Rathaussturm in Linz

Hajo I. eroberte mit seiner Rocker-Gang das Rathaus der Bunten Stadt

Für Fremdenhass und Rassismus ist im Fastelovend kein Platz, stellte der Stadtchef vor dem Sturm klar

25.02.2020 - 11:40

Linz. Jede Menge Schaulustige hatten sich am Sonntagmittag auf dem Linzer Marktplatz versammelt, wollten sie sich das Schauspiel der Rathauserstürmung doch nicht entgehen lassen. Markus Mollberg führte seinen Musikzug vor den Schraatesaal, vor dem die Stadtsoldaten um Kommandant Markus Paffhausen ihre Verteidigungslinie aufbauten. Und prompt wurde das trotzige „Mer bruche keene, der us säht, wie mer et Rothuus ze verteidije dät“ von den dumpfen Trommeln der Hunnen übertönt, die etwa vom „Blechjedöns“ und von Musikern des bayrischen Gebirgsbatallons um den blau-wiessen Ehrensenator Karlheinz Werner abgelöst wurden, von dem grün-weißen Musikzug des Jubiläums-Husarencorps ganz zu schweigen. Mit den Heerscharen von Hajo I. „von den Ufern des Alwiesbachtals“ waren auch die Mi-Careme Freunde um die Pornicer Beigeordnete Christiane van Goethem auf dem Marktplatz angekommen, während Stadtbürgermeister Hans-Georg Faust mit seinem „Dreigestirn“, Helmut Muthers, Michael Schneider und Karl-Heinz Wölbert, zuvor schon eine um Fastelovend-Beistand bittende Delegation aus der österreichischen Partnerstadt Linz an der Donau empfangen hatte. Dafür hatten sie ihm ihre Unterstützung bei der Rathausverteidigung gegen Hajo I. zugesagt, als der auch schon mit seinen Adjutanten, Toni Derek und Kevin Schopp, auf schweren Zweirädern vorgefahren kam.


Karneval beweist, dass Rassismus nicht naturgegeben ist


Zum Angriff blasen konnte er jedoch noch lange nicht. „Bevor es zum traditionellen Hauen und Stechen kommt, werde ich alle, die an eine humane Zukunft glauben, bitten, einen Moment innezuhalten“, hatte der Stadtchef im Vorfeld angekündigt, um zum Gedenken der Menschen aufzurufen, „die sterben mussten, weil sie zu Zielobjekten eines von Rassismus zerfressenen Verschwörungstheoretikers geworden sind.“ Solchen Strömungen von Fremdenhass und Rassismus Einhalt gebieten könne man nur, indem man sich, insbesondere aber die Jugend, immer wieder an die entsetzlichen Ereignisse in der deutschen Geschichte erinnere. Wer geglaubt habe, die deutsche Nachkriegsdemokratie sei gegen rechtes Gedankengut immun geworden, sei durch die kriminellen Taten der Vergangenheit eines Besseren belehrt worden, mahnte der Stadtchef. „Wilde Verschwörungstheorien werden, gemischt mit Gewaltphantasien, nicht nur bei Psychopathen zu einem giftigen Gebräu, für das Sündenböcke gesucht und gefunden werden“, warnte er. „Im Karneval haben wir eine wichtige Aufgabe. Wenn ‚Anderssein‘ im Fastelovend ausgelebt werden kann, wenn sich fremde Menschen nahekommen, wenn die Indianerin den Chinesen bützen darf und wenn Unbekannte zum Kölsch an der Theke eingeladen werden, dann ist der rheinische Karnevals doch der Beweis dafür, dass Rassismus und rechtes Gedankengut nicht naturgegeben sind. Deshalb dürfen wir nicht nur nach dem Morden von Hanau Karneval feiern, wir müssen Karneval feiern. Auf dem Linzer Marktplatz ist kein Platz für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Terrorismus!“, beendete der Stadtchef unter dem lebhaften Beifall der mehreren hundert Gäste und der Corpsmitglieder seine Rede, die von Helmut Muthers und Karl-Heinz Wölbert mit dem „Stammbaum“ der „Bläck Fööss“ eindrucksvoll unterstrichen wurden. Währenddessen hatte der Prinz mit seinen beiden „Hajo-Angels“ und KG-Präsidentin Yvonne Adams-van Beek seinen Feldherrenhügel erklommen, um den Rathaus-Pappnasen zu zeigen, wo der Hammer hängt. Allerdings ließ sich weit und breit kein Vertreter der Stadt sehen. „Die sin wahrscheinlich so im Rausch mit ihrem digitalen Linz, dass sie irgendwo intellenz-dumm rumsitzen und dat janze Schmölzj he irgendeiner App überlassen“, mutmaßte die Präsidentin. Erst als Hajo I. den Stadtsoldaten das Temperament einer Computeranimation zusprach und die Butzedrisser und Weicheier aufforderte, sich sehen zu lassen, tauchte der Stadtchef mit dem ehemaligen Nippemann Schneider auf. „Wir kommen doch nicht galoppiert, nur weil eine Masseuse in Pumphosen mit ihren zwei Lamettaboys laut rum schreit“, reizte er den Prinzen, während sein Leibwächter die Adjutanten als Möchtegern-Rocker und grün-weiße Ballettschnallen verunglimpfte. Prompt bezeichnete et Yvönnche die Stadtsoldaten als „Ansammlung verbrauchter Blechbüchsen“, während für den Nippemann seine Kollegen „Testosteron gesteuerte Kampfmaschinen“, nach deren Kampfeinsatz Hajo in seiner Physio-Praxis ein Lazarett aufmachen könne.


