75 Jahre Kreisbauern- und Winzerverband Mayen-Koblenz

Politik „erntete“ beim Jubiläumsprogramm kritische Worte

06.06.2023 - 16:30

Ochtendung. Auf Einladung des Kreisbauern- und Winzerverbandes Mayen-Koblenz fanden sich anlässlich seines 75. Gründungsfestes zahlreiche Mitglieder und Ehrengäste zu einer gemeinsamen Tagung ein. Aktueller Austragungsort hierfür war die Betriebshalle des Emminger Hofes von Familie Offergeld, die diese für den besonderen Anlass gerne zur Verfügung gestellt hatte. Hier war es Wolfgang Karbaum, Kreisvorsitzender des Verbandes Mayen-Koblenz, der zunächst zahlreiche Besucher zur Jubiläumsveranstaltung willkommen hieß, unter die sich auch Ehrengäste aus dem öffentlichen Leben und von benachbarten Bauern- und Winzerverbänden gemischt hatten. Dabei war es Karbaum eine besondere Freude, mit Ökonomierat Eberhard Hartelt, den Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e.V. und Umweltbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes (DBV), als Hauptreferenten begrüßen zu können. Doch bevor er dem Ehrengast das Mikrofon reichte, vermittelte der Kreisvorsitzende allen Anwesenden noch einmal einen informativen Rückblick in die 75-jährige Geschichte und Geschicke des Verbandes, von seinen Anfängen bis zum heutigen Tag. Dabei sprach er mit der Ernährungssicherung auch die eigentliche Kernkompetenz des angesehenen Berufsstandes an, der seit Jahrzehnten aber immer wieder mit Problemen zu kämpfen hat. Nachdem nämlich das Grundproblem der Ernährungssicherheit gelöst war und damit allmählich der Wohlstand einkehrte, sah man sich der wachsenden Problematik hinsichtlich Flächenverbrauch, Überproduktion, Strukturwandel, Umweltproblematik sowie der Einkommens- und Alterssicherung ausgesetzt. „Wir brauchen in den nächsten Jahren einen starken Verband um uns gegen eine, vor allen Dingen von einer Partei vorangetriebene, ideologische Politik zu wehren, die mit der Realität in vielen Punkten nichts mehr zu tun hat“, so Karbaum. Er fuhr fort: „Wir leben in einer Gunstregion, wo Produktion noch möglich ist, sollen diese aber immer weiter einschränken - und auch die Tierhaltung wird mit immer strengeren Auflagen de facto kaputtgemacht!“ „Die Annahme, dass der Rest der Welt schon darauf wartet nach Deutschland und Europa zu liefern, hat ja auch bei der Energie schon sehr gut geklappt - wir alle zahlen einen hohen Preis!“ Selbst Biolandwirt, richtet er an die Adresse von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ebenfalls kritische Worte: „Manchmal weiß ich nicht ob er deutscher oder ukrainischer Landwirtschaftsminister ist, und manchmal auch nicht, ob er überhaupt Landwirtschaftsminister ist!“ „Er erklärt der Ukraine wie wichtig sie mit ihren Strukturen für die Welternährung sind, während er bei uns am liebsten sehen würde, wenn wir mit Ochs und Pferd die Feldarbeit verrichten!“ Hier sieht Karbaum dringenden Gesprächsbedarf, denn seiner Meinung nach ist dieses Getreideabkommen nur dafür da, den europäischen Markt mit billigem Getreide zu fluten, um die heimischen Preise kaputtzumachen. Herrn Özdemir forderte er auf, endlich mal Politik für seine Landwirte zu machen und an die Politiker in Berlin richtete er die Forderung: „Denken Sie bitte mal darüber nach, ob Ihre „Brot und Spiele Politik“ nachhaltig Erfolg bringt, denn diejenigen die diese vor 2000 Jahren erfunden haben, die gibt es auch nicht mehr!“ Im Anschluss ergriff Ökonomierat Hartelt das Wort und referierte zu dem Thema: „Passt der „Green Deal“ mitsamt der „Farm to-Fork Strategie“ angesichts der jüngsten Ereignisse überhaupt noch in die Zeit?“


