Leserbrief von Dr. Dieter Bornschlegl, Ortsvorsteher von Grafschaft-Karweiler
Anforderungen an eine moderne Kommunalpolitik
„Die Hauptarbeit geschieht im Vorfeld“
Alle vier Jahre wählen, zwischendurch Zeitung lesen und nach vier oder fünf Jahren erneut wählen - heutzutage erwartet der Bürger oftmals mehr. Dieser Beitrag soll eine Darstellung des bewährten repräsentativen demokratischen Verfahrens und eine konstruktive Kritik zu dessen Weiterentwicklung sein.
Der Bürger bestimmt in der Demokratie dadurch, dass er andere Bürger in die gemeindlichen Ratsversammlungen wählt mit dem Auftrag, seine Interessen dort zu vertreten und eine sachorientierte Arbeit zu leisten. Die Aufgaben, denen sich die in die Räte gewählten Bürger gegenüber sehen, sind heutzutage vielfältig und erfordern das Aneignen von Wissen und Verfahrensabläufen, um sachgerecht entscheiden zu können. Entscheidungen entspringen in der repräsentativen Demokratie nicht spontanen Erregungen oder unreflektierten Eingebungen, sondern sind das Resultat vorhergehender Arbeit. Der Bürger sollte wissen, dass hierbei die Hauptarbeit im Vorfeld geschieht - zunächst werden ellenlange Vorlagen gelesen und bearbeitet, eigene Anträge werden entworfen und durchdacht, Anträge anderer werden geprüft und bewertet und dann werden die Sachthemen in den Ausschüssen durchgearbeitet und diskutiert. In der Vollversammlung der Räte werden dann zumeist nur noch die Restarbeiten erledigt und die Entscheidungen getroffen. Zwar sind die Ratsversammlungen und die Ausschüsse öffentlich, doch die eigentliche Informationsquelle der Bürger sind Presseartikel, sofern diese überhaupt gelesen werden.
Die Presse ist frei in der Auswahl der Themen und ihrer Darstellung.
Was kann besser werden?
Der Bürger heutzutage will oftmals auch zwischen den Wahlen an Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Entsprechend diesem Wunsch sind die Räte in der Pflicht, sich noch stärker als bisher auf den Bürger hin zu bewegen. Die Thematiken sind dem Bürger im Vorfeld von Entscheidungen klar und verständlich darzustellen, damit sich der Bürger auf einen Wissensstand bringen kann, der ihm ein rationales Abwägen ermöglicht. Es geht aber nicht nur um eine verbesserte Kommunikation zwischen Räten und Bürgern, sondern es geht insbesondere um einen fortwährenden Dialog zwischen Räten und Bürgern.
Die Räte sollten dabei nicht nur darauf warten, dass der Bürger zu ihnen kommt, sondern aktiv auf den Bürger zugehen, ihm die Sachlagen korrekt und verständlich schildern und seine Anregungen aufnehmen. Dies kann durch Sprechstunden, Workshops, Infostände, Informationsschriften, Ortsbegungen usw. erfolgen. Das Gleiche gilt für das Erklären getroffener Entscheidungen. Die Entscheidungen trifft nach umfassender Abwägung weiterhin der Rat, aber die Erkenntnisse aus dem Dialog mit dem Bürger müssen in die Entscheidungen einfließen und können die Ergebnisse verbessern. Sofern es sich nicht um Scheindialoge handelt, sondern es sich um echte und offene Dialoge handelt, erlebt der Bürger spürbar, dass es sich um ihn dreht und er Einfluss hat.
Dies steigert die Zufriedenheit der Bürger und sichert die Demokratie in Deutschland.
Der Arbeitsaufwand steigt anfangs mit diesem Vorgehen, der Lohn wird eine Verbesserung der Ergebnisse und eine höheren Bürgerzufriedenheit sein.
Dr. Dieter Bornschlegl
Ratsmitglied der Gemeinde Grafschaft, Ortsvorsteher von Grafschaft-Karweiler
Zu einer modernen Kommunalpolitik gehört auch, Besucher eines städtischen Parkplatzes nicht zu diskriminieren, wie jetzt in Bad Neuenahr am Bahnhof geschehen. Dort wird dem Kunden mit Elektrofahrzeug gebührenfreies Parken angeboten. Der Rentner mit dem alten Diesel zahlt die volle Parkgebühr, während hingegen der Besitzer mit dem 80.000€ teuren Tesla gebührenfrei parkt. Von sozialem Fingerspitzengefühl kann hier nicht gesprochen werden.