Interview mit Rolf Flerus
Baumaßnahmen Wallersstraße sorgen für erhitzte Gemüter
BLICK aktuell: Herr Flerus, bitte sagen Sie uns in einfachen Worten, um was es hier überhaupt geht.
Rolf Flerus: Seit vielen Jahren liegt eine Zusammenstellung der Zuflüsse von Oberflächenwasser aus den Außenbereichen in die Ortslage der Stadt Bad Breisig vor. In dieser Darstellung aus dem Jahr 2008 sind insgesamt zehn konkrete Bereiche benannt, die auch vor der Gründung des Entsorgungs- und Servicebetriebes Bad Breisig/Brohltal AöR in den Gremien der Stadt thematisiert wurden. Einige Maßnahmen zur Beseitigung der Zuflüsse sind bereits durchgeführt worden, so z.B. der Bereich Vogelsangstraße, wo eine Leitung in der Kreisstraße zur Ableitung von Außenbereichswasser verlegt wurde, sowie der Bereich Kleinholl und Liesbachstraße, wo weitere Maßnahmen verwirklicht wurden. Auf die Wallersstraße bezogen ergeben sich nach dieser Darstellung Zuflüsse aus den Außengebieten, deren Oberflächenwasser auf folgende Straßen drückt: Goten-, Sachsen-, Eichendorff- und Wallersstraße. Im Zuge des Ausbaus der K 48 wurde mit dem Landesbetrieb Mobilität Cochem/Koblenz zur Ableitung des Straßenoberflächenwassers die Errichtung eines Rückhaltebeckens oberhalb der Ortslage Oberbreisig, von Wallers aus gesehen, vereinbart. Dessen Überlauf wurde provisorisch, da kein Vorfluter vorhanden ist, an den Mischwasserkanal angeschlossen, jedoch mit der Maßgabe, dass der Zufluss nach der Verlegung des jetzt strittigen Ableitungskanals zum Frankenbach an diesen umgebunden wird.
BLICK aktuell: Wir verstehen also richtig: Die Baumaßnahme in der Wallersstraße hat mehrere Ursachen. Können Sie diese bitte benennen?
Rolf Flerus: 1. Durch die Ableitung von Außenbereichswasser, das auf die Ortslage zuströmt und für das die Stadt Bad Breisig zuständig ist, denn sie hat durch die Ausweisung von Baugebieten hier die Fakten geschaffen.
2. Durch die Ableitung von Straßenoberflächenwasser der Kreisstraße außerhalb der Ortsdurchfahrt, für das der Straßenbaulastträger (Landkreis) zuständig ist.
3. Durch die Ableitung von Überlaufwasser aus Regenbecken des späteren Baugebietes „Bubenhelle“, das im Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Bad Breisig vorgesehen ist.
BLICK aktuell: Sie sagen, mit der Maßnahme wird Oberflächenwasser von Straßen und Außengebietswasser ordnungsgemäß gesammelt und abgeführt. Warum?
Rolf Flerus: Das Straßenoberflächenwasser außerhalb der Ortslage (Kreisstraße) fällt nicht unter die Abwasserbeseitigungspflicht der Verbandsgemeinde. Es fällt aber an und muss ohne Beeinträchtigung für die Unterlieger abgeführt werden. Außenbereichswasser unterliegt ebenfalls nicht der Abwasserbeseitigungspflicht der Verbandsgemeinde. Für den Betrieb der Abwasseranlagen benötigt die Verbandsgemeinde als Träger der Abwasserbeseitigung eine wasserrechtliche Erlaubnis, die durch die SGD Nord in Koblenz erteilt wurde. In dieser Erlaubnis ist klar vorgegeben, dass Quellen, Dränagen, Grundwasser usw. nicht in die Anlagen der Verbandsgemeinde eingeleitet werden dürfen. Dieses Wasser unterliegt nicht der Reinigungspflicht und braucht daher nicht über die Pumpanlagen bis zur Kläranlage nach Sinzig transportiert werden, da hierdurch unnötige Betriebskosten entstehen, die die Solidargemeinschaft zu tragen hat.
BLICK aktuell: Das heißt: Die Stadt Bad Breisig ist rechtlich verpflichtet, den Kanal zu verlegen?
Rolf Flerus: Das Wort Kanal kann man besser mit dem Wort „Fremdwasserleitung“ beschreiben, denn es handelt sich um Außengebietswasser, das über eine Rohrleitung unschädlich dem Vorfluter, hier Frankenbach, zugeführt wird. Wäre unterhalb von Wallers im Eingangsbereich von Oberbreisig ein Vorfluter (Bachlauf) vorhanden, hätte dort die Einleitung erfolgen können.