„Farm to Fork“-Strategie


Was ist die „Farm to Fork“-Strategie und wen betrifft sie? Offizieller Text: Die „Farm to Fork“-Strategie (F2F) ist ein neuer umfassender Zehnjahresplan, der von der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde, um den Übergang zu einem fairen, gesunden und umweltfreundlichen Lebensmittelsystem in Europa voranzutreiben. Es ist der erste ernsthafte Versuch der EU, eine Lebensmittelpolitik zu entwerfen, die für jede Stufe der Lebensmittelwertschöpfungskette, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verbrauch, Maßnahmen und Ziele vorschlägt, um die europäischen Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten. Jeder EU-Mitgliedsstaat muss ihr folgen, indem er sie auf nationaler Ebene umsetzt und so zum Erreichen der EU-Ziele beiträgt. Die „Farm to Fork“-Strategie steht im Einklang mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) und zielt darauf ab, durch internationale Zusammenarbeit und Handelspolitik die Standards weltweit anzuheben, damit ihr ökologischer Wandel nicht durch die Externalisierung nicht nachhaltiger Praktiken in anderen Regionen ausgeglichen wird. Eberhard Hartelt erläuterte in seinen Ausführungen die Vorschläge und Beschlüsse der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) aus 2022, wo man auf einem guten Weg war und empfohlen hatte, das Agrar- und Ernährungssystem so anzulegen, dass die Vermeidung schädlicher Effekte sowie die Steigerung positiver Wirkungen auf Klima, Umwelt, Biodiversität, Tierwohl und menschliche Gesundheit im unternehmerischen Interesse der landwirtschaftlichen Produzenten liegen. Eine mögliche Umsetzung stellte man hier auf zwei Säulen: a) Mehr für Klima, Biodiversität und Wasserschutz, b) Es muss honoriert werden und lässt sich ohne Unterstützung nicht stemmen. „Natürlich müssen wir Verantwortung übernehmen, es ist aber eine Sache, die gesamtmenschheitlich gestemmt werden muss für Nahrungsmittelsicherheit zu stehen!“ So findet zunächst das Sterben der Biodiversität (Artenvielfalt) laut Hartelt keinesfalls so dramatisch statt wie es in den Medien propagiert wird. Überdies führte die Freistellung von Flächen, ausgehend von der Landwirtschaft, schon immer zu einer biologischen Vielfalt. Auch die Landwirtschaft ist vom Klimawandel betroffen. So können mit diesem einhergehende Unwetter schnell die Arbeit und Investition eines Jahres vernichten.


Ziele richtig, Methoden falsch


Die anvisierten Ziele sind richtig, nur die politischen Methoden unter der Prämisse „Ihr müsst, ihr müsst, ihr müsst“ sind falsch. Durch die Ausweitung von weiteren Schutzgebieten ist Landwirtschaft in bestimmten Gebieten nicht mehr machbar. Es nutzt dem Klima nichts, wenn man bei uns alles kaputtmacht und die Produkte dann im Ausland kauft, wo man sich einen Dreck um die Vorgaben von Brüssel schert. Diesbezüglich wird auch die sterbende Schweinezucht angesprochen. Alles was bei uns geschlossen wird, baut man in Spanien 1:1 wieder neu auf. Das Fleisch kommt dann als für den Verbraucher teure Iberico-Variante in die deutschen Läden zurück. Reduktion von 50 Prozent Pflanzenschutzmitteln ja - aber mit dem Einsatz vernünftiger Technik und erforderlicher Förderung. „Pflanzenschutzmittel in bestimmten Regionen ganz zu verbieten, wird auf unseren heftigen Widerstand stoßen“, so Hartelt. Die Kompromissfähigkeit mit den Naturschützern ist anzustreben, ohne jedoch an der Nahrungsmittelproduktion zu rütteln. Resümierend will der Ökonomierat weg vom Ordnungsrecht. Es müssen seinen Ausführungen zufolge in Sachen Landwirtschaft vernünftige und der Realität angepasste Gesetze und Vorschriften her, die von der gesamten Gesellschaft getragen und auch honoriert werden: „Dann wird daraus ein Schuh“, so Eberhard Hartelt abschließend. TE

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07.06.2023 11:54 Uhr
Harald M.

Die politische Kritik kam auch nicht zu Unrecht zur Sprache. Unsere Landwirte sind unglaublich wichtig für unser Land und jeden einzelnen von uns. Natürlich sollte auch auf Nachhaltigkeit und Naturschutz geachtet werden. Aber ich kann momentan schon verstehen, dass sich viele Landwirte von der Regierung komplett im Stich gelassen fühlen!

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