Rathaus wurde gestürmt


Natürlich ließe es sich die Tollität als eingefleischter Motorradfahrer nicht nehmen, über die „Elektrofahrrad“-Tanke am Rathaus herzuziehen, bevor er drohte, das Bürgermeisterbüro zum Umschlagplatz für rheinische Drogen, eben Kölsch un Schabau sowie Blootwoosch un Uhles zu machen und den Ratssaal zur Mensch-ärgern-dich nicht-“ und „Mau-Mau“- Spielhölle umzufunktionieren. „Ich werde das auf keinen Fall zulassen, dass du mein Rathaus in ein ‚Haus der Freuden‘ verwandelst“, wetterte Hans Georg Faust, forderte Markus Paffhausen auf, seine staatzen Kääls in Stellung zu bringen – und ward vorerst nicht mehr gesehen, jedenfalls nicht vor seiner Machtzentrale. Das fiel Hajo I,aber erst auf, als er mit seinen Grün-Weißen im Sturm mühelos die Kette der Stadtsoldaten durchbrochen hatte und vor der Rathaustreppe angekommen war. Von seinen beiden Kollegen, Helmut Muthers und Michael Schneider, die 2005 und 04 selber Prinz von Linz gewesen waren, im Stich gelassen, sah sich Karl-Heinz „Flippo“ Wölbert trotz seiner kriminalistischen Schulung und Erfahrung sowie der Unterstützung etlicher Ratsmitglieder nicht in der Lage, sich der närrischen Übermacht entgegenzustemmen, zumal ihm das Ratsmitglied Jürgen Pappendorf auch noch in den Rücken fiel. Als Cremeschnittchen lief dieser zu den Jecken über und öffnete ihnen bereitwillig die Ratshaustür, so dass Hajo I. von seinen Heerscharen in den Schraatetempel gespült wurde. Diese unblutige Eroberung stimmte den neuen Regenten der Stadt überaus gnädig, zumal nun auch die vorangegangene Rede von Hans-Georg Faust bei der Tollität Wirkung zeigte. Ohne Kampf stellte er den geflohenen Stadtchef vor dem Ratssaal, der ihm bereitwillig den Schlüssel der Stadt überließ.

Bei allem Wohlwollen und trotz aller Verbrüderungen, seinen uneingeschränkten Sieg der Narrenschar vor dem Rathaus kund tun, wollte Hajo I. dann aber doch. Entsprechend zeigte er sich seinem jecken Völkchen mit dem entmachteten Bürgermeister, bevor im Schraatesaal auf die gelungene Rathausbesetzung angestoßen wurde. DL

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Geldautomatensprengungen in Andernach und Montabaur

Polizei schnappt Automatensprenger: 20-Jähriger erbeutete mehrere hunderttausend Euro

Region. Nach einer Serie von Geldautomatensprengungen führten die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln am Morgen des 24. April Durchsuchungen in mehreren Privatwohnungen und Büros in Köln, Rheinbach und Heimerzheim sowie in einer Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen durch. Die umfangreichen Ermittlungen konzentrierten sich auf einen 20-jährigen Mann, der seit Februar 2024 in Haft ist und eine Strafe für ein Raubdelikt verbüßt. mehr...

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Regional+
 

Halbseitige Sperrung der Straßen „Auf dem Steinbüchel“ und „Ulmenstraße“

Kanalsanierung der Hauptkanäle und Anschlussleitungen in Merl

Meckenheim. Im Rahmen der Offenen Kanalsanierung der Hauptkanäle und der Anschlussleitungen werden die Straßen „Auf dem Steinbüchel“ / „Ulmenstraße“ voraussichtlich im Zeitraum vom 6. Mai bis 14. Juni in zwei Bauabschnitten halbseitig gesperrt. Im ersten Bauabschnitt ist insbesondere der Einmündungsbereich der beiden Straßen betroffen. Im weiteren Verlauf ist dann lediglich die „Ulmenstraße“ halbseitig... mehr...