Die Stadt Bad Breisig hat in den fraglichen Bereichen durch die Ausweisung von Neubaugebieten vor Jahrzehnten die Fakten gesetzt, ohne für das aus dem natürlichen Einzugsgebiet auf die Ortslage zuströmende Wasser Ableitungsmöglichkeiten außerhalb des Mischwasserkanals zu schaffen.
BLICK aktuell: Herr Flerus: Ist es richtig, die Stadt Bad Breisig hat überhaupt kein Ermessen, diese Maßnahme durchzuführen, sie muss?
Rolf Flerus: Ja, denn die Mischwasserkanalisation wird hierfür nicht betrieben. Selbst wenn die Verbandsgemeinde hier ein Trennsystem betreiben würde, hätte sich die Stadt für das nicht von bebauten und befestigten Flächen innerhalb der Ortslage abfließende Wasser kostenmäßig beteiligen müssen.
BLICK aktuell: Wer verlangt das denn: Sie als Abwasserwerk oder eine Stelle der Landesregierung?
Rolf Flerus: Das Abwasserwerk hat eine Allgemeine Entwässerungssatzung, die dem Satzungsmuster in Rheinland-Pfalz entspricht. Daneben sind das Landeswassergesetz sowie das Wasserhaushaltsgesetz die Grundlage für die Zuständigkeit der Verbandsgemeinde als Träger der Abwasserbeseitigung.
BLICK aktuell: Nochmals, wir fassen nach: Besteht der absolute rechtliche Zwang, die Maßnahme durchzuführen?
Rolf Flerus: Ja.
BLICK aktuell: Haben wir richtig verstanden: Nur weil der derzeitige rechtswidrige Zustand befristet geduldet wird, weil die Zusage besteht, dass die Stadt handelt, muss die VG Bad Breisig zur Zeit jedes Jahr reines Regenwasser, das nicht geklärt werden darf/muss, Geld an den Abwasserzweckverband Untere Ahr zahlen?
Rolf Flerus: Der Einleitung aus der Sachsenstraße wurde vom Werksausschuss befristet zugestimmt, damit für die betroffenen Grundstückseigentümer eine Entlastung eintritt. Die Verbandsgemeinde wird nach dem Kostenverteilungsschlüssel des AZV herangezogen, d.h. die abgerechnete Schmutzwassermenge und die sich nach der Fläche ergebenden Anteile für das Niederschlagswasser werden angesetzt.
Es entstehen aber in Bad Breisig Kosten für die Ableitung dieses Wassers durch Pumpenstunden, Stromkosten usw.
BLICK aktuell: Also könnte man behaupten, dass der rechtswidrige Zustand zur Zeit vom Gebührenzahler Abwasser in der Verbandsgemeinde Bad Breisig subventioniert wird?
Rolf Flerus: Ja, deshalb ist es die Aufgabe der AöR, dort, wo Wasser zufließt, für das der Träger der Abwasserbeseitigung (Verbandsgemeinde) nicht zuständig ist, Abhilfe zu schaffen.
BLICK aktuell: Viele behaupten: Hier wird für viel Geld ein Kanal gebaut, der wegen den Grundstückseigentümern in der Sachsenstraße gebaut werden soll. Ist da was dran?
Rolf Flerus: Dies ist nur bedingt richtig, denn wie schon erwähnt, besteht die Möglichkeit über diese Ableitung noch andere Bereiche, die in der Ursprungsdarstellung des Ing. Büros aufgeführt sind, zu entsorgen. Hinzu kommen der Bereich der Kreisstraße außerhalb der Ortsdurchfahrt und das Überlaufwasser aus dem im Flächennutzungsplan vorgesehenen Neubaugebiet „Bubenhelle“.
BLICK aktuell: Herr Flerus, was würde die Stadt Bad Breisig der Kanal kosten, wenn sie den nach Abzug des Investitionsstückzuschusses in Eigenverantwortung bauen müsste?
Rolf Flerus: Hierfür müsste eine hydraulische Berechnung erstellt werden, um die erforderlichen Querschnitte zu ermitteln, wenn kein Wasser der Kreisstraße und kein Wasser aus der Bubenhelle zufließen würde. Abgeschätzt ist mindestens eine Rohrleitung DN 300 mm anstelle der jetzt vorgesehenen Rohrleitung DN 400 mm notwendig. Die gesamten Baukosten würden sich nur um ca. 10 Prozent reduzieren. Durch den Wegfall der Kostenanteile der anderen Einrichtungsträger würde sich der Anteil der Stadt wesentlich erhöhen.
BLICK aktuell: Nun lesen wir, dass andere mit in die Baumaßnahme einsteigen. Wer ist das und warum erfolgt das?
