Wie barrierefrei ist die Ortsgemeinde Neuhäusel?

Neuhäusel, aus der Sicht einer Rollstuhlfahrerin gesehen

Forum Soziale Gerechtigkeit hatte zur Auseinandersetzung mit einem vernachlässigten Thema eingeladen – Kommunalpolitiker sind sensibilisiert – Leitfaden soll erstellt werden

22.08.2017 - 08:44

Neuhäusel. Wie kommt man als Mensch mit Beeinträchtigung, im Rollstuhl sitzend oder mit einer Sehbehinderung in Neuhäusel über die Straße? Wie verlaufen die Spazierwege rund um den Ort oder an den Nachbarorten vorbei? Lassen sich die Bürgersteige in allen Nebenstraßen auch bei Behinderung gefahrlos benutzen? Diese und andere Fragen diskutierte im Gemeindehaus von Neuhäusel ein Kreis Betroffener mit Vertretern der Kommunalpolitik. Initiiert hatte das Treffen Uli Schmidt vom Forum Soziale Gerechtigkeit. Im Mittelpunkt stand ein Diavortrag von Thilo Knopp, der mit der Foto- und Filmkamera seine im Rollstuhl sitzende Tochter Lena durch den Ort und die umliegende Region begleitete und dabei auf kleinere wie auch größere Hindernisse aufmerksam wurde.

Zu Beginn des Treffens hatte Uli Schmidt gesagt: „Es geht nicht darum, Gemeinden in die Pfanne zu hauen, sondern beispielhaft zu schauen, was gut ist und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.“ Diese Erfahrungen könne man dann auf andere Kommunen anwenden.


Erhebliche Hürden für Rollstuhlfahrer


Thilo Knopp, der als Mitarbeiter der beruflichen Rehabilitation der Arbeitsagentur nicht nur im Privaten mit dem Thema Barrierefreiheit zu tun hat, erklärte, wie er auf das Thema kam: „Erst als Lena nicht mehr in die Ganztagsschule ging und mehr hier im Ort unternehmen wollte, wurden wir auf die zum Teil massiven Probleme aufmerksam, vor denen unsere Tochter stand.“ Knopp begann seinen Vortrag mit der Feststellung: „Man kann Neuhäusel nicht barrierefrei verlassen!“ Der Hauptgrund dafür ist die B49-Umgehung des Ortes. Nur an drei Stellen habe man die Möglichkeit, auf die jeweils andere Seite der Straße zu kommen. Die Kirchstraße in Neuhäusel sei für Rollstuhlfahrer überhaupt nicht passierbar.

Verbesserungsbedarf sieht er auch in den Geh- und Radwegen Richtung Kadenbach, Eitelborn, durch Binnbachtal und nach Bad Ems. Entweder gibt es an manchen Stellen überhaupt keine Flächen abseits der Straße, oder sie hören plötzlich auf oder die Wege sind in einem so schlechten Zustand, dass Rollstuhlfahrer befürchten müssten umzukippen. Thilo Knopp zeigte ein Video seiner Tochter, als sie einen Schotterweg befährt. Das körperlich behinderte Mädchen wird beim Befahren des Weges massiv im Rollstuhl hin- und hergeschüttelt. Bei allen Bemühungen zur Barrierefreiheit müsse man außer an die körperlich behinderten Menschen auch an die mit Sehbehinderungen, Hörbehinderungen, psychischen Beeinträchtigungen und geistigen Beeinträchtigungen denken.


Einkaufen geht; Urlaub nicht


Als vorbildlich erwähnte Thilo Knopp den neu eingerichteten Zeitungskiosk in Neuhäusel, zu dem nicht eine für Behinderte unüberwindliche Treppe führt, sondern eine leicht begeh- und befahrbare Rampe. Auch der Zugang zu den Einkaufsmöglichkeiten, zu Banken und Apotheken ließe sich gut bewältigen. Große Defizite weisen laut Knopp in Neuhäusel die Hotel- und Gaststättenbetriebe auf. Hier stellen sich zum Beispiel den Rollstuhlfahrern unüberwindliche Eingangstreppen in den Weg. Auch einige Ärzte seien nicht barrierefrei zu erreichen. Als ein vorbildliches Neubaugebiet wurde die Straße „Am Stadion“ in Neuhäusel/Eitelborn erwähnt.