TC Rengsdorf

Erfolgreiche Saisoneröffnung

Rengsdorf. Jüngst startete der TC Rengsdorf in die Saison. Viele Interessierte jeden Alters fanden den Weg zu dem Verein, um den Tennissport einmal auszuprobieren oder um wieder einzusteigen. Alle SpielerInnen genossen es, wieder an der frischen Luft zu spielen und den roten Sand unter den Füßen zu spüren. Die Kleinen hatten zudem großen Spaß auf der Hüpfburg und auf dem angrenzenden Spielplatz. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
19-Jährige im Zug durch unbekannten Täter belästigt

Ermittlungen nach sexueller Belästigung in Regionalbahn auf der Fahrt von Frankfurt/Main nach Koblenz

19-Jährige im Zug durch unbekannten Täter belästigt

Koblenz. Am Donnerstagmittag, 25. April zwischen 11.30 und 12.30 Uhr soll es in der Regionalbahn 4256, auf der Fahrt von Frankfurt/Main nach Koblenz, zu einer sexuellen Belästigung einer 19-Jährigen gekommen sein. mehr...

Pkw prallte mit großer Wucht gegen einen Baum

Hubschraubereinsatz bei schwerem Verkehrsunfall auf der B 478 zwischen den Ortschaften Ruppichteroth Ahe und Harth

Pkw prallte mit großer Wucht gegen einen Baum

Ruppichteroth. Am Donnerstagnachmittag, 25. April 2024 um 16.20 Uhr wurde der Leitstelle der Polizei durch die Rettungsleitstelle des Rhein-Sieg-Kreises ein Verkehrsunfall mit verletzten Personen auf der B 478 zwischen den Ortschaften Ruppichteroth Ahe und Harth gemeldet. mehr...

Mehrere Drogenfahrer entlarvt

Abendliche Verkehrskontrollen der Polizei Montabaur führen zu Vielzahl an Verfahren

Mehrere Drogenfahrer entlarvt

Siershahn/Höhr-Grenzhausen. Am Donnerstag, 25. April 2024 führte die Polizei Montabaur erneut Verkehrskontrollen hinsichtlich der Verkehrstüchtigkeit von Fahrzeugführern durch. In der Zeit von 17:30 r bis 20:30 Uhr wurden in der Bunzlauer Straße in Siershahn mehrere Fahrzeugführer kontrolliert. mehr...

FWG Andernach e.V. lädt ein

Infostände am 4. und 11. Mai

Andernach. Die Freie Wählergruppe Andernach e.V. (FWG) lädt die Bürgerinnen und Bürger von Andernach zu ihren Infoständen ein. Diese finden am 4. und 11. Mai am Historischen Rathaus in Andernach statt. mehr...

Jetzt für Läufe der LG Rhein-Wied anmelden

Andernach/Neuwied. Die Saison der Laufveranstaltungen beginnt, und damit auch die Anmeldephase für die Großveranstaltungen der LG Rhein-Wied. Der „Deichlauf präsentiert von Rhodius“ (Freitag, 14. Juni)... mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
Wagener :
Die Entscheidung ist richtig und zu begrüßen ! Wenn der Zustand der Tiere und des Geländes so wie geschrieben besteht , gab es keine Alternative ! Wer über so lange Zeit zulässt, dass die Hunde verwahrlosen und buchstäblich im Dreck leben müssen, ist auf lange Sicht nicht in der Lage diese ohnehin...
Lya:
Unfassbar aufgrund hater in sozialen Medien. Besucht doch den Hof und macht euch ein Bild. Nicht umsonst waren Ralf Seeger von den harten Hunden schon dort. Willkür wegen Menschen denen es nicht um Tiere geht sondern wie in der DDR oder unter Adolf um denunzieren....
Sabine Daniels:
Hallo, ja Kontrollen zum Schutz der Tiere sind wichtig. Aber der Gnadenhof Eifel hat jahrelang ohne Beanstandungen jede Kontrolle bestanden. Falls die. Behauptungen stimmen sollten, warum wird nicht nach einer für jede. Seite verantwortungsvoll, zum Wohl der Tiere eine gemeinsame Lösung gefunden? Ist...
Amir Samed :
HR Kühnert, auch Talkshow-Kevin genannt, ist allgemein bekannt für seine Forderungen nach Verstaatlichung. In seinem Weltbild ist es Diebstahl, wenn ein Mensch sein Leben lang hart arbeitet und sich zur Altersvorsorge ein Haus baut. Stattdessen sollte dieser sein hart verdientes Geld dem Staat überlassen,...
Ralph-Lothar Keller:
Wegen mir muss man in der Öffentlichkeit nicht kiffen dürfen. Wenn man das draußen tut, dann am Besten wo niemand ist. Wenn am Pavillon gerade niemand ist (sagen wir um Mitternacht), dann kann man da ja kiffen. Sonst würde ich es wo anders machen. Viel wichtiger ist, dass der Grenzwert angepasst wird....
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service