Simone Theisen-Diether aus Weißenthurm hat eine Petition zur Grundlagenforschung der Instabilität der oberen Halswirbelsäule eingereicht

Kampf gegen das „Wackelköpfchen“

Kampf gegen das „Wackelköpfchen“

Simone Theisen-Diether. Foto: privat

23.04.2021 - 14:51

Koblenz. Gelenkbeschwerden betreffen viele Menschen in Deutschland: Bandscheibenvorfälle und Arthrose gelten als Volkskrankheit. Im Allgemeinen sind diese Beschwerdebilder gut erforscht und können meist erfolgreich behandelt werden. Doch auch im Bereich der Wirbelsäulenbeschwerden gibt es weiterhin „weißen Flecken“ auf der medizinischen Landkarte. Die Instabilität der oberen Halswirbelsäule ist eine dieser eher unbekannten Erkrankungen. Instabil bedeutet, dass die Verbindung zwischen Kopfgelenk und Halswirbelsäule zu locker ist. Der nötige Halt fehlt. Ausgelöst wird die Problematik oft durch Unfälle und Traumata, kann aber auch angeboren sein.

Auch wenn dieses Krankheitsbild – von Betroffenen oft „Wackelköpfchen“ genannt - eher selten auftritt, sind die Auswirkungen für die Betroffenen enorm. Massive Kopfschmerzen, Benommenheit und Störungen des Bewegungsapparates führen zu einer gravierenden Herabsetzung der Leistungsfähigkeit, die Belastbarkeit sinkt und die Kraft zur Bewältigung des Alltags fehlt. Oft sind der Verlust des Arbeitsplatzes und soziale Isolation Folgen des Krankheitsbildes. Denn bisher brachte der Gang zu Arzt nur wenig Linderung. Die Instabilität der oberen Halswirbelsäule ist selbst für Mediziner ein oft unbekanntes Feld.

Eine der Betroffenen ist Simone Theisen-Diether aus Weißenthurm bei Koblenz. Sie hat leidet unter diesem Krankheitsbild und hat selbst die Erfahrung gemacht, dass der Arzt oft nicht helfen kann. „Patienten in Deutschland haben meist eine Odyssee an Arztbesuchen hinter sich, ohne Linderung zu erfahren“, weiß Theisen-Diether. Es mangele an Grundlagenforschung. Deshalb hat Theisen-Diether zunächst zwei Bücher zu dem Thema veröffentlicht und geht nun einen Schritt weiter. In einer Petition an den Bundestag fordert sie die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Grundlagenforschung. „Um auf dieses wichtige und bislang vernachlässigte Gebiet aufmerksam zu machen, ist eine intensive Forschung nötig“, sagt sie. Außerdem fordert sie eindeutige Kriterien zur systematischen Erfassung der Lebensqualität der Betroffenen. Um ihre Forderung zu untermauern, hat Simone Theisen-Diether die Petition gemeinsam mit 36 Erfahrungsberichten von Betroffenen eingereicht.BLICK aktuell sprach mit nun Simone Theisen-Diether über ihre ambitionierten Pläne.

BLICK aktuell: Instabilität der oberen Halswirbelsäule – was bedeutet dies eigentlich genau?

Simone Theisen-Diether: Das kann man am besten erklären, wenn man sich den anatomischen Aufbau anschaut. Der Bereich zwischen der Schädelbasis und den beiden ersten Halswirbeln ist der sog. kraniozervikale Übergang. Dort geht also der Hals in den Kopf über. Die Beweglichkeit des Kopfes wird durch ein Zusammenspiel von Sehnen, Muskeln und einem straffen Bandapparat ermöglicht. Kommt es zu Brüchen, Überdehnungen oder Rissen in diesen Strukturen, kann die Stabilität dort nicht mehr gewährleistet werden und es folgt eine erhöhte Beweglichkeit am kraniozervikalen Übergang. Unfachmännisch ausgedrückt bedeutet das, die Wirbelkörper haben viel mehr Bewegungsfreiheit, als es üblicherweise gut ist. Umliegende Nerven werden gereizt, es kann je nach Schwere der Instabilität zu einer Kompression des Hirnstamms, des oberen Rückenmarks oder des Kleinhirns kommen. Man kann es grundsätzlich mit einer Bänderverletzung in Knie oder Sprunggelenk vergleichen, die betroffene Region fühlt sich instabil an, das kennen viele. Leider sind die Folgen bei einer Instabilität der oberen Halswirbelsäule aufgrund der Nervendichte und der Nähe zu Rückenmark und Gehirn um ein Vielfaches größer und in der Regel auch nicht mehr richtig zu beheben. Auslöser können Unfälle verschiedenster Art sein oder aber auch genetische Bindegewebserkrankungen, wie das Ehlers-Danlos-Syndrom.

BLICK aktuell: Wie äußern sich die Beschwerden? Wie ist der Alltag mit einer solchen Erkrankung?

