„Lager Rebstock“ sorgte für kontroverse Diskussion

Viele Fragen blieben offen

21.01.2018 - 09:00

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die geschichtliche Aufarbeitung des „Lager Rebstock“, ein zwischen Herbst 1943 und Dezember 1944 im Ahrtal existierendes Zwangsarbeitslager zur Herstellung von Bodenanlagen für die Fernrakete „V2“, wurde in den letzten Jahren sehr intensiv betrieben. Vor allem der Bad Breisiger Militärhistoriker Wolfgang Gückelhorn widmete sich der der Forschung rund um das Lager Rebstock, das eine so genannte „Außenstelle“ des Konzentrationslagers Buchenwald war und sich faktisch von Ahrbrück bis Ahrweiler erstreckte. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse vermittelte Gückelhorn in Publikationen, Führungen und Vorträgen. Im vergangenen November entstand schließlich durch die Unterstützung der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Verbandsgemeinde Altenahr, der Gemeinde Grafschaft sowie weiterer Unterstützer und Sponsoren in Marienthal eine in Trägerschaft des Bürgervereins Synagoge Ahrweiler befindliche Gedenkstätte, die an das Leid und die Qualen der unter unmenschlichen Bedingungen tätigen Zwangsarbeiter des Lager Rebstock erinnert („BLICK aktuell“ berichtete). Hierüber, aber auch über die Zahlen der Häftlinge und Zwangsarbeiter und zum Teil über deren Schicksale berichten Infotafeln, die auf dem Gelände der Gedenkstätte installiert sind. Eben jene, auf den Infotafeln, aber beispielsweise auch in der Publikation „Blätter zum Land - Das Lager Rebstock 1943/44 - Rüstungsbetrieb und KZ im Ahrtal“ veröffentlichten Zahlen wurden von den Heimat- und Geschichtsforschern Matthias Bertram und Hans-Jürgen Ritter im Rahmen insgesamt dreier Leserbriefe an hiesige Zeitungen angezweifelt.


Auf dem Prüfstand


Um in dieser wichtigen und für viele Diskussionen sorgenden Thematik für Klarheit zu sorgen, veranstaltete der Bürgerverein Synagoge Ahrweiler unter dem Motto „Auf dem Prüfstand: Lager Rebstock - Zahlen und Fakten“ jetzt einen Informations- und Diskussionsabend in der ehemaligen Synagoge Ahrweiler, bei dem alle Beteiligten ihre Fakten und Rechercheergebnisse darlegen und in den Diskurs mit dem interessierten Publikum treten konnten. Und das Publikum war sehr interessiert, was sich nicht nur in Form eines vollen Hauses, sondern auch an der im Verlauf der Veranstaltung zuweilen auch emotional geführten Debatte zeigte. Als Moderator hatte der Bürgerverein Synagoge den Leiter der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ-Hinzert im Hunsrück, Dieter Burgard, gewinnen können. Burgard teilte sich das Podium mit Matthias Bertram und Wolfgang Gückelhorn.


Von Sekundärquellen zu Primärquellen


Gückelhorn stellte sich nach der Begrüßung des Bürgervereins-Vorsitzenden Klaus Liewald als erster dem Publikum vor, berichtete davon, dass er sich seit dem Jahr 2000 intensiv mit dem Lager Rebstock beschäftige und erläuterte kurz die Entstehung der aktuellen Zahlen, die auch an der Gedenkstätte in Marienthal zu lesen sind. Diese seien zunächst mittels Sekundärquellen und später durch entsprechende Primärquellen recherchiert worden. Es folgte die Vorstellung von Matthias Bertram, der aus Dernau stammt und heute in Ahrweiler lebt. Bertram befasst sich seit 35 Jahren mit dem Lager Rebstock, sprach mit zahlreichen Zeitzeugen in Dernau und Ahrbrück, die direkt mit dem Lager in Berührung standen. Darüber hinaus forscht Matthias Bertram seit vielen Jahren über das jüdische Leben und die jüdischen Familien im Ahrtal, hat zu diesem Thema bereits viel beachtete Bücher veröffentlicht. Dabei wies Bertram auf die naturgemäße Schwierigkeit bei der Einordnung von Zeitzeugenaussagen bei historischen Forschungen hin. Er befürworte die Gedenkstätte, aber „die Fakten müssen stimmen“. Zweifel hegt Bertram unter anderem an der publizierten Zahl der 500 zivilen Arbeitskräfte aus der Region, die von Frühjahr bis Sommer 1943 begannen, die alten Eisenbahntunnel im Ahrtal für den dortigen Arbeitseinsatz entsprechend vorzubereiten. Hierzu zitierte er den Brief eines damals dort beschäftigten Elektrikers, der nicht auf diese Zahl schließen lasse. Auch die Zahl der 500 laut Recherchen von Gückelhorn ermittelten, zwischen Herbst 1943 und Herbst 1944 im Lager befindlichen italienischen Militärinternierten hält Matthias Bertram für zu hoch. Laut seinen Erkenntnissen seien es eher 200 bis 300 Personen gewesen, denn für mehr Menschen habe am Unterbringungsort in Ahrbrück keine Kapazität bestanden. Insgesamt waren, so Bertram, die Kapazitäten der Barackenlager nicht hoch genug, um die veröffentlichten Häftlings/Zwangsarbeiterzahlen aufzunehmen.


