Kindertagesstätten und Grundschulen: Muslimische Kinder fragen: „Was feiert ihr eigentlich an Ostern?“; ein anderes Kind kommt heim und sagt: „Ich esse ab jetzt kein Schweinefleisch mehr, sonst komm ich in die Hölle“; oder ein drittes ist verwirrt und erzählt: „Mustafa sagt, Gott kann gar keinen Sohn haben“. Wir können es uns heute gar nicht mehr leisten, Kinder nicht religiös zu erziehen. Denn sie kommen in unserer Zeit in Situationen, die eine gewisse religiöse Grundbildung erfordern.
Wozu ist das gut? Ist Religion nicht Privatsache?
Dr. Albert Biesinger: Wir feiern Feste, wir fasten oder essen dies, aber das nicht, wir haben ein bestimmtes Menschenbild, Hoffnungen, Überzeugungen, Prinzipien - alles beeinflusst das Miteinander. Der Mensch lebt nun mal in Gemeinschaft. Deshalb müssen wir schauen, dass die Kinder möglichst früh Klarheit gewinnen über ihren christlichen oder muslimischen oder sonstigen Hintergrund, ihre Wurzeln. Dass sie möglichst früh lernen, darüber zu reden.
So lernen wir voneinander und verhindern Vorurteile. Letztlich geht es um Religionsfrieden in der Gesellschaft. Ich möchte nicht, dass später Kirchen, Moscheen oder Synagogen brennen.
Überfordern Sie damit nicht viele Eltern, die heute selbst nur noch mangelhaft über Grundkenntnisse ihrer Religion verfügen?
Dr. Albert Biesinger: Durchaus. Aber es hilft nichts. Auch die Kinder von säkularen Eltern brauchen ein fundiertes religiöses Orientierungswissen, damit sie sich mit religiösen Fragen im Alltag auseinandersetzen können. Das sind Fragen nach Tod und Leben, Jenseits und Diesseits, Glück und Getragen-Werden von einem Schöpfer, Sinn des Lebens. Jeder Mensch muss eine echte Freiheit haben, wie er sich religiös definiert – oder auch nicht.
Manche sagen, mein Kind soll sich später selbst religiös entscheiden, wenn es erwachsen ist. Aber: Ich spreche ja auch nicht mit meinem Sohn zehn Jahre lang kein Deutsch, weil er sich vielleicht mit elf eventuell für Chinesisch entscheiden könnte. Zudem ist es völlig illusorisch zu glauben, man könne das eigene Kind in einem religionsfreien Raum erziehen. Jedes Tun und Lassen von Vater und Mutter legt die religiöse Grundüberzeugung, und sei sie noch so diffus, offen.
Ich sage natürlich auch selbstkritisch: Kirche erwartet, dass Eltern ihre Kinder im christlichen Geist erziehen – dieses Versprechen nehmen wir ihnen bei der Taufe ab. Und dann lässt sie sie allein. Viele Eltern sind nämlich ratlos. Sie würden schon gerne religiös erziehen, wissen aber nicht wie.
Zur Person
Albert Biesinger (*1948, Tübingen) weiß, wovon er spricht. Der vierfache Vater studierte katholische Theologie und Erziehungswissenschaften. Er lehrte Religionspädagogik an den Universitäten Salzburg und Tübingen und war als Notfallseelsorger nach dem Amoklauf von Winnenden im Einsatz. Biesingers Überzeugungen erhalten eine ganz eigene und persönliche Note durch eine Nahtoderfahrung 2010 im Rahmen einer Operation.
Lesetipp
Albert Biesinger
- Kinder nicht um Gott betrügen.
Warum religiöse Erziehung so wichtig ist. 14. Auflage. Herder – Verlag 2013
- Wie Gott in die Familie kommt
Kösel -Verlag 2008
Pressemitteilung des
Dekanates Rhein-Eifel