Demonstration in Ochtendung gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus
„Es ist eine schlechte Zeit, unpolitisch zu sein“
Ochtendung. Mit einer solchen Resonanz hatte niemand gerechnet: Fast 400 Menschen zogen am vergangenen Samstag durch die Ortsgemeinde Ochtendung und demonstrierten gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Unter der Federführung der früheren Ortsbürgermeisterin Rita Hirsch hatten sich die Ochtendunger Vereine zu diesem Bündnis zusammengeschlossen. Gestartet wurde der Zug um 11 Uhr in der Hospitalgasse. Von dort ging es über die Plaidter Straße, die Hauptstraße, die Kastorstraße, die Klöppelsgasse, den Kirchhofsweg, Im Roten Wingert, den Burgweg, Aufm Hürter, den Hürtersweg, Im Bergfrieden, den Burgweg, Im Roten Wingert und den Kanalweg zum Schulhof auf dem Raiffeisenplatz.
„Ich bin überwältigt“, gab die Organisatorin einen Einblick in ihr Seelenleben. „Wir haben heute klar bewiesen: Was in Städten bereits praktiziert wird, das ist auch in unserer vielfältigen Heimatgemeinde Ochtendung möglich“, verdeutlichte Hirsch. „Wir sind bunt und bleiben bunt.“ Ähnlich sah es Ortsbürgermeister Lothar Kalter: „Deutschland beginnt im kleinsten Gemeinwesen und somit auch bei uns. Wir setzen heute ein deutliches Zeichen. Schon in den ersten Wochen des Jahres 2024, besonders im Karneval, wurde auf die gesamtgesellschaftliche Dimension dieses Leitspruchs hingewiesen.“
Demokraten müssten gemeinsam für die Demokratie einstehen, so der Landtagsabgeordnete Torsten Welling bei seinem „Heimspiel“ in Ochtendung. „Es ist eine schlechte Zeit, unpolitisch zu sein. Heute ist es anders als vor 100 Jahren, denn heute kann niemand sagen: Das habe ich nicht gewusst, das hätte niemand erahnen können. Wir sind ein Rechtsstaat mit einer sozialen Marktwirtschaft und christlichen Wurzeln. Darauf können alle stolz sein, denn Patrioten lieben ihr Land und das, was wir gemeinsam erreicht haben. Nationalisten hassen alles Fremde.“
Das unterstrich auch der Bürgermeister der Verbandsgemeine Maifeld während der Abschlusskundgebung auf dem Schulhof. „Es ist ein guter Anlass, um klare Worte zu finden. Es ist der richtige Ort und die richtige Zeit, um hier zu stehen. Wir haben keinen braunen Pöbel dabei und sind froh, solche Leute auf dem Maifeld auch nicht zu haben“, erklärte Maximilian Mumm. „Ich bin in Köln geboren und mit unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen, habe mit Italienern, Türken und Portugiesen Fußball gespielt. Und in der Schule saß das Mädchen mit dem Kopftuch neben mir. Heutzutage müssen wir uns wehren und aufstehen, damit diese Vielfalt erhalten bleibt.“
Wenn Ochtendung bunt bleiben solle, dann „müssen wir immer wieder miteinander reden“, so Dekan Carsten Scher. „Um uns besser kennenzulernen, um voneinander zu wissen. Damit Vorurteile abgebaut werden, damit wir uns besser verstehen. Wir müssen uns mit Problemen auseinandersetzen, anstatt das Feld den einfachen populistischen Parolen zu überlassen.“ Der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Plaidt, Stephan Koch, war nach dem Marsch guter Dinge: „Mit dieser Demonstration kommt ein kleines Steinchen ins Rollen, das mit vielen anderen kleinen Steinchen zu der Lawine wird, die die Fremdenfeindlichkeit aus unserem Land aus den Herzen der Menschen herausdrängt.“
An den beiden Gedenkstätten, der Stele am Standort der 1882 erbauten früheren Synagoge und der Judenfriedhof im Bergfrieden, sprach der Ochtendunger Chronist Günther Gries als Mitglied des Heimatvereins rührende Worte der Erinnerung. „Die beiden Orte sind Denkmal und Mahnmal zugleich. Denkmal für eine Zeit, in der ein weitgehend friedfertiges Miteinander zwischen Christen und Juden selbstverständlich war. Mahnmal dafür, dass diese Stimmung mit der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahr 1933 auch in Ochtendung nach und nach umschlug und dass die Hetzparolen der Nationalsozialisten auch hier auf fruchtbaren Boden fielen. Jüdische Familien verschwanden von heute auf morgen. Seien wir wachsam und sorgen wir dafür, dass sich so etwas nicht noch einmal wiederholt.“
Zum Abschluss der Kundgebung sangen 400 Menschen das Lied „Ode an die Freude“ von Friedrich Schiller und Ludwig van Beethoven. Es war ein beeindruckendes Bild. Und der endgültige Beweis dafür, dass eine bunte Ortsgemeinde wie Ochtendung in jeder Hinsicht Flagge zeigt.