„Es gab in Dernau kein KZ“


Auch die Begrifflichkeit „KZ“ (Konzentrationslager) sei im Zusammenhang mit dem Lager Rebstock laut Matthias Bertram nicht korrekt. „Es gab in Dernau weder ein KZ, noch einen unterirdischen Bunker“, so Bertram, der für seine Recherchen auch mit sachkundigen Verantwortlichen der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald in Kontakt trat und entsprechende E-Mails zitierte. Die von Wolfgang Gückelhorn unter anderem auch aus den Listen des SS-Obergruppenführers und Leiters des SS-Wirtschafts- und Hauptamtes Oswald Pohl eruierten Häftlingszahlen bezeichnete Matthias Bertram als „sehr pauschal“. Dann erklärte Wolfgang Gückelhorn die von ihm erhobenen Zahlen und vor allem die entsprechenden Quellen. So bezog er seine Daten unter anderem aus Akten und Dokumenten des „United States Holocaust Memorial Museum“, des „Nederlandse Rode Kruis/Second World War Archive“, des „Stichting Nationaal Monument Kamp Amersfoort“, aus offiziellen Transportlisten des KZ-Buchenwald, vom „Internationalen Suchdienst (ITS)“ in Bad Arolsen und ebenfalls von Zeitzeugen.


„Gequält, geschlagen und teilweise ermordet“


„In der Summe haben 1.500 Menschen aus acht Ländern, die gegen ihren Willen bei unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten das Lager Rebstock durchlaufen. Dabei war die Unterbringung miserabel, die Verpflegung ungenügend und die hygienischen Zustände unzumutbar. Bei zwölf Stunden Arbeit je Tag und schikanösen Zählappellen wurden die Häftlinge von SS-Wachen und Kapos gequält, geschlagen und teilweise ermordet. An den Häftlingen hat die SS je Arbeitstag vier Reichsmark verdient. Es gab keine gerichtsverwertbaren Beweise für Mord- oder Totschlagsdelikte. Schikanen und Körperverletzungen wurden sowohl von den vernommenen Opfern als auch von zivilen Augenzeugen in großer Anzahl bestätigt. Weitere Aussagen und Indizien lassen auf Mordhandlungen schließen. Die Spuren von Tätern blieben im Dunklen und niemand ist zur Verantwortung gezogen worden. In der Zeit ab 1945 ist dieses Geschehen erfolgreich verschwiegen und/oder geleugnet worden, obwohl es engagierte Initiativen und sachliche Veröffentlichungen gegeben hat“, so Wolfgang Gückelhorn. Auch einige Zuschauer beteiligten sich aktiv an der Debatte, stellten Fragen oder äußerten ihre Meinung. „Letzten Endes ist es doch egal, wie viele Menschen dort waren oder wie wir das Ganze bezeichnen. Es wurden im Lager Rebstock Menschen gequält, erniedrigt und gegen ihren Willen von der SS festgehalten und zu schwerer Arbeit in einem SS-Lager gezwungen, das ist doch das Entscheidende“, so ein sichtlich emotionaler Besucher. Einen direkten, greifbaren Zahlenabgleich erbrachte der Abend letzten Endes nicht, manche Fragen blieben offen. Vor allem die, warum sich die Beteiligten nicht an einen Tisch gesetzt haben, bevor es zur öffentlich ausgetragenen Diskussion kam.

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MARGIT S.:
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Ralf Dutine:
Hansen, die für meine Statistik wichtigste Info war dabei ;-)...
Hansen:
Korrektur: Das war grausanste Folter und ein Femizid. Benennt es als das, was es ist. Wir schreiben das Jahr 2024 und nicht 1980....
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