Neuhäusel will feinfühliger werden


Der Vater der behinderten Tochter zeigte nicht nur Missstände auf, sondern machte auch Verbesserungsvorschläge, zum Beispiel an der B49. Vieles davon ließe sich mit wenig Aufwand umsetzen. Ortsbürgermeister Werner Christmann, der trotz Urlaub an dem Treffen teilnahm, sagte, einige dieser Verbesserungsvorschläge habe er schon an den Landrat weitergeleitet. Manches liege auch auf Eitelborner Gebiet, weshalb die Gemeinde Neuhäusel darauf keinen Einfluss nehmen könne. Der Ortsbürgermeister zog am Ende der Besprechung das Fazit: „Wir werden feinfühliger und hellhöriger, was das Thema Barrierefreiheit angeht!“


Impuls für einen barrierefreien Westerwald


Uli Schmidt sieht in dem Treffen in Neuhäusel den Anfang einer größeren Initiative. Zu BLICK aktuell sagte er: „Nachdem das heute sehr überzeugend war und auch sein wird, muss versucht werden diese Themen in die Fläche zu tragen, also in die anderen Ortsgemeinden. Das kann man am besten über die Verbandsgemeinde machen, also über den Verbandsgemeinderat Montabaur. Ich kann mir vorstellen, dass wir es da auf die Tagesordnung setzen und beraten und versuchen, mit einem Vortrag wie vorhin die Ratsmitglieder zu überzeugen. Das könnte im Ergebnis so sein, dass wir einen Leitfaden erstellen mit dem Titel Barrierefreie Gemeinden in der VG Montabaur oder für den ganzen Westerwaldkreis und dass man dann versucht, die Dinge nach und nach umzusetzen. Vielleicht gründet man auch eine Arbeitsgruppe, die das Ganze im Blick hat. Da ist schon sehr vieles möglich. Es geht ja nicht nur um diejenigen, die mit dem Rollstuhl fahren. Wir haben ja auch sehr viele ältere Menschen in den Ortsgemeinden oder die mit dem Rollator unterwegs sind. Das Thema Barrierefreiheit ist auch in der Landespolitik sehr hoch angesiedelt. Die soll jetzt in den 2.300 Ortsgemeinden im Land stärker in den Fokus genommen werden. Nach dem Tag heute glaube ich, dass wir da ein gutes Stück voran kommen. Alle sind sehr interessiert an dem Thema. Ich glaube, da finden wir viele im Westerwaldkreis, die sich dafür engagieren und mitmachen.“

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Geldautomatensprengungen in Andernach und Montabaur

Polizei schnappt Automatensprenger: 20-Jähriger erbeutete mehrere hunderttausend Euro

Region. Nach einer Serie von Geldautomatensprengungen führten die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln am Morgen des 24. April Durchsuchungen in mehreren Privatwohnungen und Büros in Köln, Rheinbach und Heimerzheim sowie in einer Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen durch. Die umfangreichen Ermittlungen konzentrierten sich auf einen 20-jährigen Mann, der seit Februar 2024 in Haft ist und eine Strafe für ein Raubdelikt verbüßt. mehr...

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Regional+
 

Tödlicher Unfall bei Bornheim BAB 555

Bornheim. In der Nacht zu Sonntag, den 28. April ist ein 65 Jahre alter Mercedes-Fahrer auf der Bundesautobahn 555 in Höhe des Rastplatzes „Im Eichkamp“ bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt worden. Ersten Erkenntnissen zufolge soll ein 33 Jahre alter, mutmaßlich alkoholisierter BMW-Fahrer, gegen 0.30 Uhr in Höhe des Rastplatzes „Im Eichkamp“ mit hoher Geschwindigkeit auf das Fahrzeug des 65-Jährigen aufgefahren sein. Der Mercedes-Fahrer erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. mehr...