Theisen-Diether: Die Symptome sind sehr vielfältig und reichen praktisch von Kopf bis Fuß. Der kraniozervikale Übergang fungiert als Durchgangsstelle zwischen Kopf und dem restlichen Körper, sodass aufgrund von Verletzungen nicht nur die Beweglichkeit des Kopfes selbst fehlerhaft ist, sondern auch Nerven, Blutbahnen, Gefäße, die Versorgung des Körpers mit Nährstoffen und vieles mehr beeinträchtigt werden. Es kommt zu Schmerzen, Benommenheitsgefühl, Schwindel, Konzentrationsproblemen, Gangunsicherheit bzw. Gleichgewichtsproblemen, Sehstörungen, Herzrhythmusstörungen und chronischer Erschöpfung, um nur einige der Beschwerden zu nennen. Am häufigsten hört man, dass es sich anfühle, als könne der Kopf nicht mehr vom Hals getragen werden. Als Betroffener wird man oft mitten aus dem Leben gerissen, nichts geht mehr so, wie vorher. Im Arbeitsleben kann die gewohnte und erwartete Leistung nicht mehr erbracht werden, die Freizeitgestaltung wird stark eingeschränkt und selbst einfache Dinge, wie zum Beispiel das Anziehen der Schuhe in vorgebeugter Haltung sind erschwert, da die Bewegung eine Verschlimmerung der Symptome erzeugt. Lange planen kann man eigentlich nichts, da man nie weiß, wann eine unbedachte Bewegung wieder einen Symptomcocktail verursacht.

BLICK aktuell: Nun haben Sie eine Petition an den Bundestag ins Leben gerufen. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Theisen-Diether: An erster Stelle steht die Anerkennung des Krankheitsbildes im deutschen Gesundheitssystem. In den USA zum Beispiel gibt es bereits fundierte Grundlagenforschung, diese wünschen wir uns auch für Deutschland. Aktuell sind Betroffene mit der Problematik völlig auf sich alleine gestellt, es vergehen Jahre bis zur Diagnose und viele Therapieansätze müssen nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ ausprobiert und zumeist auch selbst finanziert werden. Jeder Arzt sieht nur sein Fachgebiet und der interdisziplinäre Blick über den Tellerrand fehlt. Nur wenige Ärzte in Deutschland kennen sich wirklich mit der Thematik aus. Wünschenswert wären Kompetenzzentren, die sich der Gesamtproblematik annehmen. Klare Diagnosekriterien sind dringend notwendig, ebenso wie fundierte Behandlungsansätze, die von den Krankenkassen mitgetragen werden. Aktuell ist es so, dass massiv betroffene Patienten eine Versteifungsoperation im europäischen Ausland oder in den USA vornehmen lassen und dabei nicht selten Kosten von 100.000 Euro auf sich nehmen müssen. Das deutsche Gesundheitssystem kennt das Krankheitsbild schlicht nicht. Dabei ist es keineswegs exotisch; ein Sport- oder Verkehrsunfall können jeden unerwartet zum Betroffenen machen.

BLICK aktuell: Wie ist die Resonanz bisher? Haben Sie viele Unterstützer?

Theisen-Diether: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Nach 11 Tagen hatten wir die 500er-Marke geknackt. Vergleicht man das mit den anderen Petitionen, die aktuell zur Mitzeichnung stehen, ist das ziemlich gut. Aber wenn man bedenkt, dass man satte 50.000 Unterschriften benötigt, damit die Petition in öffentlicher Sitzung beraten werden muss, ist der Weg noch weit. Das ist ganz ehrlich gesagt völlig utopisch, dafür ist das Thema vermutlich zu speziell, aber ich bin der Meinung, dass jede Stimme zählt und auf die Wichtigkeit unseres Anliegens hinweist. Erfreulich ist, dass verschiedene Verbände und Plattformen die Petition unterstützen, ebenso wie Physiotherapie- und Arztpraxen. Ohne am Ziel zu sein, sind wir Initiatoren ein wenig stolz auf das, was wir auf den Weg gebracht haben. Wir haben alle mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Instabilitäten zu kämpfen und für jeden bedeutet es einen großen Energieaufwand und auch den einen oder anderen gesundheitlichen Rückschlag, sich so für die Petition einzubringen. Aber wir begreifen es als einmalige Chance und hoffen, dass der Petitionsausschuss die beigefügten 36 Patientengeschichten mit großem Interesse lesen wird.

BLICK aktuell: Wer kann bei der Petition mitmachen und wie lange läuft die Mitzeichnungsfrist?

Theisen-Diether: Jede in Deutschland lebende Person darf die Petition unterschreiben. Dies geht online über das Petitions-Forum, ebenso mittels Fax oder Brief. Die Mitzeichnungsfrist läuft noch bis zum 11.Mai 2021.

ROB

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03.05.2021 17:48 Uhr
Gabriele Friedrich

*epetitionen Bundestag.de und dann registrieren und den Suchbegriff eingeben.



02.05.2021 15:18 Uhr
Silke Schönenberg

würde gerne mit teilnehmen, da ich glaube davon betroffen zu sein, aber finde keinen Zugang zur Petition, bitte um Rückmeldung, vielen Lieben Dank



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