Bad Neuenahrer Theatergruppe „Die Spicker“ spielt für Senioren
Alles dreht sich um die Liebe
Ältere Hobby-Schauspieler bereiten Freude und haben selbst richtig Spaß am Theater
Bad Neuenahr. „Du bist noch nicht dran“, schallt es laut vom Regisseur durch den Saal im Wohnstift Augustinum. Günter Krause geht oft hart ´ran, bringt seine Akteure richtig auf Trab und so zu Höchstleistungen. Die zehn Schauspieler meckern hinter seinem Rücken auch schon einmal wegen seiner rauen Art. Doch sie wissen: Nur so werden „Die Spicker“, eine Hobby-Schauspielergruppe aus Bad Neuenahr-Ahrweiler, fit für das knappe Dutzend Auftritte die pro Jahr. Und dass sie richtig gut sind, die meist älteren Mimen, wird ihnen Jahr für Jahr bestätigt. Normalerweise spielen sie vor Senioren, daher sind die Stücke - von Günter Krause ausgewählt, bearbeitet und mit dem Team demokratisch beschlossen - auch sehr gegenständlich. „Abstrakte Darstellungen verstehen die Senioren oft nicht“, sagt der „scharfe Hund“. Daher erklingen im aktuellen Stück auch Lieder mit Zarah Leander, Rudi Schuricke und Anna Netrebko. Die Texte sind von Heinrich von Kleist, Heinrich Heine, Wolfgang von Goethe, Loriot, Kurt Tucholsky und Wolfgang Borchert. Starke Autoren, ein starkes Thema: Immer dreht es sich um die Liebe.
„Die Kraft der Liebe“ heißt das Stück. Und dieses Gefühl kommt herüber in den Szenen und Sketchen. Monatelang üben die Hobby-Akteure jeden Montag. Alle per „Du“, eine fast eingeschworene Gesellschaft. Eigentlich schenken sie Freude an die älteren Zuschauer. Doch sie gewinnen bei jeder Probe, bei jeder Aufführung noch mehr für sich selbst. „Ich war viel allein und habe hier eine neue Aufgabe gefunden. Es macht so viel Spaß, mit den Anderen gemeinsam zu arbeiten. Und zu Hause lerne ich die Texte, beschäftige mich mit den Themen“, erzählt eine Akteurin. „Von Anfang an war ich dabei. Ich weiß auch nicht, warum. Doch ohne die Gruppe würde mir etwas fehlen“, ergänzt ihre Nachbarin am Tisch. „Das Theaterspielen ist ein Glücksfall für mich, es erfüllt mich und ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden“, berichtet der 51-jährige Junior. Die älteste Teilnehmerin ist bereits Mitte 90, drei haben längst ihren 80. Geburtstag hinter sich. Viele engagieren sich zusätzlich im sozialen Bereich, arbeiten bei öffentlichen Essensausgaben, lesen in Seniorenhäusern vor. „Ich habe jetzt Zeit und will sie sinnvoll nutzen“, erklären sie fast alle.
Mitglieder sind in der Reihe der Auftritte Filiz Buldo, Rosel Mahler, Günter Krause, Illa Manzius, Beatrix Schumacher, Jochen Hörstensmeyer, Annemarie Kanowski, Dr. Johann Mertins, Werner Frahm, Walter Klemm und Helga Palm. Wenn sie im Saal des Augustinums proben, geht es konzentriert, fast professionell, immer mit Disziplin, Eifer und Spaß zu. Wenn einer sich verhaspelt oder im falschen Moment loslegt, wird schon einmal gelacht, auf jeden Fall weitergespielt. „Der Zuschauer merkt viele Fehler gar nicht. Oberste Regel ist, nie aufzuhören und zu wiederholen. Notfalls etwas improvisieren“, sagte der Regisseur.
Mit sehr viel Gefühl gehen die Schauspieler das Thema Liebe an. Diskutieren zwischen den Stücken die Szenen, sprechen aber auch über ihre Gefühle. Es ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe, und sie eint, dass sie schon sehr viel Lebenserfahrung gemacht haben. Das spürt man bei den Proben, wenn sie auch noch am Anfang stehen. Da hat jemand noch keinen Text sicher, während eine andere bereits mit perfekten Sätzen ihre Hausaufgaben gemacht hat. Texthänger, so mancher Schritt in die falsche Richtung, verwechselte Stichworte - solche Dinge gehören auch beim „großen Theater“ beim Start zum Alltag. Und es spielt eine untergeordnete Rolle. Das Miteinander steht im Vordergrund, die Nächstenliebe und Menschlichkeit, wie bei Wolfgang Borchert beschrieben.
Ein knappes Dutzend Auftritte haben „Die Spicker“ (kommt von Spickzettel, der ihnen die Angst vor „Hängern“ nimmt) im Herbst und Winter. Wer sie engagieren will, sollte sich bei Günter Krause im Augustinum melden. Entstehen besondere Kosten für die Theatergruppe, springt das Seniorennetzwerk ein, zu dem die „Spicker“ gehören. Die Aufführungen sind für Senioreneinrichtungen kostenlos, die Gruppe wurde bisher anders „entlohnt“, zum Beispiel mit einem Kuchenbüfett oder einer Einladung zum Weinfest.