Lebhafte Diskussionen bei Podium zur Stadtgestaltung - BI „lebenswerte Stadt“hatte eingeladen
Städte gehören weder Politikern noch den Investoren
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Dass die massiven baulichen Veränderungen in der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler die Gemüter der Bürgerinnen und Bürger bewegen, bewies die Zahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an der Podiumsdiskussion „Wie wollen wir morgen leben?“. Die BI „lebenswerte Stadt“ hatte hierzu eingeladen. Über 100 Menschen drängten in den Saal, der aus allen Nähten platzte; Zuhörer mussten sich im Treppenhaus auf die Stufen setzen, belagerten Fensterbänke oder kauerten auf der Erde. Die Stimmung im Saal war gespannt und konzentriert.
„Sind Sie bereit, historische Bausubstanz zu erhalten?“ Fragte Moderatorin Constanze Falke die sieben Spitzenkandidaten sehr direkt und unverblümt. Diese vertraten die aktuell im Stadtrat Bad Neuenahr-Ahrweiler vertretenen Parteien. Sie alle erkannten die Notwendigkeit, dass vor allem der Stadtteil Bad Neuenahr umgehend vor weiteren Abrissen geschützt werden müsse, um nicht vollends jedwede Attraktivität einzubüßen. Allesamt befürworteten sie Erhaltungssatzungen für den Stadtteil Bad Neuenahr.
Zuvor hatte Dr. Marian Klepper, Jurist aus Düsseldorf und Fachmann des Baurechts, knapp und präzise diverse Instrumente mit all ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt. Darin wurde deutlich: Herr des Stadtbildes ist und bleibt der Stadtrat. Und das einfachste Instrument, das eigentlich nur guten Willen und Bereitschaft für den Erhalt von Historie und des Milieus braucht, ist die Erhaltungssatzung. Klepper untermauerte sein Plädoyer für einen Stadtrat, der die Zukunft der Stadt nicht Investoren und Wirtschaft überlässt mit einem Zitat der „Charta von Leipzig“ aus dem Jahr 2007. Dort formulierten Bauminister: Die Städte gehören weder den Politikern und Verwaltungen noch den Investoren. Alle, die für die Gegenwart und die Zukunft der Städte verantwortlich sind, müssen sich engagieren: Bürgerinnen und Bürger, Politiker und Verwaltungen, Wirtschaft und gesellschaftliche Organisationen.
Warum wurde hier so viel abgerissen?
Constanze Falke, Kunsthistorikerin, Denkmalpflegerin und Mitbegründerin der „Werkstatt Baukultur Bonn“, machte die Nagelprobe. Charmant und wohlwollend erfragte sie die Vorstellungen hiesiger Kommunalpolitik und legte die Finger in die Wunden: Warum wurde hier so viel abgerissen? Ist dort etwas Besseres und Passendes entstanden? Und was könnte Bad Neuenahr für sie und ihre junge Familien attraktiv machen? Die Antworten der Spitzenkandidaten fielen recht unterschiedlich aus: Die Grünen konnten von ihren Erfahrungen mit dem Instrument der Erhaltungssatzung berichten. Sie haben es für einen vorgesehenen Milieuschutz bereits bemüht. Sie möchten jedoch zukünftig die Nutzung in einen Prozess eingebettet sehen, in dem die Bevölkerung sich damit auseinandersetzt, was ihre Stadt lebenswert macht.
Ähnlich argumentierte die WÄHLERGRUPPE JAKOBS. Für sie ist der Erhalt der Historie und ein wertschätzender Umgang mit stadtbildprägenden Bauten eine Grundhaltung. Denn diese machen die Stadt lebenswert und auch für Familien und Gäste attraktiv. Die stärksten Fraktionen im Stadtrat, CDU und SPD, verwiesen darauf, dass in der Stadt einige Baugebiete für junge Familien erschlossen werden. Ein Versuch eine hohe Anzahl von Gebäuden unter Denkmalschutz stellen zu lassen, sei gescheitert. Zurecht merkte Falke an, dass – wie von Klepper dargelegt – Denkmalschutz und Erhaltungssatzung zwei Paar Schuhe seien. Wenn ein Wille da sei, Gebäude zu erhalten, sei dies problemlos möglich. Die SPD erwähnte, dass sie im geplanten Neubaugebiet in der Piusstraße immerhin durchgesetzt habe, dass 25% des entstehenden Wohnraumes als Sozialwohnungen zur Verfügung stehen. Schwer tat sich hingegen die FDP mit Auflagen und Bausatzungen. Sie erschwerten bauliche Vorhaben. Angesichts eines Beispiels aus dem Publikum, bei dem rücksichtslos und renditeträchtig ein Haus überdimensioniert in die Bestandsbebauung hineingestanzt werden soll, musste sie jedoch einräumen, dass Satzungen wohl doch manchmal sinnvoll sind. Die Freie Wählergemeinschaft betonte, dass ihr beim Erhalt historischer Bausubstanz die Finanzierbarkeit ein wichtiges Anliegen sei. DIE LINKE blickte kritisch auf den Stadtrat. Er solle mehr das Wohl der Bürger im Blick haben und entschieden für deren Belange eintreten, aber auch nachhaltig mit dem eigenen „Tafelsilber“ – Grundstücke und Bauten – umgehen. Seiner Kritik, der Stadtrat nicke zu viel ab, was der Bürgermeister vorschlage, widersprach die CDU entschieden - und erntete viele Lacher.
Unmut in der Bevölkerung
Überhaupt machten Rückmeldungen aus dem engagiert mitgehenden Publikum deutlich, dass viel Unmut in der Bevölkerung über die aktuelle Stadtpolitik herrscht. Das bestätigt das Stimmungsbild, das die BI lebenswerte Stadt an Infoständen bei „Rund ums Ei“ einfangen konnte. Mit diesem Podium der Spitzenkandidaten hat die BI „lebenswerte Stadt“, die sich mit vielfältigen Aktionen für eine behutsame Stadtgestaltung einsetzt, einen wichtigen Akzent im Kommunalwahlkampf gesetzt. Sie wird die Themen Stadtbild und Erhaltungssatzung auch weiterhin verfolgen.
Wer hat mitdiskutiert?
Am Podium nahmen teil: Christoph Kniel, CDU; Werner Kasel, SPD; Wolfgang Schlagwein, Bündnis90/Die Grünen; Engelbert Felk, Freie Wähler; Rainer Jakobs, WÄHLERGRUPPE JAKOBS; David Jacobs, FDP; Wolfgang Huste, DIE LINKE; Moderatorin: Constanze Falke; Referent: Dr. Marian Klepper; Organisation: BI „lebenswerte Stadt“ – www.lebenswertestadt.jimdo.com
Pressemitteilung
Bürgerinitiative „lebenswerte Stadt“