Unterhaltsamer Abend aus Kabarett, Musik und Interviews
Den „Dorf-TÜV“ mit Bravour bestanden
Das Heimatvarieté „Saalü“ gastierte in der Niederlützinger Lavahalle
Niederlützingen. „Niederlützingen ist ein liebens- und lebenswertes Dorf. Hier möchten wir auch wohnen.“ Zu dieser Erkenntnis kamen am vergangenen Wochenende die Akteure von „Saalü“, die mit ihrem Heimatvarieté in der örtlichen Lavahalle gastiert und einen abwechslungsreichen und unterhaltsamen Abend präsentiert hatten. Rund vier Stunden lang hatte Niederlützingen auf dem Prüfstand gestanden, ehe die Prüfer dem Brohl-Lützinger Ortsteil das Zertifikat „liebens- und lebenswertes Dorf“ verliehen. Bei „Saalü“ handelt es sich um ein Projekt des rheinland-pfälzischen Kultusministeriums sowie des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz, das bereits seit 1994 mit großem Erfolg von Dorf zu Dorf wandert. 2001 machte das Heimatvarieté erstmals Station in Niederlützingen. Damals mit ebenso großem Erfolg wie am vergangenen Samstag. Robert Endris, Vorsitzender des Vereinsrings, ein Gremium, dem sämtliche Niederlützinger Ortsvereine angehören, das die Veranstaltung vorbereitet hatte, eröffnete den Abend mit einer kurzen Begrüßungsansprache. Danach übernahm das dreiköpfige Schauspieler-Ensemble die Regie auf der Bühne. Herr Müller (alias Wolfgang Müller-Schlesinger) nahm das Dorf im Auftrag des „Ministeriums des Inneren, für Sport, Spaß und Infrastruktur“ gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter , Herr Welte (Mark Welte) und der Dauer-Praktikantin Frau Drops (Charla Drops) unter die Lupe. „Viele Dörfer sind vom Aussterben bedroht. Um diesem Trend entgegenzuwirken, überprüfen wir heute Niederlützingen dahin gehend, ob es sich lohnt, dass unser Ministerium künftig noch in dieses Dorf investiert“, konstatierte Dorfprüfer Müller und gab den „roten Faden“ des Varieté-Programms vor. Um erste Interna über das Dorfleben zu erfahren, bat er Ortsbürgermeisterin Christel Ripoll zu einem Interview auf die Bühne. In einem sehr unterhaltsamen Dialog - er gipfelte in einem tollen Gedicht über Niederlützingen, das Christel Ripoll vortrug - stellte die Gemeinde-Chefin eindeutig klar, dass es sich lohnt, in Niederlützingen zu investieren. Das unterstrich auch Mia Mosen, die sich im zweiten Dorfgespräch den sehr originellen Fragen von Prüfer Weltke unterzog. Die 90-Jährige vor 70 Jahren aus der Moselgemeinde Konz nach Niederlützingen gekommen, begeisterte Prüfer und Publikum mit der ihr angeborenen Schlagfertigkeit und ebenso originellen Antworten. Passend dazu der Liedvortrag von Ulrike Schmitz „Mein schönes Lötzing“. Frau Drops demonstrierte auf dem Podium mit einer Therapiesitzung - sie trat als Therapeutin und Patientin in einem auf - , was man gegen „Landdepressionen“ tun kann. Dann waren wieder Niederlützinger an der Reihe. Die Aktiven des Tambourclubs „Spielfreunde“ trugen mit ihrem Auftritt ebenso zum Gelingen des Abends bei wie die Sänger des Männergesangvereins „Unterhaltung“, die zu Beginn des zweiten Teils des Programms zu hören waren.
Aufstieg und Ende Kaiser Napoleon Bonapartes
Im anschließenden dritten Dorfgespräch plauderten die „Ur-Lützinger“ Achim Schmitz und Hans-Peter Gammel aus dem Nähkästchen, u.a. über die hiesige Schulgeschichte - die Lavahalle beinhaltet die frühere Niederlützinger Schule - und über Bräuche des örtlichen Junggesellenvereins: Maivesteigerung und Fähndelschwenken. Passend dazu der Auftritt von Bernd Gawlik. Als Fähnrich des Junggesellenvereins hatte er Ende der 70er Jahre den Ort bei den Junggesellenfesten in der Region repräsentiert. Robert Endris - er fungierte Anfang der 1970er Jahre als Vorsitzender des Junggesellenbundes Rheinland - erklärte die Handgriffe, die der Fähnrich beim Fahnenmarsch, den der Tambourclub spielte, zeigte, die, so Endris, Aufstieg und Ende Kaiser Napoleon Bonapartes symbolisieren. Zu einem Ort gehört natürlich der Dialekt, der dort gesprochen wird. Auch hierauf hatten sich die Niederlützinger bestens vorbereitet und eine absolut originelle Aufnahmeprüfung zusammengestellt. „Ber en eschte Lötzinge were well, der mohs och anstänesch Lötzinge Platt schwätze“, machte Jutta Kulmus deutlich, die die Prüfung gemeinsam mit Tanja Nikolay durchführte. Mit Prüfling Stefan Vogt bewarb sich ein Meister „des Wehrer Platts“ um Aufnahme in die Niederlützinger Dorfgemeinschaft. Obwohl die beiden Orte nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen, unterscheiden sich diverse Begriffe doch sehr deutlich voneinander. Stefan Vogt konnte die Prüfkommission mit der ihm eigenen Sprachgewandtheit vollends überzeugen und wurde in die hiesige Dorfgemeinschaft aufgenommen.
Schlaglochpatenschaft im J(L)ammertal
Jedes Dorf hat natürlich mit individuellen Problemen zu kämpfen. Um diese herauszufinden, hatte sich Martina Helffenstein, die Projektleiterin von „Saalü“, in den vergangenen Monaten mehrfach in der Gemeinde aufgehalten und die Straße „Im Lammertal“ (die Verbindungsstraße zwischen Niederlützingen und Brohl) mit ihren Schlaglöchern als einen Hauptproblemfall ausgemacht und dazu einen Film gedreht, und zwar sogar mit einem Problemlösungsansatz, denn: Ab sofort können im J(L)ammertal Schlaglochpatenschaften übernommen werden!!! Jürgen „Jokel“ Nonn wurde im Film als erster Schlaglochpate vorgestellt. „Saalü“ präsentierte in den rund 15-minütigen Streifen auch Ausschnitte aus Interviews mit Dorfbewohnen, die überwiegend ebenfalls ihre Bereitschaft signalisierten, Schlaglochpaten zu werden, wenn auch teilweise unter gewissen Bedingungen, z.B. das Recht, Blümchen im Schlagloch anzupflanzen.„Auch das Engagement der Bürger, die Probleme anzugehen und in den Griff zu bekommen, zeigt uns Prüfern, dass es sich lohnt, hier zu leben“, stellte Chef-Prüfer Wolfgang Müller nach rund vier Stunden Überprüfung fest und erklärte, Niederlützingen habe den Dorf-TÜV mit Bravour bestanden. „Es war der schönste Tag in unserem Leben, wir bleiben und werden Niederlützinger“, erklärte das „Saalü“-Ensemble unisono zum Abschluss eines gelungenen Varieté-Abends.