Orgelkompositionen von Dietrich Buxtehude in Bad Breisig mit Konzertorganist Sven Scheuren
Ein Feuerwerk der Orgelmusik
Bad Breisig. Der englische Musikhistoriker Frederick Hudson schrieb: „Dietrich Buxtehudes Musik verdient es, um ihrer selbst willen als ein Gipfelpunkt der Barockepoche angesehen zu werden.“ Nicht zuletzt bezog er sich damit auf die Erfolge, die der Organist und Komponist der Lübecker Marienkirche (von 1668 bis zu seinem Tode 1707) mit seinen „Abendmusiken“ hatte. In Bad Breisig gibt es ebenfalls eine Marienkirche mit barocker Ausstattung, und die ist seit einem halben Jahr mit einer völlig neue Barock-Orgel ausgestattet, die in Aufbau und Charakter der entspricht, wie Buxtehude sie in Lübeck bespielte. Als nun erstmals die Idee aufkam, auch in Breisig eine „geistliche Abendmusik“ in Form eines virtuosen Orgelkonzerts zu veranstalten, lag es nahe, dass man Kompositionen des Meisters der norddeutschen Orgelmusik in den Mittelpunkt stellte. So geschah es bei der ersten „Bad Breisiger geistlichen Abendmusik“. Die Interpretation von Buxtehudes anspruchsvollen Orgel-Kompositionen verlangt nach einem Ausnahme-Organisten, und der stand mit Sven Scheuren zur Verfügung. Dieser virtuose Tastenzauberer auf den Manualen und dem Pedalwerk, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mit der Wiedergabe von Buxtehudes Kompositionen zugleich die besondere Barock-Orgel norddeutscher Charakteristik gebührend zu würdigen. Das Instrument wurde in der Werkstatt von Rowan West in Altenahr mit spezieller Handwerkskunst und großem musikhistorischem Verständnis gebaut und erst Weihnachten 2012 eingeweiht.
Ein bezauberndes Instrument
Kein Besucher des Konzertes wird nach diesem begeisternden Abend mehr in Zweifel ziehen, dass die Anschaffung der Orgel - obwohl umstritten - berechtigt war. „Schön - das is e sauber Örjelche!“, meinte in seiner jovialen Art der grandiose Konzertorganist Sven Scheuren, und er wollte damit seine große Bewunderung für das außergewöhnliche Instrument ausdrücken. Als die Zuhörer im gut besetzten Kirchenschiff am Ende des Konzertes dem Virtuosen Minuten lang stehende Ovationen spendeten, deutete er bescheiden auf das Instrument und bescheinigte ein weiteres Mal: „Das ist eine wunderbare Orgel! Da ist in der Region nichts, das ihr gleicht.“ Er sagte es so, als ob er den Erfolg des Konzertes dem Ausnahme-Instrument zu verdanken habe. In erster Linie aber galt der Beifall dem wundervollen Interpreten. Selbst Emil Schmidt, über lange Jahrzehnte Organist und Chorleiter in St. Marien, suchte nach passenden Worte der Bewunderung: „Das war ein begeisternder Abend!“ Die Zwischentexte der musikalischen Darbietungen sprach die Pfarrei-Referentin Christel Fassian-Müller, und sie fand dazu sinngebende Zitate. So auch die Anleihe bei Martin Luther: „Musik macht die Seelen fröhlich und sie verjagt den Teufel!“ Bei solch himmlischer Musik hat der Teufel wirklich keine Chance. Schon die erste Komposition Buxtehudes, das höchst anspruchsvolle siebenteilige Präludium g-Moll, Bux-Werke-Verzeichnis 148, bot Sven Scheuren alle Möglichkeiten, seine interpretatorische Kunst zu präsentieren. Das in weiten Teilen furiose Werk zeichnet sich neben einer Repetitionsfuge durch den Übergang in eine vokale Fuge mit einem ausklingenden Ostinato aus, und das Stück fordert des Organisten volles Können und Aufmerksamkeit. Die folgende Fuge Bux-WV 175, ist die erste von drei aneinander hängenden Fugen. Zunächst die anheimelnde Melodik im Vokalstil, dann eine überschwängliche fuga inversa mit einer hübschen Zusammenführung der Themen, prächtige Tastenläufe auf Manualen und Bässen, die zum imponierenden finalen Fortissimo führen.
