„Resolution für Demokratie, Vielfalt und Toleranz“ verabschiedet
Emotionsgeladene Debatte im Neuwieder Kreistag
Kreis Neuwied. „Wir, die Mitglieder des Kreistages Neuwied, bekennen uns zu Demokratie, Vielfalt und Toleranz“, lautete der erste Satz einer Resolution, die die Fraktion von Die Linke in die jüngste Kreistagssitzung einbrachte. Aktuell, hieß es darin weiter, versuchten „besonders Rechtsextreme, die Grundwerte und Prinzipien unseres Zusammenlebens auszuhöhlen und die Fundamente unserer Demokratie zu zerstören“. Der Resolutionstext forderte daher „alle Menschen im Kreis Neuwied auf, sich gegen diese Angriffe zu wehren“. Der Text erkläre sich von selbst, gab Jochen Bülow (Die Linke) vor der Aussprache zu verstehen; weiter wollte er sich zunächst nicht äußern. Dennoch entbrannte im Anschluss eine emotionsgeladene Debatte, bei der es sogar zu einem Ordnungsruf kam.
Dr. Sabine Knorr-Henn (Bündnis 90/Die Grünen) appellierte in ihrer Rede an „alle ernsthaften Demokratinnen und Demokraten dieses Kreistages“, mit der Abstimmung über die Resolution „die Stärke und Haltung zu zeigen, die unsere Demokratie in der Verteidigung gegen Rechts so dringend braucht.“ Zuvor hatte sie unter anderem an die Demonstration gegen den AfD-Neujahrsempfang in Puderbach Ende Januar erinnert. Das Treffen von Potsdam, bei dem laut Correctiv-Recherchen Mitglieder der AfD gemeinsam mit weiteren Personen aus dem rechtskonservativen und rechtsextremen Spektrum die „Remigration“ von Menschen aus Deutschland geplant hatten, zeige, „dass diejenigen, die in unserem Dorfgemeinschaftshaus ihren Neujahrsempfang zelebrierten, andere Vorstellungen als unsere gemeinsame demokratische Willkommenskultur in ihrem Gedankengut sammeln“, so Knorr-Henn. Die bei dem Potsdamer Treffen ausgebreiteten „rassistischen Fantasien“ erinnerten „an die dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte.“
Ordnungsruf für Baltrock (AfD)
Anschließend holte Nick Baltrock für die AfD zum Gegen- und Rundumschlag aus. „Die AfD steht für Vielfalt und Toleranz, für eine Vielfalt der Meinung und eine Toleranz derselbigen“, sagte Baltrock zu Beginn, was vereinzelt zu höhnischem Gelächter unter den anderen Kreistagsmitgliedern führte. Er erzählte von seinem Vater, der vor der Wende aus der DDR habe fliehen müssen. „Da wirkt es schon makaber, dass ausgerechnet Die Linke als Rechtsnachfolgerin der SED eine Resolution für Demokratie, Vielfalt und Toleranz stellt“, äußerte Baltrock in Richtung der Linken-Fraktion. Bezugnehmend auf die Demonstration in Puderbach sprach Baltrock von einem Antifa-Transparent, das bei der Veranstaltung, an der auch Landrat Achim Hallerbach (CDU) teilnahm, zu sehen gewesen sei. „Bedeutet das jetzt, dass auch die CDU offen mit gewaltbereiten linksextremistischen Organisationen den Schulterschluss vollzieht?“, fragte der AfD-Mann ins Plenum. Nach weiteren Ausführungen unterbrach der Landrat die Rede Baltrocks und erteilte diesem letztlich einen Ordnungsruf.
„Werden Ihre Partei mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen“
CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth berichtete von der diesjährigen Feierstunde anlässlich des Holocaust-Gedenktages im Landtag, im Rahmen derer Angehörige von Holocaustüberlebenden sprachen und bei der es zu einem Vorfall kam, der offenbare, welches Geistes Kind die AfD sei. Am Ende der Vorträge seien alle Parlamentarier – außer der AfD – selbstverständlich aufgestanden und hätten aus Respekt und Hochachtung Beifall geklatscht. „Sie können hier reden, aber wir werden Ihnen niemals applaudieren“, sagte Demuth bei der Kreistagssitzung an die AfD gerichtet, „und Ihre Partei werden wir mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen.“
Michael Christ (CDU) gab sich nach Baltrocks Rede unsicher, „ob ich entsetzt, fassungslos oder einfach nur angewidert bin von dem, was Sie eben von sich gelassen haben.“ Anschließend stellte der Christdemokrat einen Änderungsantrag, durch den unter anderem der Begriff „Rechtsextremismus“ in der Überschrift der Resolution gestrichen und lediglich die Formulierung „gegen jede Form von politischem Extremismus sowie religiösen und weltanschaulichen Extremismus“ beibehalten werden sollte. Christ verwies in diesem Kontext auf Solidaritätsdemonstrationen für die verhaftete RAF-Terroristin Daniela Klette, bei denen allein in Berlin über 600 Menschen für die Rote Armee Fraktion Farbe bekannt hätten. „Wir sehen gleichermaßen eine Gefahr für die Demokratie von Links- und Rechtsextremismus“, schlussfolgerte Christ. Der Änderungsantrag sei weitreichender, „weil er sich auf alle Formen des Extremismus‘ bezieht.“
„Innere Sicherheit durch Rechtsextremisten gefährdet“
Und ebendieser Änderungsantrag veranlasste Jochen Bülow dazu, doch noch ans Rednerpult zu treten. Aktuell sei die innere Sicherheit durch Rechtsextremisten gefährdet, sagte er. „Und deswegen ist es hier und heute notwendig, gegen Rechtsextremismus aufzustehen und ein klares Zeichen zu setzen.“ Er sei geschockt, so Bülow, dass die Resolution der Linken offenbar nicht mehrheitsfähig sei, obwohl darin kein Zweifel daran gelassen werde, „dass jede Art von gewalttätigem Extremismus undemokratisch ist und unseren Widerspruch finden muss und auch meinen persönlichen findet.“
Aus diesem Grund wollte der Linken-Fraktionsvorsitzende den eigenen Antrag wieder zurückziehen. Um den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, hätte es jedoch einer Zweidrittelmehrheit bedurft. Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung und Beratung wurde der Änderungsantrag der CDU schließlich bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke angenommen.
Landrat: Absage an „extreme Strömungen jeglicher Couleur“
In einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung befürwortete Landrat Achim Hallerbach nach der Kreistagssitzung die verabschiedete Resolution. Diese untermauere die Identifizierung des Landkreises Neuwied mit den Inhalten von Grundgesetz und Demokratie, heißt es darin. „Wir haben extremen Strömungen jeglicher Couleur eine Absage erteilt“, so Hallerbach.
Sehr geehrter Herr Samed,
Wer genau klaut die Demokratie im Kreistag? Dort sitzen alles ehrenamtlich tätige Menschen, die sich für den Kreis Neuwied (und somit auch für Sie) nebenberuflich einsetzen und von den Menschen im Kreis Neuwied gewählt wurden. Sie haben keinen Vorteil davon. Wenn Sie meinen, dass dort Menschen sitzen, die die Demokratie gefährden und selbst mehr Mitsprache wollen, lassen Sie sich in den Kreistag wählen.
Wenn also diese Leute im Kreistag die Demokratie in Gefahr sehen, denken kritische Geister, dass, wo derjenige, der für die Gefahr verantwortlich ist, am Lautesten davor warnt. Und einige derer, welche die Demokratie und die Freiheit klauen, sind womöglich genau die, die am lautesten vor der "Zerstörung der Demokratie" warnen.