Helene Gomse vom rheinland-pfälzischen Landesverband der Sinti und Roma sprach vor Schülern des Rhein-Gymnasiums

Rassismus bedarf steter Aufklärung

14.02.2017 - 08:30

Sinzig. Am 27. Januar jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 72. Mal. Im Rahmen des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus besuchte Helene Gomse, wissenschaftliche Mitarbeiterin des rheinland-pfälzischen Landesverbands Deutscher Sinti und Roma mit Sitz in Landau, das Rhein-Gymnasium, um über die Auswirkungen von Rassismus auf die Sinti und Roma zu sprechen. Sie umriss die Verfolgung und Schicksale in der Nazizeit jeweils in Doppelstunden für die neunte Klasse, die 10b und 10c sowie die 13. Jahrgangsstufe mit ihren Lehrerinnen Angelika Herbst, Ilse Kösling und Barbara Küster.

Den Anstoß auch für Gomses Einsatz in Andernach, auf Nonnenwerth und in der Remagener Realschule gab das Bündnis Remagen für Frieden und Demokratie. Rita Kupfer vom Bündnis verfolgte die Ausführungen im Rhein-Gymnasium, wo Gomse keinen Frontalvortrag hielt, sondern die Schüler einband.

„Warum heißen Sinti und Roma so? Woran sind sie zu erkennen? Was gibt es sonst für Minderheiten?“ Die Volksgruppe, früher mit dem negativ besetzten Begriff „Zigeuner“ benannt, wanderte vor 1000 Jahren aus Indien nach Europa. In Deutschland wird sie 1407 erstmals in Hildesheim erwähnt. „Sinti nahmen die westliche Route, Roma die östliche nach Rumänien und Bulgarien.“ Heute seien die meisten sesshaft. Doch gäben sie sich nicht zu erkennen, um keine Nachteile zu haben, da die Diskriminierung auch heute noch anhalte. Selbst die Zugehörigkeit von Stars wie Drafi Deutscher und Marianne Rosenberg wurde erst spät bekannt. „Das ist ein weites Feld“, so Gomse. „Es ist keine homogene Gruppe. Der Landesverband versucht, das Bild differenzierter zu gestalten.“


Von den Nazis ermordet


500.000 Sinti und Roma wurden europaweit von den Nazis ermordet. Die Schüler sahen Fotos, auf denen sie vermessen wurden. Der Deportation ging die systematische ideologische Erfassung und Kennzeichnung voraus. Dazu trugen die Gutachten der „Rassehygienischen Forschungsstelle“ von Robert Ritter bei. Absolute Stille herrschte, als in Original-Filmaufnahmen „Die Kinder von Mulfingen“ des Kinderheims St. Josefspflege erschienen: Sie lachen, spielen, wienern Schuhe und necken sich. „Rasseforscherin“ Eva Justin filmte die Kinder. Sie „untersuchte“ die 39 Sintikinder nach Fantasiekriterien ohne Vergleichsgruppe für ihre Doktorarbeit und empfahl, sie zu sterilisieren.

Im August 1944 kamen sie in Auschwitz ins Gas, bis auf vier Überlebende. Warum diese vier? Sie waren gesund und kräftig genug für Arbeitseinsätze, wie Amalia. Ihr ganzes Leben litt sie darunter, so erzählte Gomse, dass damals die jüngeren Schwestern zu ihr sagten. „Du darfst gehen und wir werden verbrannt.“ Die Kinder haben also genau gewusst, was sie erwartete. Kaum eine Familie hatte keine Opfer zu beklagen. Besonders bitter war es für die Sinti und Roma, nach dem Ende der Nazi-Diktatur zu erleben, dass sie nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt und unter der Begründung, eine rassische Verfolgung habe es nicht gegeben, Entschädigungen verweigert wurden. Zu einem Umdenken führte 1980 ein international beachteter Hungerstreik von Überlebenden im ehemaligen KZ Dachau.


Zeit ging zu schnell vorbei


Die Schüler zeigten sich sehr interessiert an dem Thema, doch ging die Zeit viel zu schnell vorbei, um noch über die aktuelle Situation der Sinti und Roma zu sprechen. Viele Aspekte ließen sich nur anreißen. Allerdings waren die Teilnehmer dieses besonderen Unterrichts zuletzt dafür sensibilisiert, wie hartnäckig einmal verankerte Vorurteile über lange Zeiträume fortwirken und dass es steter Aufklärung bedarf, um das Ziel, „das Bild differenzierter zu gestalten“, zu erreichen. HG

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