Den Solisten unterstützt
Die dem Solisten am Spieltisch assistierende Ehefrau Carmen Scheuren, selbst routinierte Organistin der Marienkirche, hatte alle Hände voll zu tun, stets im rechten Moment die zugeordneten der 28 Register zu ziehen und das Notenblatt zu wenden. Gleiches galt bei Buxtehudes „Ciacona e-Moll, Bux-WV 160: 31 Variationen über vier Takte, vom Bewunderer und Orgel-Sachkenner Philipp Spitta als „in ihrer Schönheit und Bedeutung alles Gleichartige jener Zeit überragend.“ Wer dieses Urteil noch nicht teilte, wurde bei der Interpretation Sven Scheurens von der Richtigkeit überzeugt: Ein schier wunderbares Werk mit der überschäumenden Klangwelt des Lübecker Meisters. Weiter ging das Programm mit der an ein Präludium erinnernden Choralbearbeitung über „Nun lob mein Seel, den Herren!“, Bux-WV 212. Gerade bei diesem Stück kommt die spezielle Charakteristik der ausgesprochen norddeutschen Barock-Orgel von Rowan West zur Geltung: Prächtige melodische Kontraste über die Register, ein quasi Echo - gemäßer Dialog der Themen. Was die beiden folgenden Stücke, die Canzona C-Dur, Bux-WV 166 und Toccata F-Dur, Bux-WV 156 angeht, hatte der Interpret im Extreme interpretatorische Höhepunkte: Die Canzona betont als „Laufstück“ das spielerische Element mit Fugen, die auf Spielfreude und Virtuosität hin komponiert sind. Bereits die erste Fuge löst sich in toccatisch freie Abschnitte auf. Höchste Ansprüche an den Organisten. Ein typischer Zwischenlauf mit „buxtehudischer Rakete“ mündet in einer innigen Fuge im Rhythmus eines „Gigue“. Die Canzona endet in einer rasanten Fuge mit rast- und pausenlosem Thema. Das St. Marien - Kirchenschiff ist voll rauschender Klänge.
Immer zur Ordnung zurück
Ebenso bei der Toccata: Besser, als es der Interpret selbst in der Konzert-Info schildert, kann man es nicht sagen: „Diese Toccata strotzt nur so von kompositorischem Einfallsreichtum und dennoch: Buxtehude findet stets zur Ordnung und Verzahnung der Themen zurück. Noch einmal kommt das Thema der ersten Fuge. Stürmisches Laufwerk, überbordende Klangsegmente, markant, nahezu tänzerische Rhythmen machen dieses Stück zu einem Feuerwerk norddeutscher Orgelmusik. Wunderbare Kompositionskunst, die in innigen Passagen mit klanglichen Akkumulationen immer zu neuen Spannungsbögen ausholt.“ Sven Scheuren schildert nicht nur mit Begeisterung den Buxtehude als kompositorisches Genie, er ist auch derjenige, der dessen große Kompositionskunst auf das tolle Instrument überträgt - mit ebenso großer Meisterschaft. Und er würdigt, was ihm in der Kirche St. Marien als Instrument zur Verfügung steht. Um die extremen Möglichkeiten der neuen Orgel darzustellen, fügt er dem Programm eine mit Fantasie und Können angereicherte Improvisation über das Lied „Gelobt sei Gott in höchsten Tönen“ an. Quer durch alle Register, garniert mit fantastischen Fingerläufen über die Manuale, Zauberei über das Pedalwerk - Sven Scheuren schwelgt in Melodien, chromatischen Durchgängen, üppigen Paraphrasen in Dur und Moll. Und als er endlich nach rund zwanzigminütiger Improvisation das Lied in einem Fortissimo ausklingen lässt, gibt es für die Besucher im Gotteshaus kein Halten mehr: „Bravos“ und minutenlang stehende Ovationen, begleitet von bescheidenen Hinweisen des Künstlers, dass seine große interpretatorische Kunst nur durch ein adäquates Instrument Vollendung finden kann, halt durch ein „sauberes Örjelchen“, wie er es der Kirche St. Marien attestiert. Im Namen von Bürgermeister Bernd Weidenbach sprach sich die Beigeordnete Silvia Czech beim Künstler aus. Sie schilderte Idee und Zustandekommen der „Geistlichen Abendmusik“ und kündigt an, dass dieses Konzert eine Fortsetzung finden wird in der Breisiger Veranstaltungsreihe „Abendmusiken in St. Marien“. Sie ist sicher, dass zukünftig jeden letzten Mittwoch im Monat, ab 19.30 Uhr, eine „Abendmusik“ stattfinden wird. Die nächste Veranstaltung steht bereits fest: Mittwoch, 29. Mai, 19.30 Uhr: „Marianische Gesänge“ mit dem Kirchenchor St. Marien unter Carmen Scheuren. Und als Zugabe griff Sven Scheuren noch einmal in die Tasten. Über pralle, fantasievolle Improvisationen wanderte ein bekanntes Thema auf kunstvoll verzierten Umwegen zur Melodie des Oster-Liedes „Das Grab ist leer…“, und alle Besucher sangen begeistert mit bei der Ehre Gottes.
-FA-