Tragschrauber der Hochschule Koblenz im Einsatz im Hochwasser

Neuvermessung von Erftstadt-Blessem

23.07.2021 - 08:26

Koblenz/Remagen/Erftstadt. Das schwere Unwetter im Westen Deutschlands hat viele Tote, Verletzte und Sachschäden von immensem Ausmaß hervorgebracht. Wie groß das Ausmaß der Zerstörung ist und wie sehr sich auch Landschaften dadurch über Nacht verändert haben, haben in den letzten Tagen immer wieder Luftbilder gezeigt. Im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) war der Tragschrauber der Hochschule Koblenz mit der am RheinAhrCampus Remagen entwickelten Kameratechnik über dem Katastrophengebiet in Erftstadt-Blessem im Einsatz, um dort die mittlerweile bundesweit bekannte Abbruchkante aus der Luft neu zu kartieren. Die dabei entstandenen Bilder helfen nun den Einsatzkräften, die Gefahrenlage vor Ort besser einschätzen zu können.

„Als uns das BBK anrief und darum bat, die Abbruchkante in Erftstadt-Blessem zu vermessen, um mit hochaufgelösten Bildern das Risiko weiterer Erdbewegungen besser einschätzen und damit den Einsatzkräften vor Ort helfen zu können, haben wir nicht gezögert“, betont Prof. Dr. Jens Bongartz vom Fachbereich Mathematik und Technik der Hochschule Koblenz. Seit fast einem Jahrzehnt erforscht er am RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz die Einsatzmöglichkeiten eines Tragschraubers bei der sensorgestützten Gewinnung von Daten aus der Luft. Bei der Entwicklung der dazugehörigen Kamera- und Messtechnik im hochschuleigenen Anwendungszentrum für Maschinelles Lernen und Sensortechnologie (AMLS) unterstützt ihn ein Team von insgesamt vier Mitarbeitenden. Die Sensortechnik des Tragschraubers kam bisher nicht nur in Deutschland, sondern auch schon weltweit zum Einsatz – von Andalusien über Südafrika bis nach Kambodscha.

Die ganz kurzfristig angesetzte Mission, das Katastrophengebiet Erftstadt-Blessem luftgestützt zu erkunden, stellte Bongartz und seine Kollegen Immanuel Weber und Alexander Jenal zunächst vor besondere organisatorische Herausforderungen. „Da in diesem Bereich wegen der vielen Rettungsflüge eine Flugverbotszone eingerichtet worden ist, musste ich zuerst eine Einfluggenehmigung der Bundeswehr einholen“, berichtet Bongartz, „die wurde uns gewährt, da der Erkundungsflug unseres Tragschraubers der Abwehr weiterer Lebensgefahren diente.“

Parallel arbeiteten die drei Forscher an der nächsten Herausforderung: Wie konnte der Tragschrauber der Hochschule Koblenz, der zu diesem Zeitpunkt ohne die Sensorplattform auf dem Flugplatz Dahlemer Binz in der Eifel stationiert war, voll ausgestattet an den Ort des Geschehens kommen? Glücklicherweise erreichte Bongartz den langjährig für die Hochschule tätigen Piloten Egon Joisten, der den Tragschrauber auf den Flugplatz Bonn/Hangelar brachte. Bongartz, Weber und Jenal transportierten die benötigte Technik zum vereinbarten Treffpunkt und bauten sie dort unter freiem Himmel in den Tragschrauber ein. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hatte ein zu befliegendes Areal von 630 Hektar (oder 6,3 Quadratkilometer) vorgegeben. Dafür wurde ein Flugplan erstellt, der aus 14, jeweils drei km langen und parallel zueinander verlaufenden Geraden bestand. Egon Joisten benötigte zwei Stunden, um das Streifenmuster abzufliegen und nach Hangelar zurückzukehren. Dabei konnte er sich ganz auf die Strecke konzentrieren, da die Kamera über GPS per Satellit automatisch ausgelöst wurde. Vor und während des Fluges herrschte großen Anspannung bei Bongartz und seinem Team: „Wir hatten nur einen Versuch, wir wussten, dass diesmal nichts schiefgehen durfte.“

Bei dem Flug entstanden 710 hochaufgelöste Fotos. Da die Sensorplattform über vier Kameras verfügt, die die verschiedenen Farbkanäle bedienen, brachte der Einsatz des Tragschraubers fast 3.000 Bilder von jeweils zwölf Megapixel Größe ein. Ein Hochleistungsrechner am RheinAhrCampus Remagen brauchte trotz seiner immensen technischen Ausstattung zwölf Stunden, um die Menge von insgesamt 70 Gigabyte Daten zu einer drei Gigabyte großen Luftbildkarte des Katastrophengebietes zu verarbeiten. Diesen steht nun dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und damit den Einsatzkräften zur Verfügung. „Man sieht auf der Luftbildkarte mit 15 cm Auflösung ganz deutlich, wo das Wasser der Erft eingedrungen und wieviel Erde weggebrochen ist“, erklärt Bongartz, „dies lässt sich auch gut mit vor und zu Beginn der Katastrophe gemachten Bildern vergleichen.“

Die erfolgreiche Mission hat bei dem Forscher zweierlei Gefühle ausgelöst: „Zum einen sind wir sehr stolz, dass unsere entwickelte Technik für diesen wichtigen Zweck funktioniert hat. Zum anderen hat es uns sehr betroffen gemacht, das Ausmaß der Verwüstung so hochaufgelöst, so nah zu sehen.“ Bongartz ist sich sicher: „Die meisten Betroffenen werden erst später so richtig realisieren, was hier passiert ist.“ Weitere Einsätze mit dem Tragschrauber sind möglich, wenn nach dem ersten groben Aufräumen neues Kartenmaterial anfertigt werden muss: „Wir sind gerne bereit, bei der Neuvermessung der betroffenen Gebiete zu unterstützen.“

Pressemitteilung

Hochschule Koblenz

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