Rolf Flerus: Im Zuge der Maßnahme ist durch das Wasserwerk vorgesehen, die Wasserleitung zu erneuern, sodass dies volkswirtschaftlich eine sinnvolle Lösung, z.B. für die Wiederherstellung der Straßenoberfläche, ist. Der Kreisstraßenanteil entlastet ebenfalls die Stadt. Das Abwasserwerk der Verbandsgemeinde hat sich für den Bereich der „Bubenhelle“ Wassermengen in dieser Leitung gesichert, da dies nach den Vorgaben des Landeswassergesetzes (Ableitung von Niederschlagswasser) nach entsprechender Rückhaltung die wasserwirtschaftlich sowie wirtschaftlich sinnvollste Lösung ist.
Mir scheinen einige Verantwortliche das Zusammenspiel zwischen Bauleitplanung und Abwasserbeseitigung nicht zu verstehen. Die Ortsgemeinde oder hier die Stadt ist zuständig für die Bauleitplanung. Für den Flächennutzungsplan und für die Planung und Ausführung der Abwasseranlagen ist die Verbandsgemeinde zuständig.
Wenn man sich die Situation für Bad Breisig betrachtet, dann ist im Flächennutzungsplan nur die „Bubenhelle“ als neues Baugebiet vorgesehen. Wenn andere Gebiete vorgesehen werden sollen, muss der Flächennutzungsplan geändert werden. Hierüber entscheidet der Verbandsgemeinderat. Derzeit sind in Bad Breisig andere Bereiche ins Gespräch gebracht worden, die nicht über den Flächennutzungsplan und nicht über die Abwasserplanung abgedeckt sind.
Wir haben nicht nur nach den Starkregenereignissen der letzten Jahre verstärkt das Problem aus möglichen Neubaugebieten das Niederschlagswasser schadlos abzuführen, ohne dass Unterlieger beeinträchtigt werden. Teilweise müssten kilometerlange Leitungen bis zum nächsten Vorfluter (Frankenbach, Miebach oder Rhein) verlegt werden, um diese Neubaugebiete zu realisieren. Die Kosten hierfür müssten, soweit kein Erschließungsträger bereit steht, von der Verbandsgemeinde und damit von der Solidargemeinschaft getragen werden. Aus diesem Grunde ist es vonseiten der Abwasserbeseitigung richtig, bei bestehender Ausweisung der „Bubenhelle“ im Flächennutzungsplan hierfür die Voraussetzungen zu schaffen, das Niederschlagswasser gemeinsam mit dem Wasser der Kreisstraße und dem Außenbereichswasser dem Frankenbach zuzuleiten.
BLICK aktuell: Was halten Sie als Fachmann von diesem Handeln der Verantwortlichen im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen?
Rolf Flerus: Aufgrund der Vorgaben des LWG, der Ausweisung der „Bubenhelle“ im Flächennutzungsplan ist es folgerichtig und weitsichtig, sich im Zuge der jetzt anstehenden Maßnahme Kapazitäten zu schaffen, um die Erschließung des Baugebietes langfristig sicherzustellen.
BLICK aktuell: Kann man sagen, wie sich das positiv für die Finanzen der Stadt und der Anlieger auswirkt?
Rolf Flerus: Bei der derzeitigen Maßnahme werden die Stadt und die Anlieger, damit meine ich die Solidargemeinschaft, dies positiv und auch langfristig bemerken, denn die Stadt wird auch weiterhin an Bauland interessiert sein. Die Anlieger im Baugebiet werden über einen einheitlichen einmaligen Beitrag herangezogen, der für die gesamte Verbandsgemeinde Bad Breisig gleich ist, da die Einzelabrechnung für ein Gebiet nicht zulässig ist.
BLICK aktuell: Also ist es für die Stadt Bad Breisig nur positiv, wenn man aus der Handlungsverpflichtung der Stadt eine Gemeinschaftsmaßnahme mehrerer Versorgungsträger und dem Landkreis Ahrweiler als Straßenbaulastträger für die Fahrbahn der Wallersstraße macht?
Rolf Flerus: Auf jeden Fall.
BLICK aktuell: Herr Flerus, aus Ihrer Sicht: Hat irgendein Bürger durch die Maßnahme Nachteile zu befürchten?
Rolf Flerus: Nein.
BLICK aktuell: Herr Flerus: In einem Satz gesagt:
Wie schätzen Sie als neutraler landesweit anerkannter Fachmann die Situation in der Wallersstraße ein?
Ist das was jetzt passiert vernünftig oder unvernünftig, weil unwirtschaftlich?
Rolf Flerus: Wie schon dargestellt, stellt dies die wasserwirtschaftlich sowie wirtschaftlich sinnvollste Lösung dar, die ich nur befürworten kann.