Bedrohung und Beleidigung durch amtsbekannten Störer

Neuwied/Bendorf. Am Nachmittag des 27. April wurde der Polizei Neuwied zunächst eine torkelnde Person auf der B413 gemeldet. Diese konnte schließlich nach Zeugenhinweis in Bendorf einer Kontrolle unterzogen werden. Dabei zeigte er sich hoch aggressiv, beleidigte und bedrohte die Beamten sowie andere Passanten und trat gegen den Streifenwagen. Zudem wurde ein verbotenes Messer aufgefunden. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss

Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss

Neuwied. Am frühen Morgen des 27. April kam es in Neuwied-Irlich zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Fahrzeugführer zunächst zwei parkende Fahrzeuge touchierte und sich im Anschluss mit seinem PKW überschlug. mehr...

Erneute Betrugsversuche über Telefon

Erneute Betrugsversuche über Telefon

Neuwied. Am Wochenende kam es erneut zu mehreren Anrufen, in denen versucht wurde, die Geschädigten mittels fingierter Geschichten (neue Handynummer, angeblicher Unfall) zur Herausgabe ihres Vermögens zu bewegen. mehr...

Vor Disco: Schlägerei nach wilder Fahrt

Vor Disco: Schlägerei nach wilder Fahrt

Euskirchen. Durch seine Fahrkünste wollte am frühen Sonntagmorgen des 28. April gegen 05.00 Uhr eine junger Mann offensichtlich das Publikum einer Diskothek in Euskirchen beeindrucken. Der Fahrer nutzte sein hoch motorisiertes Fahrzeug, um über die Straße zu driften. mehr...

FWG Andernach e.V. lädt ein

Infostände am 4. und 11. Mai

Andernach. Die Freie Wählergruppe Andernach e.V. (FWG) lädt die Bürgerinnen und Bürger von Andernach zu ihren Infoständen ein. Diese finden am 4. und 11. Mai am Historischen Rathaus in Andernach statt. mehr...

Erfolgreiche Saisoneröffnung

TC Rengsdorf

Erfolgreiche Saisoneröffnung

Rengsdorf. Jüngst startete der TC Rengsdorf in die Saison. Viele Interessierte jeden Alters fanden den Weg zu dem Verein, um den Tennissport einmal auszuprobieren oder um wieder einzusteigen. Alle SpielerInnen... mehr...

Jetzt für Läufe der LG Rhein-Wied anmelden

Andernach/Neuwied. Die Saison der Laufveranstaltungen beginnt, und damit auch die Anmeldephase für die Großveranstaltungen der LG Rhein-Wied. Der „Deichlauf präsentiert von Rhodius“ (Freitag, 14. Juni)... mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
Ralf Dutine:
Hansen, die für meine Statistik wichtigste Info war dabei ;-)...
Hansen:
Korrektur: Das war grausanste Folter und ein Femizid. Benennt es als das, was es ist. Wir schreiben das Jahr 2024 und nicht 1980....
Anonym:
Ich begrüße das Urteil ebenso und ja, ich kenne die Dame hier persönlich und nein, ich habe nie gegen sie gewettert. ABER ihre Anhänger sollten auch einmal die Augen öffnen! Sie sei ja immer so transparent und wenn man helfen durfte, ging es im Sommer NUR um die Bewässerung der Außenanlage zur Straße...
Andrea könig:
Ich verfolge die Geschichte um Liane schon lange und verstehe nicht, wie man auf solche, zum Teil hirnrissigen und unverschämten, Verleumdungen hereinfallen kann. Es kann nicht sein, dass die Gerichte sich nicht selbst vor Ort informiert haben. Liane führt seit mindestens 15 Jahren den Hof mit viel...
Cornelia Lachmuth:
Für mich klingt das nach Befangenheit. Nie gab es Probleme dort. Alle Kontrollen waren, selbst 4 Monate zuvor, noch in Ordnung. Ich kenne den Hof und habe selber keine tierschutzrelevanten Mängel erkennen können. Viele andere Leute vom Fach, ebenfalls nicht. ...
Claudia Krahe-Abel:
Es darf keine Impfpflicht geben! Das Grundrecht auf die Unversehrtheit des Körpers muss dringend gewahrt werden! Jeder Mensch muss selbst entscheiden dürfen was er in seinen Körper spritzen lässt oder nicht. Und es darf keine Diskriminierungen geben. Jeder muss Verantwortung für sich selbst und seine...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service