Das Weiße Rössl galoppiert in die Zuschauerherzen
Singspiel begeistert generationenübergreifend
Mayen. Wenn es im Theater ähnlich wie im Pferdesport eine Vielseitigkeitswertung geben würde, dann wären die Mayener Burgfestspiele erster Anwärter auf die Goldmedaille. Nach der umjubelten Premiere der anspruchsvollen Theaterkost „Terror“ kommt das zweite Hauptstück „Im weißen Rössl“ mit einer solchen Leichtigkeit daher, dass es eine Freude ist den Akteuren auf der Bühne zuzusehen.
Und die Spielfreude des Ensembles überträgt sich bei der Premiere schnell auf das Publikum. Bei den bekannten Melodien klatschen und singen die Zuschauer schnell begeistert mit. Aber es sind nicht nur die bekannten Melodien, die für die Ovationen sorgen, sondern auch die peppige Inszenierung und abwechslungsreichen Choreografien, mit denen die Mayener Theatermacher aufwarten.
Die Geschichte des weißen Rössl wurde 1930 uraufgeführt und kommt 88 Jahre später in Mayen modern daher, ohne den ursprünglichen Charme zu verlieren.
Dafür verantwortlich zeichnen sich besonders die vielseitigen Akteure, die nicht nur schauspielern können, sondern auch singen und tanzen, und das auch zumeist noch gleichzeitig.
Beispielsweise Jan Nicolas Bastel, der als Zahlkellner Leopold die Wirtin Josepha Vogelhuber (Saskia Kästner) umgarnt und seine Gefühle eindrucksvoll gesanglich zu Gehör bringt. Die Wirtin hingegen hat ein Auge auf Dr. Siedler (Marco Wohlwend) geworfen, der seinerseits mit Ottilie (Marissa Möller) anbandeln möchte. Der schöne Sigismund (Sven Prüwer), der eigentlich mit Ottilie verheiratet werden soll, um ein Geschäft mit dem Trikotagenfabrikanten Giesecke (Matthias Manz) einzufädeln, verliebt sich hingegen in Klärchen (Marie Anjes Lumpp).
Beste Theaterunterhaltung
Genügend Stoff und Verwirrung für zweieinhalb Stunden allerbeste Theaterunterhaltung, wobei die Mayener in der Inszenierung von Catarina Fillers aus diesen Ausgangsbedingungen richtig viel machen. Wortwitz, Situationskomik wechseln sich mit tollem Tanz und Gesang in atemberaubender Geschwindigkeit ab, sodass auf der Zuschauertribüne kaum Zeit zum Luftholen bleibt. Schließlich kennen die Zuschauer fast jeden der Ohrwürmer, mit der Folge, dass während des Gesangs stets eine leiser Backgroundchor von den Tribünen zu hören ist.
Zusammengehalten wird die Story von Reisebüroleiter Professor Hinzelmann (Charles Ripley), der als erzählender, singender und tanzender Erzähler dauerpräsent auf der Bühne die Fäden der Handlung verbindet. Abgerundet wird die Szenerie durch ein farbenprächtiges Bühnenbild, welches das Salzkammergut, mit der Eifel verbindet und sogar den Kaiser von Österreich integriert. Dieser besucht das Weiße Rössl dann auch noch höchstpersönlich (Georg Lorenz) und sorgt so mit dafür, dass zum Ende hin alle Liebenden doch noch zueinander finden.
Damit Handlung und Musik harmonisch zusammenfinden, unterstreicht das Live-Orchester die hohen Ansprüche der Mayener Inszenierung. Das Weiße-Rössl-Trio (Laurenz Wannenmacher, Johannes Huth und Volker Reichling) musizieren so mitreißend, dass es immer wieder zu spontanem Beifall kommt. Dies gilt aber auch für die einzelnen Szenen des Singspiels, die nur so vor witzigen Ideen strotzen. Sei es die Szene im Kuhstall, wo Charles Ripley als swingende Kuh für Lachsalven sorgt, die Benimmregeln für Kellner von Zahlkellner Leopold, die Demaskierung des schönen Sigismund, das Zimmermädchengeschwader, die Kofferträger im Hotel und, und, und.
Natürlich wurde am Premierenabend auch noch der Last-Minute-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft auf der Bühne verkündet und vom Publikum entsprechend gefeiert.
Diese Vielzahl an Szenen und den unterschiedlichen Personen, die im Stück auftreten, verlangt von den Akteuren, sich in mehreren Rollen zu zeigen. Da wird manchmal innerhalb weniger Sekunden hinter der Bühne das Kostüm gewechselt und Marie Anjes Lumpp, Marissa Möller, Sven Prüwer und Co. verwandeln sich auf Knopfdruck beispielsweise von einer eher trampeligen Briefträgerin zur Industriellentochter oder vom Zimmermädchen zum schönen Sigismund.
Faszinierend ist es zu erleben, dass der Charme des Weißen Rössl in dieser Form mühelos alle Altersgrenzen überspringt. Für die reiferen Semester ist der Zauber erhalten geblieben, sodass sicher zahlreiche Erinnerungen wach werden, während die Inszenierung von Cataerina Fillers so frisch gestaltet ist, dass auch die jungen Besucher gut gelaunt auf der Tribüne interagieren.
Schon nach wenigen Minuten konnte man anhand der Reaktionen im Premierenpublikum ahnen, wie der Schlussapplaus ausfallen würde. Langanhaltend, laut, begleitet von „Bravo-“ und „Zugabe“Rufen feierte das Publikum die Künstler minutenlang mit stehenden Ovationen. Und bei der Zugabe mit dem Hitmedley der Aufführung ging dann so richtig die Post ab.
Das Weiße Rössl hat nun also geöffnet und wie es bei Hotels von hoher Qualität üblich ist, empfiehlt sich eine frühzeitige Reservierung, denn die besten Plätze dürften nach dieser Premiere in den nächsten Tagen schnell vergriffen sein. BLA